Bundesräte Parmelin, Cassis und Baume-Schneider informieren am Freitag über den weiteren Weg mit der EU.Bild: keystone
Gut zweieinhalb Jahre ist es her, seit der Bundesrat die Verhandlungen über ein Rahmenabkommen mit der EU abgebrochen hat. Nun will er seinen «Plan B» umsetzen: Am Nachmittag will die Landesregierung über ein neues Verhandlungsmandat mit Brüssel informieren.
15.12.2023, 14:3015.12.2023, 15:15
Die Medienkonferenz im Livestream:
Damit sind wir am Ende der Pressekonferenz.
Auch Bundesrat Cassis rechnet damit, dass es am Ende zu einer Volksabstimmung kommen wird. Ob es eine Verfassungsänderung brauche, könne er derzeit noch nicht sagen. Das macht bei einer Abstimmung durchaus einen Unterschied. Wird die Verfassung geändert, muss auch eine Mehrheit der Stände die Zustimmung geben. Bei einem Referendum reicht dagegen das Volksmehr.
Ein Journalist will wissen, warum das Verhandlungsmandat keine konkrete Benamsung erhält. Etwa «Bilaterale 3». Cassis entgegnet, dass «Sie es schon irgendwie taufen können.» Der Bundesrat selbst sei aber vorsichtig. Wenn man einen Namen gebe, dann schaffe man einen Sonderstatus, der wiederum nach Sonderbehandlung klinge. Das wolle man gerade nach dem gescheiterten Rahmenabkommen verhindern.
«Weil wir nicht ein zweites Mal scheitern wollen, haben wir uns klare Ziele gegeben», sagt Cassis. Am Ende der Verhandlungen könne man so anschauen, ob man genügend Ziele erreicht habe. Das sei ein neuer Ansatz für die Verhandlungen. Grundsätzlich könne man auch weiterhin mit der EU über alles verhandeln.
Noch während die Pressekonferenz läuft, melden die Gewerkschaften ihren Widerstand an. «Der Bundesrat muss beim Mandat nachbessern», schreibt der Schweizerische Gewerkschaftsbund in einer Mitteilung. Knackpunkt ist wie erwartet der Lohnschutz. Der Gewerkschaftsbund fordert konkret, «dass beim Lohnschutz die Spesen, die Dienstleistungssperre und die Kaution gesichert werden».
Der Aussenminister Cassis will sich nicht auf ein Datum für den Abschluss der Verhandlungen festlegen. «Wie lange das dauert, hängt am Ende von beiden Seiten ab.» Sicher sei für ihn, dass man «sicher nicht noch einmal zwei Jahre lang verhandeln will.»
Cassis betont, dass man immer klar gesagt habe, dass es während den Verhandlungen keine roten Linie gebe. «Da muss man über alles diskutieren dürfen», sagt Cassis. Gleichzeitig habe man gerade in den Sondierungen die Grenzen definiert.
Muss man überhaupt noch verhandeln, fragt ein Journalist. Es sehe ja eigentlich so aus, als wäre alles beinahe im Trockenen. Cassis sagt, es gebe da schon noch ein paar Bereiche. Die Spezialistin für den Lohnschutz erläutert, dass da schon noch gewisse Uneinigkeiten seien. Auch beim Strom müsse in einigen Punkten noch verhandelt werden.
Der Direktor des Bundesamts für Verkehr, Peter Füglistaler, führt aus, dass es innerhalb «enger Grenzen» schon noch Lösungen für den internationalen Pesonenverkehr brauche. Bereits jetzt sei aber klar, dass der Schweizer Taktfahrplan Vorrang habe. Die Landezonen seien klar abgesteckt. Und zwar auf beiden Seiten.
Im Gegensatz zum gescheiterten Rahmenabkommen sieht Cassis zahlreiche Fortschritte. Unter anderem die Nicht-Regressions-Klausel sei ein wichtiger Schritt. Auch, dass nicht alle Pakete direkt miteinander verknüpft sind, erweitere den Spielraum deutlich. Beim Rahmenabkommen galt die Guillotine-Klausel. Wird ein Teil des Vertrags nicht angenommen, sind alle anderen Teile auch nichtig.
Die Gespräche mit den Gewerkschaften laufen weiter. Diese seien gerade beim Lohnschutz noch nicht zufrieden, führt Ignazio Cassis aus. «Wir wollen hier eine gemeinsame Lösung finden. Aber das ist Gegenstand von Verhandlungen», sagt Cassis. In einzelnen Punkten sei man mit der EU noch nicht einig, so der Aussenminister.
Parmelin gibt einen raschen Überblick über zahlreiche weitere Verhandlungspunkte. Etwa der Strom und der Bahnverkehr. Auch die automatische Übernahme von EU-Recht spricht er an. Insgesamt sieht er überall gute Signale.
Eine der grossen Baustellen zwischen der EU und der Schweiz ist der Lohnschutz. Dabei habe die Schweiz gemäss Parmelin einige Fortschritte erzielt. So sollen etwa beim Lohnschutz allfällige Senkungen des Lohnschutzes in der EU durch eine sogenannte Nicht-Regressions-Klausel verhindert werden. Das habe die EU der Schweiz zugesichert. Ob das den Gewerkschaften reicht, bleibt fraglich.
Wirtschaftsminister Guy Parmelin hat gute Nachrichten für Forschende aus der Schweiz. Sobald die Verhandlungen mit der EU beginnen, können sie sich wieder bei den Programm von «Horizon» bewerben. Aus diesen wurde die Schweiz nach dem Abbruch der Verhandlungen um das Rahmenabkommen ausgeschlossen.
Wer nicht arbeiten will, der muss gehen. Sollte ein ausländischer Staatsbürger in der Schweiz die Arbeit verlieren und anschliessend nicht genügend Bemühungen an den Tag legen, um wieder einen neuen Job zu finden, so kann er sein Aufenthaltsrecht verlieren, wie Baume-Schneider ausführt. Auch kann die Schweiz ihre Arbeitskontrollen weiterhin eigenständig umsetzen können.
Elisabeth Baume-Schneider informiert über die Personenfreizügigkeit. Die Schweiz soll eine Ausnahme bei der Weiterentwicklung der Personenfreizügigkeit erhalten. Dies soll sicherstellen, dass die Ausschaffungsinitiative weiterhin umgesetzt werden kann. Auch beim Daueraufenthaltsrecht erhält die Schweiz eigene Spielregeln.
«Der Bundesrat verfolgt in den Verhandlungen mit der EU einen Paket-Ansatz», sagt Cassis. Also, es wird nicht mehr ein einziges, grosses Abkommen gesucht, sondern Einigungen in verschiedenen Paketen, erklärt der Aussenminister. «Dieser Ansatz sei breiter und integrativer», ist sich Cassis sicher. Auch lasse er «mehr Flexibilität und Kreativität zu».
«Es ist ein wichtiger Schritt, der heute beschlossen wurde», sagt Ignazio Cassis. Nach langem Sondieren können nun bald verhandelt werden, so der Aussenminister. Die Beziehungen zur EU seien enorm wichtig für die Schweiz. Der definitive Entscheid für das Mandat werde «in zwei bis drei Monaten» fallen.
Bundesrat Ignazio Cassis erklärt an der Medienkonferenz den Wert der Beziehungen zu unseren Nachbarn: «Es ist unabdingbar, dass unser Land den bilateralen Weg stabilisiert.»
Am Rande der Pressekonferenz zu den Verhandlungen mit der EU musste Elisabeth Baume-Schneider ein paar Fragen zu ihrem Departements-Wechsel beantworten. Sie verneinte, dass es sich dabei um eine Flucht handle, wie zuvor in etlichen Medien kommentiert wurde. Sie würde sehr viel Erfahrungen mitbringen für das Departement des Innern. «Ich freue mich sehr darauf, das EDI zu übernehmen», so EBS. «Es ist keine Flucht, es ist eine Chance.»
Seit November ist eigentlich klar, dass der Bundesrat den Neuanfang für Verhandlungen mit Brüssel sucht. Wie die Zeitungen von CH Media publik machten, hat Bundespräsident Alain Berset am 8. November der EU-Ratspräsidentin Ursula von der Leyen einen entsprechenden Brief geschickt. Was genau darin steht, war bislang nicht bekannt.
Nun legt der Bundesrat die Karten auf den Tisch. Nebst einem Vorschlag für die Verhandlungen publiziert er am Freitag auch Bersets Brief an die EU im Wortlaut. (sat)
Das Medienzentrum in Bern füllt sich. Es dürfte sich ohnehin nur noch um Minuten handeln, bis die drei Bundesratsmitglieder Ignazio Cassis, Elisabeth Baume-Schneider und Guy Parmelin vor die Medien treten. Der Aussenminister, die Justizministerin und der Wirtschaftsminister wollen dabei über die neuen Verhandlungen mit der EU informieren.
Dass gleich drei Mitglieder der Landesregierung zusammen vor die Medien treten, kommt eigentlich selten vor. Auch wenn dies in Zeiten der Coronapandemie bisweilen häufig der Fall gewesen war. (sat)
Im Grundsatz hat sich seit dem einseitigen Abbruch der Verhandlungen über ein Rahmenabkommen mit der EU nicht viel verändert. Die Skepsis von Links ist weiterhin gross, jene von Rechts erst recht. Und auch in der Mitte und beim Freisinn frohlockt niemand, wenn er oder sie auf neue Verhandlungen mit Brüssel angesprochen werden.
Dennoch scheint eines bereits klar: Am Daumen hoch oder runter von Mitte und FDP dürfte sich entscheiden, ob Bern im zweiten Anlauf um den Poker mit Brüssel doch noch eine Einigung finden kann. (sat/ch media)
Der Bundesrat hat am Freitag den Entwurf für ein Verhandlungsmandat mit der Europäischen Union verabschiedet. Beginnen sollen die Verhandlungen, sobald das Mandat nach der Konsultation des Parlaments und der Kantone definitiv steht.
Übergeordnetes Ziel bleibt für den Bundesrat die Stabilisierung des bilateralen Weges. Er will die Verhandlungen auf den vor fast zwei Jahren verabschiedeten Paketansatz stützen. Dieser beruht auf einem Paket von Kooperations- und Marktzugangsabkommen, wie das Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) schreibt.
Der Bundesrat will neue Abkommen zu Strom und Lebensmittelsicherheit sowie zur Zusammenarbeit im Gesundheitsbereich. Auch ein Abkommen zur systematischen Teilnahme an EU-Programmen wie Horizon Europe gehört zum Paket sowie regelmässige Kohäsionsbeiträge an die EU.
Institutionelles will der Bundesrat in den Binnenmarktabkommen regeln. Bestimmungen über staatliche Beihilfen hingegen sollen ins Luft-, ins Landverkehrs- und ins Stromabkommen geschrieben werden. (sda)
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