Dürfen sie gebaut werden oder nicht? Die Kantone Genf, Waadt und Jura haben wegen gesundheitlicher Bedenken ein Moratorium für 5G-Funkantennen beschlossen. Das Problem ist: Der Bund spricht den Kantonen diese Kompetenz ab. «Der Erlass solcher Bestimmungen wäre kompetenzwidrig», teilte der Bund den drei Kantonen im Mai mit.
Wie sich nun zeigt, scheren sich die Kantone Genf und Jura nicht um die Direktive. Seit rund einem Monat behandeln die beiden Kantone keine Gesuche mehr für den Bau neuer Antennen. Auch die Aufrüstung bestehender Anlagen zu Antennen mit verstärkter Leistung haben sie unterbunden.
Verstossen die beiden Kantone damit nicht gegen Bundesrecht? «Die Situation ist konfus», sagt der jurassische Umweltdirektor David Eray. «Einerseits zwingt uns der Bund, die Antennen zu bewilligen, andererseits untersucht eine Arbeitsgruppe in Bern die Gefahren von 5G – das ist höchst widersprüchlich.» Eray spricht die Arbeitsgruppe «Mobilfunk und Strahlung» an, die in den kommenden Wochen ihren Bericht abliefern will.
Eray räumt ein, dass die Einschätzung des Bundes zur Kompetenzfrage formaljuristisch wohl richtig sei. Er sagt aber auch: «Wir sind in erster Linie unserer Bevölkerung Rechenschaft schuldig – und für die ist es unverständlich, wie der Bund Konzessionen für 5G erteilen kann, ohne die gesundheitlichen Risiken ausreichend geklärt zu haben.»
Ähnlich argumentiert Genf. Auch dort werden seit Ende April keine Bewilligungen mehr erteilt für neue und hochgerüstete Antennen. Vorerst keine Anwendung findet das Moratorium im Waadtland. Zwar hat sich das Parlament dort ebenfalls für einen Bewilligungsstopp ausgesprochen, allerdings zögert die Regierung, das Moratorium umzusetzen.
Angesichts der Unsicherheit haben die drei Kantone einen Brief an Bundesrätin Simonetta Sommaruga geschrieben. «Wir wollen möglichst schnell Klarheit haben, wie es mit der 5G-Technologie in der Schweiz weitergeht», sagt Eray. Konkret erwarten die drei Kantone Antworten auf zwei Fragen: Ist 5G gesundheitlich wirklich unbedenklich? Und: Wie sollen die Kantone künftig die Strahlenbelastung der neuen Antennen messen? Je nach Antworten werden die Kantone das Moratorium aufheben.
Absehbar ist, dass der Druck auf die 5G-kritischen Kantone zunehmen wird, sobald die Arbeitsgruppe ihre Resultate veröffentlicht hat. Die Telekomanbieter haben deutlich gemacht, dass sie, wenn nötig, gegen die Nichtbehandlung von Gesuchen juristisch vorgehen werden.
Die Kantone sind sich bewusst, dass sie juristisch am kürzeren Hebel sitzen. Der Genfer Regierungsrat Antonio Hodgers räumte ein, dass man die Technologie nicht stoppen, sondern lediglich bremsen könne. Einzig Bern könne ein Verbot aussprechen.
Hinter den Kulissen laufen derzeit intensive Gespräche zwischen den Telekomanbietern und den drei Kantonen. Rechtsstreitigkeiten sind bisher ausgeblieben. Dies dürfte damit zusammenhängen, dass die Telekomanbieter keinen unnötigen Staub aufwirbeln wollen. Lieber nimmt man Verzögerungen von einigen Wochen oder Monaten in Kauf, anstatt einen politischen Streit mit den Westschweizer Kantonen zu entfachen.