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Abstimmung über E-ID: Realitätscheck zur Sicherheit und Freiwilligkeit

E-ID Schweiz – Realitätscheck zur Kritik an Sicherheit und Freiwilligkeit

Am 28. September stimmt die Schweiz über die E-ID ab. Das Nein-Lager warnt vor Lücken im Datenschutz und stellt die Freiwilligkeit der digitalen Identitätskarte infrage. Wie berechtigt ist die Kritik?
11.09.2025, 12:3311.09.2025, 14:07
Lea Hartmann / ch media
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Es sind drastische Worte, mit denen die Gegner der E-ID für ein Nein am 28. September werben. Gewarnt wird vor «totaler Überwachung», vor Missbrauch und der Einführung eines Sozialkreditsystems wie in China, sollte die Identitätskarte bald auch digital verfügbar sein.

KEYPIX - Bundesrat Beat Jans spricht und haelt ein Handy mit der Aufschrift e-ID in der Hand, an einer Medienkonferenz im Hinblick auf die Volksabstimmung vom 28. September 2025 ueber das Bundesgesetz ...
Bundesrat Beat Jans weibelt für ein Ja zur digitalen ID. Gegen die Vorlage stellen sich unter anderem die Junge SVP und staatskritische Gruppierungen.Bild: keystone

Welche Bedenken sind tatsächlich gerechtfertigt – und wobei handelt es sich um Schwarzmalerei? Die vier häufigsten Kritikpunkte an der digitalen Identitätskarte im Faktencheck.

Kritikpunkt 1: Die Aktivierung

Um eine digitale Identitätskarte zu erhalten, würde man sich künftig in der ID-App des Bundes namens «Swiyu» registrieren – oder aufs Passbüro gehen. Für erstere Variante muss man ein Foto seiner ID machen und ein Selfie-Video des Gesichts aufnehmen. Die Junge SVP warnt, dass dieses Identifizierungsverfahren unsicher sei. Sie verweist auf Versuche des «Chaos Computer Clubs» (CCC) in Deutschland. Diesem gelang es 2022, solche Identifikationsverfahren mit gefälschten ID-Aufnahmen zu überlisten. Zudem kritisiert die Jungpartei, dass der Bund nicht preisgeben will, wie genau das Verfahren funktioniert.

Fakt ist: Tatsächlich sind Sicherheitslücken beim sogenannten Video-Ident-Verfahren seit Jahren ein Thema. Auch das Bundesamt für Justiz habe vom CCC-Hack Kenntnis, sagt Sprecher Rolf Rauschenbach. Doch dieser sei für im Hinblick auf die E-ID nicht relevant. Der entscheidende Unterschied sei, dass beim Ausstellen der E-ID das ID-Foto lediglich dazu diene, die Ausweisnummer zu identifizieren. Diese gleiche das Bundesamt für Polizei (Fedpol) dann mit seiner Datenbank ab. Mit dem dort hinterlegten Foto wird schliesslich das Selfie-Video abgeglichen.

Rolf Rauschenbach, Informationsbeauftragter E-ID, BJ, spricht an einer Medienkonferenz im Hinblick auf die Volksabstimmung vom 28. September 2025 ueber das Bundesgesetz ueber den elektronischen Identi ...
Rolf Rauschenbach ist Informationsbeauftragter e-ID des Bundesamt für Justiz.Bild: keystone

Zwar wäre es möglich, dieses Video mittels eines sogenannten Deepfakes zu manipulieren. Doch laut dem Bund gibt es eine Reihe von Sicherheitsmechanismen, die Manipulation erkennen sollen. Welche das genau sind, macht der Bund nicht publik. Aus Sicherheitsgründen, sagt Rauschenbach.

Kritikpunkt 2: Das Speichern

Die Gegner kritisieren weiter, dass der Bund die Gesichts-Aufnahmen der E-ID-Nutzer bis zu 15 Jahre aufbewahrt. Das stelle ein enormes Risiko dar. Sie fürchten, dass die Daten durch Hacks im Darknet landen könnten.

Fakt ist: Ja, der Bund speichert die Videos, die zur Identifizierung gemacht werden. Die E-ID ist gleich lang gültig wie die physische ID, der Pass oder der Ausländerausweis, mit dem sie verknüpft ist. Im Fall von Pass und ID heisst das: maximal zehn Jahre. Nach Ablauf werden die Daten noch fünf weitere Jahre gespeichert.

Das diene dem Schutz der Nutzer, sagt Rolf Rauschenbach vom Bundesamt für Justiz. So könne bei Verdacht auf Missbrauch nachträglich überprüft werden, ob beim Ausstellungsprozess wirklich alles mit rechten Dingen zu- und hergegangen war. Diese Datenbanken würden «nach allen Regeln der Kunst geschützt».

Kritikpunkt 3: Der Datenschutz

Das E-ID-Gesetz sei ein «Steilpass» für die Big-Tech-Unternehmen, schreibt das Nein-Komitee. Konzerne wie Meta, zu dem unter anderem Instagram und Facebook gehören, oder X könnten die E-ID für obligatorisch erklären und so Zugang zu wertvollen Daten der Bürgerinnen und Bürger erhalten.

Fakt ist: Sollte die E-ID eingeführt werden, können Firmen frei entscheiden, ob sie diese nutzen wollen oder nicht. Dabei gibt es Einschränkungen: Abgefragt und gespeichert werden dürfen nur Daten, die wirklich nötig sind. Facebook dürfte also beispielsweise nicht die AHV-Nummer erfragen. Tut es das trotzdem, könnten User dem Bund das melden und die App würde vor dubiosen Anbietern warnen.

Wirklich harte Sanktionen sind indes nicht vorgesehen. Firmen könnten nicht von der E-ID-Infrastruktur ausgeschlossen werden. Man verfolge grundsätzlich einen «liberalen Ansatz», sagt Rolf Rauschenbach. Man wolle die Nutzer nicht bevormunden, sondern ihnen die nötigen Infos geben, dass sie selbst entscheiden könnten, wem sie welche Daten geben wollen.

Kritikpunkt 4: Die Freiwilligkeit

Die App sei sicher, freiwillig und kostenlos, wiederholen die Befürworter der E-ID immer wieder. Doch insbesondere an der Freiwilligkeit gibts Zweifel. Als Beispiel wird aufs Organspenderegister verwiesen, das bald eingeführt wird. Um darin seinen Willen festzuhalten, sei künftig die E-ID obligatorisch, bringt das Nein-Lager vor.

Die Public Beta der Wallet-App swiyu zeigt auf einem Smartphone die Beta-Version einer elektronischen Identitaet (E-ID) sowie die zugehoerige Vertrauensinfrastruktur, fotografiert am Dienstag, 2. Juni ...
So soll die E-ID-App «Swiyu» aussehen.Bild: KEYSTONE

Fakt ist: Der Bund hat die Einführung des Organspenderegisters an die Einführung der E-ID geknüpft. Wer dort eintragen will, ob und welche Organe er im Falle seines Todes zu spenden bereit ist, wird tatsächlich eine E-ID brauchen. «Das Organspenderegister muss allerhöchsten Sicherheitsanforderungen genügen», schreibt das Bundesamt für Gesundheit (BAG) auf Anfrage. Jede Person müsse zweifelsfrei identifiziert werden können. «Darum hat der Bundesrat entschieden, dass die e-ID als einziges Identifikationsmittel verwendet werden soll.»

Allerdings soll es auch andere Möglichkeiten als einen Eintrag im Register geben, um seinen Willen festzuhalten. Zum Beispiel mit einem Spenderausweis im Portemonnaie, einer Patientenverfügung oder indem man den Angehörigen gegenüber klar seinen Wunsch äussert. «Falls keine dokumentierte Willensäusserung vorhanden ist, werden immer die Angehörigen befragt», so das BAG. Noch ist die entsprechende Regelung nicht in Stein gemeisselt. Der Bundesrat wird Anfang 2026 definitiv entscheiden.

Es zeigt sich: Einige Bedenken der Gegner sind nicht völlig von der Hand zu weisen. Die Frage ist, wie man sie im Verhältnis zu den Chancen, die die E-ID bietet, gewichtet.

(aargauerzeitung.ch)

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97 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Beta Stadler
11.09.2025 13:45registriert Mai 2020
Es ist ja schon lustig - alle vertrauen blind den Big-Tech-Firmen, nutzen deren E-Mail-Accounts, Betriebssysteme und geben neuerdings in KI-Chats so viel von sich preis, dass die NSA feuchte Augen bekäme.
Und genau diese Tech-Firmen wie z.B. Microsoft (60'000 US-Behörden-Konti offengelegt) oder Dropbox (Nutzerkonten-Liste geklaut) hatte die grössten Leaks der jüngeren Geschichte.
Beim Staat (ohne wirtschaftliche Interessen), welcher mit der E-ID ein "Zusatzangebot" macht, drehen nun alle durch. Unglaublich, wie die Leute heutzutage förmlich besessen sind, irgendwelchen Schwurblern zu folgen...
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Daniel Zuppinger (1)
11.09.2025 13:46registriert Dezember 2024
Ich bin nicht gegen die E-ID, aber die ‚Freiwilligkeit‘ ist nur temporär! Bald wird das verschiedene Anwendungen geben, die ohne E-ID nicht möglich sein werden. Wetten?
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Madison Pierce
11.09.2025 13:46registriert September 2015
Man kann es auch andersherum anschauen: Was ist die Alternative, ohne E-ID etwa Alkohol online zu bestellen? Man muss die ID scannen und hochladen. Der Shop speichert sie dann irgendwo und hat die kompletten Daten. Bei der E-ID bekommt er nur „Name“ und „älter als 18: ja“.

Die E-ID mag nicht perfekt sein, besser als der bisherige Prozess ist sie allemal.
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