Moritz Leuenberger – er war während Jahren Verkehrsminister der Schweiz und hatte damit das Dossier Luftfahrt auf seinem Tisch –, ausgerechnet ihm passierte das: Er wurde von Easyjet auf dem Flughafen Toulouse stehen gelassen. «Zuerst hiess es, es gäbe eine Verspätung. Aber erst nach langem Warten wurde klar, dass der Flug nach Basel annulliert wurde», sagt der ehemalige Bundesrat gegenüber der «Nordwestschweiz». «Es gab keinerlei Assistenz vonseiten Easyjet.» Den über 100 anderen Passagieren erging es ähnlich. Leuenberger musste sich nochmals ein Auto mieten, hatte aber insofern Glück, als er zu seinen Bekannten zurückkehren konnte, bei denen er schon zuvor zu Besuch war.
Dank einem Artikel in dieser Zeitung im Mai vergangenen Jahres wurde er daran erinnert, dass Fluggesellschaften in der EU bei Verspätungen und bei Streichung von Flügen schadenersatzpflichtig werden. «Ich habe da aber auch gelesen, dass das Prozedere, den Betrag einzufordern, ziemlich hürdenreich ist.» Und dass Easyjet nicht gerade zu der kulanten Sorte Fluggesellschaften gehört.
Er sollte Recht bekommen. Drei Wochen nach dem Flug hielt er zwar ein Bestätigungsschreiben in der Hand, dass Easyjet die in diesem Fall vorgesehenen 250 Euro bezahlen werde. Doch nichts dergleichen geschah – bis heute nicht. Mittlerweile werden seine Briefe nicht mehr beantwortet. «Da fühlt man sich schon an der Nase herumgeführt», sagt Leuenberger. Jetzt hat er beim Friedensrichteramt in Zürich Klage erhoben.
Leuenberger, der ja nicht am Hungertuch nagen muss, zieht die Angelegenheit eher aus grundsätzlichen Überlegungen durch. Easyjet solle sich an die eigenen Verträge und Zusagen halten, meint Leuenberger. Da dürfe man nicht locker lassen. «Wenn alle Geprellten nachgeben, wird dieses unanständige Verhalten zum systematischen Geschäftsmodell.»
Bereits der in der «Nordwestschweiz» im Mai geschilderte Fall dauerte fast zwei Jahre. Es ist davon auszugehen, dass viele der Geschädigten irgendwann einmal aufgeben. Bei Easyjet war niemand für eine Stellungnahme erreichbar.
«Mit Easyjet beschäftigen wir uns schon seit Jahren», sagt Nicole Krey, Rechtsexpertin bei EUclaim gegenüber der «Nordwestschweiz». EUClaim ist eine Firma, die sich mit der Durchsetzung der Passagierrechte in Deutschland befasst und mit dem Inkasso auch Geld verdient. Über die Jahre habe sich wenig an der Art und Weise geändert, wie diese Fluggesellschaft die Beschwerden abwickelt.
«Wir sind gezwungen, viele gerichtliche Verfahren für Flüge anzustrengen, welche Easyjet durchführt. In 65 Prozent der Easyjet-Beschwerden von oder nach Deutschland müssen wir ein Gerichtsverfahren einleiten, um die Entschädigung für die Passagiere durchzusetzen. In 97 Prozent der Fälle sind wir erfolgreich», sagt Krey.
Hilfe bietet auch das Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl) an, die Behörde, über die Leuenberger noch bis vor sechs Jahren die Oberaufsicht hatte. Auf der Website des Bazl finden sich unter «Fluggastrechte» eine umfangreiche Aufklärung über die Rechte als Flugpassagier und ein Meldeformular, falls Reklamationen bei der Airline nichts gefruchtet haben.