SP-Ständerat Daniel Jositsch hielt sich letzte Woche bei der Kritik gegen das vorgeschlagene «Frauenticket» bei den Bundesratswahlen nicht zurück. Der Sozialdemokrat schimpfte die Idee als «diskriminierend» und sogar als «verfassungswidrig». Und er stellte klar, was er vom Ausschluss männlicher Kandidaturen hält: «Das hat nichts mit Gleichstellung zu tun.»
Diese Haltung dürfte seinem Eigeninteresse geschuldet sein, denn Jositsch will selbst in den Bundesrat, wie mittlerweile bekannt geworden ist. Der Sozialdemokrat vertrat aber nicht immer diese Meinung, wie ein Blick ins Archiv zeigt: Jositsch hätte nicht kandidieren dürfen, wenn er auf den 22 Jahre jüngeren Jositsch gehört hätte.
Daniel Jositsch war im Jahr 2000 ein politischer Neuling in Meilen und strebte bereits nach Verantwortung: Er wollte in die Schulpflege seiner Gemeinde gewählt werden. Um das zu erreichen, tat er das, was im Jahr 2000 üblich war: Er schrieb einen Leserbrief nach dem anderen. So auch im März, kurz vor den eidgenössischen Abstimmungen.
Von den auf der Liste stehenden Abstimmungen interessierte sich Jositsch aber vor allem für eine Volksinitiative: Die sogenannte «3. März»-Initiative – benannt nach dem 3. März 1993, an dem die Genfer SP-Nationalrätin Christiane Brunner, Gewerkschafterin und Feministin, nicht in den Bundesrat gewählt wurde, weil es erneut ein Mann werden musste.
Die Initiative forderte mehr oder weniger strikte Geschlechterquoten für die gewählten Behörden des Bundes. Für den Bundesrat waren konkret vorgesehen, dass «mindestens drei der sieben Mitglieder» Frauen sein mussten. Die Initiative polarisierte und hatte ihre Schwächen. Mit ihr wäre ein Bundesrat mit sieben Frauen möglich gewesen und hätte Parteien gezwungen, die Frauenvertretung im Bundesrat bei ihren Nominationen zu berücksichtigen.
Die Initaitive war chancenlos. Lediglich 18 Prozent der stimmenden Bevölkerung waren dafür, in absoluten Zahlen waren es 346'314 Stimmberechtigte. Unter ihnen war vermutlich auch Jositsch: Er stimmte nicht nur dafür, sondern machte mit einem Leserbrief aktiv Werbung für ein «Ja».
Jositsch schrieb damals einleitend: «Ein Wahlverfahren wird nicht automatisch dadurch gerecht und demokratisch, dass die Wählenden in ihrer Auswahl absolut frei sind. Es entspricht unserem Gleichheitsverständnis, dass ‹gleiches gleich, ungleiches aber ungleich› behandelt wird. Es steht fest, dass die Frauen bis vor ganz wenigen Jahren von der Politik schlicht ausgeschlossen waren und auch heute noch krass untervertreten sind.»
Der Sozialdemokrat analysierte weiter, dass die Vergangeheit gezeigt habe, dass «allein die theoretische Möglichkeit der Gleichberechtigung der Frauen an der tatsächlichen Situation nichts ändert»: Frauen würden nicht nur weiterhin den Grossteil der Erziehungs- und Betreuungsarbeit leisten; Frauen und Mütter seien zudem nach wie vor den Männern «(noch) nicht gleichgestellt». Jositschs Prämisse war deshalb: Frauen müssten dem demokratischen Gleichheitsverständnis zufolge «eben ungleich respektive gefordert werden».
Die vorgeschlagene Frauenquote bewertete er mit Blick auf die Zukunft als «überflüssig»: «Denn die Quote wird uns und unser Gesellschaftssystem einfach dazu zwingen, den Frauen die Möglichkeiten zu schaffen, sich auch politisch vermehrt zu engagieren.» Er sah auch Chancen für «uns Männer»: «Wir wissen dann nämlich, woran wir sind, und brauchen nicht jedes Mal, wenn wir uns für ein Amt oder eine Stelle zur Verfügung stellen, ein schlechtes Gewissen zu haben. Nach Einführung der Quote kandidieren wir mit gutem Gewissen und ohne die Gefahr, zum ‹Ladykiller› zu werden, für diejenigen Ämter, die uns zur Verfügung stehen, und das sind immerhin 50 Prozent.»
Jositschs – damals schon promovierter Jurist – veröffentlichte den Leserbrief am 3. März 2000 im «Tages-Anzeiger» und damit auf den Tag genau sieben Jahre nach der Nichtwahl von Christiane Brunner. Angesprochen auf den Widerspruch zu seiner heutigen Haltung, sagt er gegenüber watson: «Sie haben absolut recht: Ich habe mich damals, also vor rund 20 Jahren, für Quoten eingesetzt, allerdings eher in grösseren Gremien, wo das möglich ist (also zum Beispiel im Parlament).»
Jositsch bestätigt, seine Meinung seither dazu geändert zu haben: «Ich habe gesehen, dass die Umsetzung im konkreten Fall zu Härten führen kann. Deshalb bin ich heute der Ansicht, dass wir mit gezielter und konsequenter Förderung von weiblichen, je nach Situation männlichen Kandidaturen und einer Bevorzugung des unter vertretenen Geschlechts zu besseren Resultaten kommen.»