Sag das doch deinen Freunden!
Ist das ein effektiver Titel für eine Volksinitiative? Wenn schon das Wort allein (ganz zu schweigen von der Initiative selbst) zu hitzigen Debatten Anlass gibt, ist die Frage schon fast beantwortet. Seine Qualität lässt sich aber auch am Vergleich mit einem weniger gelungenen Beispiel erkennen:
Was macht einen effektiven Titel einer Volksinitiative aus? «Es braucht direkte, klare Aussagen, was man erreichen will. Auch emotionale Titel, sofern sie in der Stossrichtung stimmen, funktionieren gut», sagt der ehemalige SVP-Nationalrat und Geschäftsführer der AUNS Hans Fehr, der in seiner politischen Laufbahn viele Abstimmungskämpfe bestritten hat. «Komplizierte, intellektuelle, wenig fassbare und allgemeine Titel hingegen ziehen bei den Leuten nicht.»
Warum funktioniert dann der reichlich abstrakte Begriff «Durchsetzungs-Initiative»? «Er beschreibt zwar nicht näher, was durchgesetzt werden soll, doch der Hinterletzte weiss, dass es um Ausländerkriminalität geht, weil das Thema vielen unter den Nägeln brennt», so Fehr. Es brauche eine gewisse «Virulenz», dann stelle der Bürger den Bezug sofort her.
Selbst der politische Gegner attestiert der SVP im aktuellen Fall ein glückliches Händchen: «Der Titel ‹Durchsetzungs-Initiative› ist geschickt gewählt, auch wenn er unkorrekt ist, da die Frist zur Umsetzung der Ausschaffungs-Initiative noch gar nicht abgelaufen ist», sagt der Grünen-Politiker Jo Lang. Dass die Gegenseite inzwischen eine gewisse Stärke an den Tag legt, relativiere zudem vieles wieder: «Ein solcher Titel funktioniert nur so lang, wie die Initianten die uneingeschränkte Deutungshoheit über ein Thema haben und es keine wirkungsvolle Gegen-Kampagne gibt.»
In den obigen Beispielen fällt auf, dass hinter den effektiven Titeln häufig die SVP, hinter den weniger erfolgreichen häufig die Ratslinke steht. Die SVP ist eine Meisterin im sogenannten Framing, also der Einbettung von politischen Themen in subjektive Deutungsrahmen. Die aus den USA stammende Praxis ist nicht unumstritten, da die Grenzen zur Manipulation fliessend sind. Dazu der US-Framing-Guru Frank Luntz («Klimawandel» klingt besser als «Erderwärmung» und «Steuererleichterungen» besser als «Steuersenkungen»):
Scheut die Linke knackige Titel und sabotiert sich so selbst, wie es Frank Luntz nennt? «Aufklärung ist immer differenzierter und hat es schwerer als die Gegenaufklärung. Die Aufklärung will etwas Neues, die Gegenaufklärung will Neues verhindern», sagt Jo Lang. «Für uns Linke haben Initiativen häufig die Funktion, eines neues Thema auf die politische Agenda zu bringen. Die SVP hingegen ruft ab, was schon vorhanden ist, darunter oft Vorurteile.»
Lang teilt indes die Kritik an den Titeln einzelner Vorlagen der Linken. «Einheitskrankenkasse» klinge nach «Uniformierung» und «Zwang». Und «Für den Schutz fairer Löhne» enthalte zu viele positive Begriffe. Andere wie «Keine Spekulation mit Nahrungsmitteln!» und «1:12» seien gelungen.
Dann erinnert er an die GSoA-Initiative «für eine Schweiz ohne Armee und für eine umfassende Friedenspolitik» von 1989. Für die Rechte seien die sensationellen 36 Prozent Ja-Stimmen damals ein Schock gewesen und die Armee im Anschluss massiv unter Druck geraten. «Der Zivildienst wurde unausweichlich, der Bestand massiv reduziert und das Budget im Langzeitvergleich eingefroren», so Lang. «Die Abstimmung ging verloren, aber sie hatte grössere Auswirkungen als manch andere, die angenommen wurde.»
Auch die Bemühungen um ein Verbot von Kriegsmaterialexporten, die zweimal an der Urne scheiterten, zwangen den Bundesrat laut Lang zu Zugeständnissen. Diese könnten die Initianten bei Bedarf immer wieder einfordern: «Bundesrat Johann Schneider-Ammann zahlt einen hohen politischen Preis, wenn er trotz anderslautender Verordnung Kriegsgerät an Golfstaaten liefern will und eine Zeitung das publik macht».
Bei besonders umstrittenen Vorlagen versuchen Gegner, die Debatte durch einen Parallelbegriff in ihrem Sinn zu «reframen». So spricht Jo Lang statt von der «Masseneinwanderungs-Initiative» von der «Abschottungs-Initiative». Und was für ihn «Schutz vor Waffengewalt» ist, nennt Fehr «Entwaffnungs-Initiative». Meistens findet die ursprüngliche Bezeichnung der Initianten grössere Verbreitung. Einzig bei der erwähnten GSoa-Initiative «Für eine Schweiz ohne Armee und für eine umfassende Friedenspolitik» hat sich langfristig die Variante der Gegner durchgesetzt: «Armeeabschaffungs-Inititiave».
Oben: Apfelbaumkampagne von economiesuisse und des bürgerlichen Nein-Komitees gegen Masseneinwanderungs-Initiative
Unten: Reframing-Versuch (auch visuell) der SVP
Hans Fehr räumt ein, dass manchmal auch die SVP daneben greift und erinnert an die AUNS-Volksinitiative «Für die Stärkung der Volksrechte in der Aussenpolitik», die 2012 mit 75 Prozent Nein-Stimmen regelrecht massakriert wurde. Der Titel sei «wenig konkret» gewesen und die AUNS damit richtig «uf d'Schnörre» gefallen. Er selbst sei zu jenem Zeitpunkt aber bereits nicht mehr Geschäftsführer der Gruppe gewesen, wie er betont. So wenig wie die SVP alles richtig macht, macht der Gegner alles verkehrt: Der Juso attestiert Fehr, mit der Initiative «Keine Spekulation mit Nahrungsmitteln!» viele Leute abzuholen, darunter auch SVP-Wähler. «Der normale Bürger hat Respekt vor Nahrungsmitteln und will nicht, dass damit spekuliert wird.»
In der Tendenz mache es die SVP aber schon besser als die anderen Parteien. «Die FDP gibt sich gerne elitär, die Grünen intellektuell und die SP irgendwo dazwischen», so Fehr. Wenn man vom normalen Bürger verstanden werden will, sei das eine Schwäche. «Wir machen klarere Aussagen und geben unseren Initiativen und Referenden klarere Titel. Wir werden einfach besser verstanden.» Fehr blickt bereits in die Zukunft: «Das Referendum gegen die sogenannte Neustrukturierung des Asylbereichs werden wir natürlich nicht so nennen. Sondern eher ‹Gegen Gratis-Anwälte für Asylanten›, das versteht jeder.»
In der Schweiz sind dem Framing Grenzen gesetzt, die im Bereich von Volksinitiativen aber noch niemand ausgetestet hat. Sollte es wirklich einmal zu einem eklatanten Manipulationsversuch seitens eines Initiativ-Komitees kommen, sieht das Gesetz eine drakonische Strafe vor: Der Titel wird vom Staat neu gesetzt.
Erfolgreiches Framing kann helfen, eine Debatte frühzeitig in die von den Initianten gewünschte Richtung zu lenken. Hans Fehr sieht aber noch einen anderen Vorteil, und zwar ganz am Ende des Abstimmungskampfs: «Der Titel einer Volksinitiative ist das Letzte, was der Bürger sieht, bevor er sein Ja oder Nein auf den Stimmzettel schreibt. Ist es ein guter Titel, kann er vielleicht noch einige überzeugen.»