Was in einigen Kantonen bereits gang und gäbe ist, will der Bundesrat nun schweizweit durchsetzen: In dem am Mittwoch präsentierten Entwurf für ein Tabakprodukte-Gesetz soll zum einen der Verkauf von Tabakwaren an Minderjährige und zum anderen Zigarettenwerbung verboten werden.
So soll Werbung nur noch am Kiosk und an Automaten sowie in Fachpublikationen erlaubt sein. Werbung auf Plakaten, in Kinos, in Print- und elektronischen Medien will der Bundesrat verbieten. Auch Werbeaktionen, bei welchen Zigaretten günstiger abgegeben werden, wären nicht mehr erlaubt. Besonders betroffen von diesem Verbot wären die Kinos, bei welchen die Einnahmen aus der Tabakwerbung fast 6 Prozent der gesamten Werbeeinnahmen ausmachen
Obwohl der Bundesrat den Jugendschutz in den Vordergrund stellt, ist gemäss seinen Vorschlägen das Sponsoring unter gewissen Bedingungen weiterhin erlaubt. Damit wären Openairs, welche vor allem von jungen Leuten frequentiert werden, vom Verbot ausgenommen. An Openairs hätte Werbung nicht dieselbe Reichweite wie an anderen Anlässen, begründete Bundesrat Alain Berset die Ausnahme.
Auch wenn die Reichweite nicht gleich gross ist, effektiv ist die Werbung auf jeden Fall. Erst im April wurde bekannt, dass gemäss einer internen Umfrage des Openairs Frauenfelds – dem grössten Festival der Schweiz – die Werbung der Tabakriesen nicht nur omnipräsent ist, sondern auch sehr effektiv junge Menschen und damit potenzielle Neuraucher anspricht.
Der Gesetzesentwurf des Bundesrats geht der Lungenliga deshalb zu wenig weit. Es könne nicht sein, dass der Bundesrat die Wirtschaftsfreiheit höher gewichte als die Gesundheit von Minderjährigen, sagt die Mediensprecherin Barbara Weber. Auch das Tabaksponsoring von Festivals und Tabakwerbung an Verkaufsstellen müsse verboten werden. «Noch ist das Gesetz in der Vernehmlassung. Wir werden deshalb weiterhin für ein Verbot kämpfen», so Weber.
Die Vorschläge des Bundes stossen auf Kritik. Präventionsfachleuten gehen die Beschränkungen zu wenig weit. Die Werbebranche dagegen fordert, die Verhältnismässigkeit im Auge zu behalten.
Der Lungenliga und der Krebsliga genügt der Entwurf des Bundesrates für ein Tabakprodukte-Gesetz nicht. Die Lungenliga stört sich daran, dass Openairs und Verkaufsstellen vom Werbeverbot ausgenommen werden sollen. Die Krebsliga fordert Verbote auf allen Kanälen und namentlich ein umfassendes Sponsoringverbot.
Diese Position wird von Sucht Schweiz geteilt. Beim umfassenden Werbe-, Sponsoring- und Promotionsverbot greife die Vorlage zu wenig weit. Die tödlichen Auswirkungen des Rauchens rechtfertigten ein umfassendes Verbot.
Thomas Bähler, Geschäftsführer der Vereinigung des Schweizerischen Tabakwarenhandels, sprach dagegen von einer unnötigen und unverhältnismässigen Beschränkung. Der Tabakkonsum sei seit Jahren rückläufig und das Rauchen in der Öffentlichkeit bereits stark beschränkt. «Die Werbung einzuschränken, macht keinen Sinn.»
Dass der Bund Leitplanken setzen will für den Umgang mit nikotinhaltigen elektronischen Zigaretten, begrüsst die Vereinigung aber. Sie will die Vorschläge im Rahmen der begonnenen Vernehmlassung nun im Detail prüfen.
Auch der Verband Schweizer Werbung fordert, die Verhältnismässigkeit im Auge zu behalten: Die Erfahrung zeige, dass Werbeverbote nicht immer die ihnen zugeschriebene Wirkung hätten, sagte Thomas Meier, Kommunikationsbeauftragter des Verbandes.
Grundsatz müsse sein, dass frei erwerbbare Waren auch frei bewerbbar sein müssten. Der Verband wolle sich darum für massvolle Regelungen einsetzen, sagte Meier. Er gab ausserdem zu bedenken, dass Werbeverbote kleine Anbieter benachteiligen würden. Besonders Kinos würden unter den vorgeschlagenen Beschränkungen relativ stark leiden.
Ablehnend äusserte sich auch der Verband Schweizer Medien. Man sei gegen Werbeverbote für legal erhältliche Produkte, sagte Verbandsdirektorin Verena Vonarburg.
Es sei zudem paradox, dass der Bundesrat einerseits noch in diesem Jahr ein Förderkonzept für die Medien vorlegen werde, aber anderseits denselben Medien eine Einnahmequelle wegnehmen wolle. Hochwertige Tabakprodukte würden eher in Hochglanz-Magazinen beworben, «also nicht in Medien, die zur bevorzugten Lektüre von Jugendlichen gehören».
Bei der umstrittenen E-Zigarette will der Bundesrat Klarheit schaffen und hat deshalb in seinem Gesetzesentwurf die Elektro-Glimmer kurzerhand zu normalen Zigaretten erklärt. Heute gelten sie als «Gebrauchsgegenstand für den oralen Gebrauch», was zu Verwirrung über den Konsum in Zügen und öffentlichen Räumen geführt hatte.
Für die Gleichstellung mit normalen Zigaretten sprechen laut Bundesrat auch medizinische Gründe, weil die Auswirkungen des langfristigen Gebrauchs noch weitgehend unbekannt sind. Im Zuge der der Gleichstellung mit Zigaretten sollen auch die heute verbotenen nikotinhaltigen E-Zigaretten erlaubt werden.
Heute sind Tabakwaren im Lebensmittelgesetz geregelt. Die Vorschläge des Bundesrats für ein neues Tabakproduktegesetz gehen nun in die Vernehmlassung. Diese dauert bis am 12. September 2014.
(dwi/tvr/sda)