
Sag das doch deinen Freunden!
Die Abstimmung über die Durchsetzungs-Initiative findet eine Woche zu spät statt und sollte auf den morgigen Sonntag vorverschoben werden.
Das ist der vorrangigste Erkenntnisgewinn für den geneigten Zuschauer der gestrigen zweiten «Arena» zur Durchsetzungs-Initiative. Denn weder «Weltwoche»-Vizechef Philipp Gut noch SVP-Nationalrat Adrian Amstutz noch SP-Ständerat Daniel Jositsch noch watson-Mitarbeiter David Kohler alias Knackeboul konnten mit irgendeinem in den letzten Wochen noch nicht gehörten Argument für oder wider die Initiative aufwarten.
Auch das Aufgebot von je fünf über Facebook rekrutierten Befürwortern und Gegnern der Initiative, die aus dem Publikum heraus sprachen, konnte daran nichts ändern.
Der Anfang der Debatte begann wie gehabt: Adrian Amstutz warf die 57'000 verurteilten Ausländer aus dem Jahr 2014 in die Debatte, Philipp Gut bezeichnete die Kriminalität als «Riesenproblem für die Schweiz», dem man mit dem Ausschaffungsmechanismus als einer «roten Linie» Abhilfe schaffen könne und Jositsch brachte seinen Spruch von der Durchsetzungs-Initiative als «strafrechtlicher Selbstschussanlage».
Alle drei Protagonisten leiern diese Parolen seit Wochen in jeder Talkshow und auf jedem Podium herunter, zu dem ihnen der Zugang nicht aktiv verwehrt wird. Hätte man für diese Arena ein Bullshit-Bingo machen wollen, es hätte nur drei Felder enthalten: «Es gibt keine Bagatellen», «Die werden auch mit der Umsetzung der Ausschaffungs-Initiative ausgeschafft» und «Das ist eine Täterschutzklausel».
Die Feststellung der «Arena»-Redaktion, dass die SVP den Begriff «Täterschutzklausel» in den letzten Wochen strategisch eingeführt hatte, brachte Amstutz und Gut noch nicht aus dem Konzept. Zwar regte sich Amstutz ein erstes Mal sichtbar auf, ging aber nicht darauf ein, weil er den Vorgang schlecht leugnen konnte. Gut blieb ruhig und punktete mit gründlich recherchierten und ruhig vorgetragenen Begründungen, die Gerichte in der Vergangenheit geliefert haben, um Härtefälle legitimieren zu können.
Von diesem Zeitpunkt an – schon ziemlich zu Beginn der Sendung – ging es für Gut und Amstutz dann bergab. Und das ziemlich steil. Spätestens als Streit darüber ausbrach, ob Secondos wegen Bagatellen des Landes verwiesen würden oder nicht, wiederholte Amstutz zunehmend verzweifelt und mit dem Gesetzestext in der Hand wedelnd sinngemäss folgenden Satz: «Es gibt keine Bagatellen im DSI-Deliktkatalog, das ist eine Lüge und eine Verhöhnung der Opfer!»
Das war ein grosser taktischer Fehler, denn wegen fehlenden Wahrheitsgehalts dieses Mantras geriet er in Dauerdefensive und dann traf ihn noch der Angriff Knackebouls und damit desjenigen, den er von Anfang an am wenigsten ernst nahm. «Herr Knackeboul», wie ihn Amstutz aus Verlegenheit einmal ansprach, stellte nämlich fest: «Entweder lügen Sie betreffend der Bagatellfälle oder Sie stellen Sozialmissbrauch und Beamtenbedrohung auf die gleiche Stufe wie Mord und Vergewaltigung, was dann genauso einer Verhöhnung der Opfer entspräche, wie Sie sie jeweils Ihren Gegnern vorwerfen.»
Von da an war Amstutz' Abend gelaufen und auch Gut geriet aus dem Konzept. «Was ist denn an diesem Sozialmissbrauch so schön? Ich verstehe nicht, warum alle diesen Sozialmissbrauch so toll finden!», rief Gut für den Rest der Sendung drein, sobald davon die Rede war.
Den Rest gab den beiden angezählten DSI-Befürwortern dann Alessandro Valdettaro. Der pensionierte Postmanager lebt seit 56 Jahren in der Schweiz, spricht schöneres Berndeutsch als Amstutz selbst und sagte sec: «Wenn ich mir diesen Deliktkatalog der DSI durchlese, löst das bei mir Angst und Unsicherheit aus. Nach diesem Gesetz stehe ich mit einem Bein schon in Domodossola.»
Valdettaros Votum war der Wendepunkt der Debatte und wenn einer der 14 Diskussionsteilnehmer die Meinungsbildung des TV-Publikums beeinflussen konnte, dann war es diese distinguierte Berner Italo-Gemütsmore, die der Paragrafenreiterei ein Ende setzte und die Diskussion auf die emotionale Ebene herunterbrach. «Ich glaube jetzt nicht, dass ich delinquent werde, aber es kann mir schon morgen passieren, dass ich ganz ohne kriminelle Energie im Strassenverkehr einen Unfall baue, an dem ich schuld bin und Straftatbestände erfülle, die gemäss DSI zur Ausschaffung führen.»
Damit brachte Valdettaro als Erster ein neues und sehr entlarvendes Argument in die ganze Debatte um die Durchsetzungs-Initiative ein, nämlich dasjenige, dass es entgegen dem SVP-Sprech keiner kriminellen Energie bedarf, um die im DSI-Deliktkatalog enthaltenen Straftatbestände zu erfüllen. Valdettaro verkörperte den von der Ausschaffung bedrohten Secondo, der das pure Gegenteil eines kriminellen Ausländers ist, auf den die Initianten angeblich zielen.
Guts Replik auf Valdettaros Bedenken fiel mit «Ich weiss gar nicht, was Sie gegen Domodossola haben, dort ist es doch auch schön» so kurz wie entlarvend aus. Amstutz versuchte die Situation noch zu retten, indem er einem tamilischen Secondo väterlich zuredete, seine Mutter ohne Schweizer Pass müsse vor einer Ausweisung keine Angst haben, aber es half nicht mehr. Jeder Erwähnung «krimineller Ausländer» haftete seit Valdettaros Auftritt etwas Dümmliches an und damit war die Hauptparole Guts und Amstutz' hinfällig geworden.
Den Rest der Sendung verbrachten Gut und Amstutz deshalb damit zu betonen, dass die Durchsetzungs-Initiative eine sehr ausländerfreundliche Initiative sei, da diese ja auch «nicht gerne überfallen und bestohlen» würden.
Ob nun morgen oder erst in einer Woche abgestimmt wird, eines ist sicher: Diese Performance der Befürworter kostet die Durchsetzungs-Initiative mehr als nur die eine oder andere Stimme.