Sie gehört zu den düstersten Phänomenen, die in Foren und auf Social Media einen Nährboden finden: die Pro-Ana-Bewegung. Junge Frauen, die ihre Magersucht als Lifestyle feiern und sich gegenseitig zum Hungern und Erbrechen antreiben.
Doch das ist nicht einmal der Boden dieses dunklen Fasses, wie die 23-jährige Zürcher Redakteurin Nadja Brenneisen feststellen musste. Bei ihrer Recherche für einen «Vice»-Artikel stiess sie auf einen sogenannten Pro-Ana-Coach, der vorgibt, Teenager bei ihrer Magersucht zu unterstützen.
Schnell stellte sich heraus, dass es sich bei diesem «Coach» nicht etwa um eine andere Frau handelt, die einem Neuling Tipps geben will. Sondern um einen erwachsenen Mann, der auf Fotos von jungen Mädchen aus ist.
Unter anderem forderte der Mann Brenneisen, die sich als psychisch krankes, 15-jähriges Mädchen ausgab, dazu auf, sich eine Minute lang nackt zu filmen. Ausserdem wollte er sie dazu bewegen, ihn für ein einwöchiges Coaching in Frankfurt zu treffen.
Das war zu viel: Auf Brenneisens Initiative hin sucht nun Interpol nach dem Mann, der sich Andree nennt. Die Zürcher Stadtpolizei hat die Journalistin heute im Auftrag von Interpol befragt. «Ich habe ihnen den ganzen Fall geschildert und ihnen meine Unterlagen weitergeleitet», sagt Brenneisen zu watson.
Die internationale kriminalpolizeiliche Organisation schaut sich den Fall nun genau an. Ob es zu einer Anzeige kommt und wie diese allenfalls aussieht, ist noch nicht klar.
Wie alles begann: Auf den Coach stösst Brenneisen durch ein Inserat auf einem Schweizer Pro-Ana-Forum: «Willst du abnehmen? Lieber skinny als schlank sein? Ich kann dir helfen.» Schon bald meldet sich «Andree», der sich als 25-Jähriger vorstellt, bei der angeblich 15-Jährigen.
Die Aufforderung nach Bildern im BH und Slip erweisen sich als harmlos im Vergleich zu dem, was Andree später verlangen wird. Nachdem Brenneisen ihm ein Bild eines dünnen Mädchens schickt, geht es so weiter:
Die Journalistin ist angewidert: «Hier geht ein Mann im Internet auf Jagd nach labilen Teenagern, von denen die meisten schon eine Essstörung haben, an Depressionen leiden oder sich ritzen», schreibt sie. Dennoch macht sie weiter. Es folgt ein Telefongespräch mit intimen Fragen und «Hausaufgaben» per Whatsapp:
Nadja Brenneisen beschliesst, die Polizei einzuschalten. Sie bleibt jedoch weiter mit Andree in Kontakt, um möglichst viel über ihn in Erfahrung zu bringen. Am Telefon will Andree die fiktive 15-Jährige nach Frankfurt zu einem einwöchigen Coaching einladen. Und stellt ihr solche Aufgaben:
Als Nadja Brenneisen genug Informationen beisammen hat, bricht sie den Dialog mit Andree ab und schreibt der deutschen Kriminalpolizei eine E-Mail. Daraufhin warnt sie 15 Mädchen aus Pro-Ana-Whatsapp-Gruppen, die sie im Zuge einer weiteren Recherche kennengelernt hat, die Finger von solchen Coaches zu lassen. Denn offenbar bieten noch mehr Männer ähnliche Dienste an.
Zum Schluss schreibt sie: «Es ist traurig, dass Kinder und Jugendliche auf magersuchtverherrlichenden Blogs präzise Brechanleitungen finden können. Dass diese Plattformen aber auch Pädophilen einen Tummelplatz bieten, ist noch viel alarmierender.»
(PS: Pädophile stehen auf vorpubertäre Kinder, nicht auf 15-Jährige...)