
Sag das doch deinen Freunden!
Die SVP hat einen
neuen Kampfbegriff in die Arena geworfen, und das im wahrsten Sinne
des Wortes. In der SRF-«Arena» zur
Durchsetzungsinitiative verwandelte Parteipräsident Toni Brunner die
Härtefallklausel, die das Parlament im Ausführungsgesetz zur
Ausschaffungsinitiative beschlossen hat, in eine Täterschutzklausel.
Man
durchschaute die Absicht sofort: Der neutrale Begriff «Härtefall» soll durch das negativ aufgeladene Wort «Täterschutz» verdrängt
und die Debatte in die von der Partei gewünschte Richtung gelenkt
werden. Im konkreten Fall geht es der SVP darum, das Gesetz des
Parlaments zu entwerten und der eigenen Initiative zum Durchbruch zu
verhelfen. Dazu hat sie einen Begriff, der bislang praktisch nur in
der rechten Sphäre kursierte, auf die nationale Ebene gehievt.
Neu
ist diese Methode nicht, sie ist im Gegenteil ein fester Bestandteil
des politischen Spiels. Heiratsstrafe – ein anderer aktuelles
Fall – oder Rentenklau sind nur zwei von unzähligen
Beispielen für dieses «Framing», wie es fachsprachlich genannt
wird. Die SVP praktiziert dieses Spielchen nicht allein, aber sie
beherrscht es mit besonderer Virtuosität.
Ein
weiteres Beispiel: Als es darum ging, die überschuldete
Invalidenversicherung (IV) zu sanieren, kreierte die SVP den Ausdruck Scheininvalider. Das Volk sollte behinderten Menschen statt
mit Mitgefühl mit Misstrauen begegnen. Mit beachtlichem Erfolg: Wer
heute eine IV-Rente beantragt, setzt sich dem Verdacht aus, ein
Simulant zu sein.
Weitere
Beispiele sind Masseneinwanderung (anstelle des neutralen Begriffs Zuwanderung), Sozial-Irrsinn (der Fall Hagenbuch) oder Asylchaos, der
SVP-Kampfbegriff aus dem Wahlkampf 2015. Er verfing nur bedingt, da
in der Schweiz ein solches Chaos weit und breit nicht existierte. In
diesem Fall aber gilt eine andere Maxime aus dem Handbuch des
Framing: Verwende einen Begriff so oft wie möglich, irgendwann setzt
er sich in den Köpfen der Menschen fest.
«Man
wiederholt etwas wieder und wieder und wieder, bis man es selbst nicht mehr hören kann. Zu diesem Zeitpunkt hat es die anvisierte
Zielgruppe erstmals zur Kenntnis genommen.» So formulierte es
Frank Luntz, ein Berater und Stratege der US-Republikaner. Er gilt
als Grossmeister des politischen «Newspeak», wie diese Form der
kreativen Wortschöpfung in Anlehnung
an George Orwells dystopischen Roman «1984» genannt wird.
In einem Handbuch
hat Luntz einen Katalog von Wörtern erstellt, die seine Partei
verwenden soll: So reden die Republikaner nie von Regierung,
sondern von Washington (im Rest des Landes als Bürokratenmoloch
verhasst). Die Erbschaftssteuer wird als Todessteuer bezeichnet, Sans-Papiers sind illegale Einwanderer. Um
höhere Steuern für Reiche zu bekämpfen, werden diese konsequent Job Creators (Arbeitsplatz-Schaffer) genannt.
«Die Linken
schildern Fakten und bieten Lösungen, die Republikaner zielen direkt
auf den Unterleib», meint George Lakoff, ein Linguist an
der Universität von Kalifornien in Berkeley, der ein Buch zu dem
Thema geschrieben hat. Aus Barack Obamas Gesundheitsreform mit dem
umständlichen Titel Patient Protection and Affordable Care Act (Gesetz für den Patientenschutz und eine erschwingliche
Krankenpflege) machten die Republikaner kurzerhand Obamacare.
Die Verknüpfung mit
dem auf der rechten Seite verhassten Präsidenten sollte das an sich
noble Vorhaben diskreditieren. Tatsächlich lehnte in Umfragen eine Mehrheit der Amerikaner das Gesetz ab. Pech nur, dass Obama den Namen selber übernommen hat, seit sein Gesetz alle politischen
und juristischen Anfechtungen überstanden hat. Ohnehin ist ein
kreativer Sprachgebrauch kein Garant für politischen Erfolg,
immerhin haben die Demokraten vier der letzten sechs
US-Präsidentschaftswahlen gewonnen.
Für die SVP sind
die Republikaner dennoch – nicht nur in diesem Punkt – das grosse
Vorbild. Ihrem neusten Streich, der Volksinitiative «Schweizer
Recht statt fremde Richter», verpasste sie als Beinamen die
verharmlosende Bezeichnung Selbstbestimmungsinitiative. Damit
versucht sie von der Tatsache abzulenken, dass sie mit ihrem
Begehren in letzter Konsequenz eine Kündigung der Europäischen
Menschenrechtskonvention anstrebt.