Schweiz
Energie

Walter Wobmann soll in EKLB Lärm bekämpfen – als Kawasaki-Besitzer

Töff-Fan Walter Wobmann von der SVP soll jetzt Lärm bekämpfen – das gefällt nicht allen

110 ausserparlamentarische Kommissionen leistet sich der Bundesrat. Was sie genau tun, bleibt oft nebulös. Immerhin: Die Bundesräte können abtretenden Politikern und Parteikollegen nette Jöbchen besorgen. Die Berufung Wobmanns wird nun aber zum Politikum.
07.12.2023, 22:5508.12.2023, 14:53
reto wattenhofer / ch media
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Walter Wobmann Toeff
Da strahlt er: SVP-Nationalrat Walter Wobmann auf seinem Motorrad. (Archivbild)bild: zvg

Seine Leidenschaft für die schnellen Zweiräder hat der Solothurner SVP-Politiker – als dessen Gesellenstück die Minarett-Initiative gilt – immer auch in die politische Waagschale geworfen.

Jetzt nach zwanzig Jahren als Nationalrat tritt der oberste Töfffahrer des Landes von der politischen Bühne ab. Der 66-Jährige möchte jungen Kräften Platz machen und sich wieder mehr um sein Hobby kümmern, wie er im September dem Töffmagazin «moto.ch» verriet. Trotzdem wird er auch in Zukunft im Bundeshaus für Lärm sorgen. Oder ist es viel Lärm um nix?

Unbemerkt von der Öffentlichkeit hat der Bundesrat kürzlich den amtierenden Präsidenten der Föderation der Motorradfahrer Schweiz in die Eidgenössische Kommission für Lärmbekämpfung (EKLB) gewählt. Der Besitzer einer Kawasaki Z 750 – Firmenslogan: «Die Z750 bringt stets die Power mit, die Sie brauchen» – bekämpft neu den Lärm? Die Wahl wirft Fragen auf.

Am Montag muss sich Bundesrat Albert Rösti im Nationalrat zur Sache äussern. SP-Nationalrätin Gabriela Suter will nämlich wissen, inwieweit Wobmann für die wissenschaftliche Expertise im Bereich Lärmbekämpfung qualifiziert sei. Suter befürchtet eine Verpolitisierung der Kommission. Sie wundert sich zudem, dass nebst Wobmann auch Olivier Fantino, Geschäftsführer des Verbandes Strasseschweiz und Ehemann von FDP-Ständerätin Johanna Gapany, in die Kommission zur Lärmbekämpfung gewählt worden ist. Erstaunt zeigt sich Suter auch darüber, dass die Kommission plötzlich 17 Mitglieder zählt, obwohl maximal 15 vorgesehen sind.

Walter Wobmann, member of the National Council and president of Swiss Moto FMS, takes part in a convention with his motorcycle, in Trimbach, Switzerland, on July 2, 2015. (KEYSTONE/Peter Schneider)

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Wobmann nimmt mit seinem Töff an einem Treffen teil. (Archivbild)Bild: KEYSTONE

Fragen über Fragen. Doch wer sich genauer mit ausserparlamentarischen Kommissionen wie der EKLB befasst, den erstaunt es wenig.

Ausserparlamentarische Kommissionen gibt es für fast alles: Stalleinrichtungen, Jugend- und Rekrutenbefragungen, nukleare Sicherheit oder Weltraumfragen. Insgesamt 110 Gremien mit 1600 Mitgliedern. Die Liste mit den Namen der Gewählten ist 243 Seiten lang.

Beliebt bei Alt-Parlamentariern

Wobmann ist dabei in guter politischer Gesellschaft. Auch andere abtretende Nationalräte haben neue Aufträge erhalten. Ursula Schneider Schüttel (SP/FR) etwa präsidiert die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus, Ida Glanzmann (Mitte/LU) steht der Kommission für Telematik im Bereich Rettung und Sicherheit vor und Andreas Aebi (SVP/BE) sitzt in der Kommission für den Fonds Landschaft Schweiz.

Die Kommissionen beraten Bundesrat und Verwaltung. Teilweise treffen sie auch Entscheide. In der Regel erhalten ihre Mitglieder tägliche Sitzungsgelder von 300 bis 500 Franken. Den Steuerzahler kostet das jährlich 7 Millionen Franken. Das hört sich nach wenig an, kann aber in einzelnen Fällen ins Geld gehen – wie bei der ziemlich aufgeblähten Fachkommission Filmförderung.

Wie jede andere Kommission dürfte sie nicht mehr als 15 Mitglieder zählen. Doch sie hat deren 44. Im Jahr 2016 zahlte der Bund ihnen 1416 Taggelder in der Höhe von insgesamt 424’800 Franken aus. Die hohe Zahl an Kommissionsmitgliedern wird damit begründet, dass nur so die Unabhängigkeit sichergestellt, allfälligen Interessenkonflikten und den verschärften Ausstandspflichten Rechnung getragen werden kann.

Ein Stromlobbyist als Elcom-Präsident

Einige Kommissionen sind auch für das einzelne Mitglied lukrativ. Die sogenannten «marktorientierten Kommissionen» agieren als Regulierungs- und Aufsichtsbehörden und verfügen über weitreichende Befugnisse. Sie waren es dann auch, welche die Geschäftsprüfungskommission (GPK) des Ständerates auf den Plan riefen.

Auslöser war die Elektrizitätskommission Elcom. Sie überwacht die Stromversorgung in der Schweiz und beaufsichtigt die Strompreise. Dabei agiert sie als «unabhängige, staatliche Regulierungsbehörde im Elektrizitätsbereich». Manche Beobachter rieben sich deshalb die Augen, als der Bundesrat am 27. November 2019 den abtretenden Berner BDP-Ständerat Werner Luginbühl zum neuen Elcom-Präsidenten wählte.

Damit hievte die Landesregierung einen Stromlobbyisten in dieses Amt. Sechs Jahre lang hatte Luginbühl den Verwaltungsrat der Kraftwerke Oberhasli AG präsidiert, einer Tochtergesellschaft der BKW. Nicht nur die fehlende Unabhängigkeit stiess auf Kritik. Fragen warf auch auf, wie er den einflussreichen Posten ergattert hatte.

Zum «Beobachter» sagte Luginbühl nach seiner Wahl: «Ich erwähnte einmal gegenüber jemandem, dass dieser Job mich auch interessieren würde. Später wurde ich angefragt.» Öffentlich ausgeschrieben wurde die Stelle jedoch nie, obwohl das bei wichtigen Jobs beim Bund Usus ist. Dass das beim Elcom-Präsidium der Fall ist, lässt sich auch am Lohn ablesen: Für sein 60-Prozent-Pensum erhält Luginbühl 150’000 Franken.

Aufsicht tritt auf den Plan

Auch wegen der Elcom schaltete sich 2021 die GPK des Ständerates ein. Sie nahm die 110 ausserparlamentarischen Kommissionen unter die Lupe. Der Grossteil erledige ihren Job zufriedenstellend. Einen klaren Auftrag hat etwa die Kommission für Impffragen, deren Präsident Christoph Berger während der Pandemie Berühmtheit erlangte. Bei der Impfkampagne kam der Kommission eine Schlüsselrolle zu.

Doch bei vielen Kommissionen bleibt vieles unklar. Welche Aufgaben haben sie und welchen Nutzen erbringen sie? Für einige fällt das Urteil der Oberaufsicht vernichtend aus: Es gebe Kommission, «die nur selten, nie oder nur deshalb tagen, weil es sie gibt», heisst es im GPK-Bericht.

Da wäre etwa die Fachkommission zur Beurteilung der Behandelbarkeit lebenslänglich verwahrter Straftäter (FaKo). Gestützt auf wissenschaftliche Erkenntnisse sollte sie beurteilen, ob eine lebenslänglich verwahrte Person so behandelt werden kann, dass sie für die Öffentlichkeit keine Gefahr mehr darstellt. Bloss haben die zuständigen Justizvollzugsbehörden der Kommission in den neun Jahren ihres Bestehens noch keinen einzigen Fall vorgelegt. Die Kommission trifft sich einmal jährlich, um den informellen Austausch ihrer Mitglieder zu ermöglichen.

Die Kommission für die Harmonisierung der direkten Steuern des Bundes, der Kantone und der Gemeinden (KHST) hat zwischen 2016 und 2019 gar nicht getagt. Gemäss GPK hat die Verwaltung «keine Bedürfnisse gegenüber der Kommission» geäussert. 2020 trafen sich die Experten trotzdem zu einer Sitzung. Haupttraktandum: Die Suche nach neuen Themen.

Laut GPK ist das kein Einzelfall. «Vereinzelt suchen Kommissionen im Rahmen ihres Auftrags krampfhaft nach Aufgaben, um ihre Existenz zu rechtfertigen», heisst es im Bericht. Sofern den Mitgliedern diese überhaupt noch bekannt ist: «Einzelnen befragten Mitgliedern solcher Kommissionen war nicht mehr bewusst, dass sie Mitglied einer Kommission sind», schreibt die GPK.

Kommissionen gehen auch vergessen

Es kommt auch vor, dass der Bund gar nicht mehr auf die Expertise angewiesen ist – so wie im Fall der Eidgenössischen Migrationskommission (EKM). «Das Staatssekretariat für Migration (SEM) gibt an, die Beratung der EKM nicht zu benötigen, weil es mittlerweile in direktem Kontakt mit den relevanten Stakeholdern stehe.»

Oder aber die Behörden trauen einer Kommission die Aufgabe erst gar nicht zu. Während die Coronakrise die Impfkommission ins Scheinwerferlicht katapultierte, verschwand ein anderes Gremium in der Bedeutungslosigkeit. Dabei hat die Eidgenössische Pandemiekommission (EKP) den Auftrag eine aktive Rolle in der Pandemiebewältigung zu spielen.

Ihre Präsidentin, die Genfer Infektiologin Anne Iten, bot dem Bund im Frühling 2020 deshalb die Dienste der Kommission an. Doch das Bundesamt für Gesundheit (BAG) meldete sich nie zurück. Stattdessen schuf die Verwaltung mit der Task-Force ein zusätzliches Gremium. Wegen fehlender Ressourcen hätte die EKP gar keine aktivere Rolle einnehmen können, rechtfertigte sich das BAG später.

Für die GPK zeigen diese Beispiele: Die Verwaltung muss regelmässig überprüfen, welche Aufgaben ausserparlamentarische Kommissionen haben und ob sie noch notwendig sind. Dazu gedacht wären die Gesamterneuerungswahlen alle vier Jahre. Doch die Departemente greifen nicht konsequent durch. «Obsolete» Kommissionen würden nicht abgeschafft, kritisiert die Oberaufsicht.

Dafür gibt es verschiedene Gründe: Ins Feld geführt wird etwa, dass in absehbarer Zeit Arbeiten auf die Kommissionen zukommen könnten, bei denen man gerne auf bestehende Strukturen zurückgreift. Auch macht die Verwaltung geltend, dass gewisse Kommissionen gesetzlich verankert sind und Gesetzesrevisionen notwendig sind. Ein Einsehen hatte die Verwaltung bei der Kommission, die jahrelang gar nicht getagt hat. Auf der neuesten Liste taucht die Kommission für die Harmonisierung der direkten Steuern des Bundes, der Kantone und der Gemeinde nicht mehr auf. Sie hat offensichtlich keine neuen Themen gefunden.

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93 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Randy Orton
08.12.2023 00:16registriert April 2016
Es braucht endlich eine ausserparlamentarische Kommission zur Kontrolle der ausserparlamentarischen Komissionen. Am besten gleich zu Beginn mit 45 Mitgliedern anstatt 15, man will ja zeigen, wie wichtig das einem ist. Und gewählt, also ausgewählt, werden nur Politiker, die schon Geld in ausserparlamentarischen Komissionen verdienen, nicht, dass das ganze noch transparent und unabhängig wird.
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Deacon Blue
08.12.2023 02:24registriert Januar 2022
Der stets frömmlerisch lächelnde Rösti bringt das System Trump in die Schweiz: Den Klimaleugner zum Umweltminister machen, die für mehr Privatschulen kämpfende Milliardärin zur Bildungsministerin, den Bock zum Gärtner. Willkommen in der Welt der alternativen Fakten.
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Scrat
07.12.2023 23:30registriert Januar 2016
Dass die Lärmproblematik angegangen werden muss, dürfte wohl jedem halbwegs vernünftig Denkenden einleuchten.
Indem man aber Besitzer von legal zugelassenen Fahrzeugen (egal ob Auto oder Töff) über die nachträgliche Senkung/Festlegung von Lärmgrenzwerten in die Illegalität zwingt, geht man definitiv den falschen Weg. Es gilt vor allem, die Fahrzeug- und Zubehör-Hersteller in die Pflicht zu nehmen und die Zulassungsbedingungen so zu ändern, dass zu laute Fahrzeuge und Fahrzeugteile erst gar nicht mehr homologiert und somit erst gar nicht in Verkehr gesetzt werden können.
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