Idealerweise ist es das Pflicht- und Ehrgefühl, das Politiker zu Höchstleistungen antreibt. In Realität spielt aber oft auch eine Prise Macht- und Geltungsdrang eine Rolle. Bei manchen weniger, bei manchen mehr.
Wie die Balance bei Pierre Maudet aussieht, ist eines der grossen Geheimnisse der Schweizer Politik. Tatsache ist, dass der Genfer Magistrat, der wegen der nach ihm benannten Affäre vielerorts in Ungnade gefallen ist, die Corona-Krise derzeit zu nutzen vermag, um sich als tatkräftiger, pragmatischer, agiler Politiker zu positionieren. So, wie man es sich von ihm aus der Vergangenheit gewohnt war, als er das verworrene Genfer Polizeigesetz modernisierte, ohne falsche Bescheidenheit gegen politische Entscheide in Bern polterte und 2017 gar als Bundesrat kandidierte.
Der FDP-Staatsrat, der trotz den juristischen Untersuchungen gegen ihn an seinem Amt als Wirtschaftsvorsteher festhält, ist so präsent wie lange nicht mehr. Nur ein Tag nach dem «Lockdown» der Restaurants und Bars Mitte März versandte sein Wirtschaftsdepartement eine Medienmitteilung, um der lokalen Gastronomie unter die Arme zu greifen. «Die Zeit, die wir durchleben, ist schwierig, aber ich bin überzeugt, dass wir uns alle durch Solidarität und Einfallsreichtum anpassen können», liess sich Maudet zitieren.
Sein Departement stellte 100‘000 Franken bereit für die Pizzerias, Kebab-Stände und Burgerbuden, damit sie ihre Speisekarte rasch und günstig auf die Onlinebestellplattformen hochladen können. Zuvor hatte Maudets Departement bereits die Hilfsbeträge für KMUs erhöht und die dringliche, zinslose Kreditvergabe vereinfacht. Maudet der Macher.
Eine Woche später lancierte Maudets Departement als Folge einer Bürgerinitiative eine neue Internetseite mit dem pathetischen Titel «Covid Héros». Darauf können sich Yoga-Instruktoren oder Massagetherapeuten präsentieren und um Vorauszahlung für ihre Services bitten, welche die Kunden nach dem Ende der Krise beziehen können. Damit soll das kurzfristige Liquiditätsproblem der KMUs gelindert werden. Maudet der Mann der Wirtschaft.
Ende März dann brach Maudet für all jene selbstständig Erwerbenden eine Lanze, die trotz den Massnahmen des Bundesrates bisher leer ausgehen. Denn Erwerbsersatzgeld gibt es bis jetzt nur für Selbstständige, die direkt von den Bundesratsbeschlüssen betroffen sind und ihr Geschäft schliessen mussten. Reinigungskräfte gehen zum Beispiel leer aus. Maudet schmiedete eine Allianz mit Gewerbe- und Sozialverbänden und entsandte einen Hilferuf nach Bern: «Es ist absolut zentral, dass der Bund die Erwerbsausfallentschädigung auf alle Unabhängigen ausdehnt, deshalb müssen wir uns zusammenschliessen.» Maudet, der FDPler mit dem Ohr für die Vernachlässigten.
Diese Woche folgte Maudets neuster Vorstoss mit einer Medienkonferenz, die jeweils vom Lokalsender Léman Bleu übertragen wird. Neben dem FDP-Politiker sassen der Präsident des Genfer Mieterverbands Alberto Velasco und Pascal Pétroz, Präsident der Genfer Hauseigentümer. Der 42-Jährige schaffte es, eine Einigung zwischen den ansonsten verfeindeten Parteien zu erreichen. Maudet der Brückenbauer. So können kleine Geschäfte nun bei ihrem Vermieter einen Mieterlass von 50 Prozent im April beantragen. Falls dieser dem Antrag zustimmt, erhält er die restlichen 50 Prozent vom Kanton bezahlt. Genf lässt sich dies rund 6 Millionen Franken kosten.
Maudet betonte wiederholt, wie einmalig diese Einigung sei. Pétroz lobte den Magistraten in den höchsten Tönen. Er ziehe seinen Hut vor dem unermüdlichen Einsatz des Staatsrats, der alles gebe für die Sache, nicht zum Schlafen komme und sich dieser dantesken Herausforderung mutig stelle. Seinem Gegenüber vom Mieterverband entwich gar ein Freudscher Versprecher, als er sich bei Maudets Wortübergabe beim «Monsieur le Président bedankte. Zur Erinnerung: Der Wirtschaftsminister war bis zum Auffliegen seiner Abu-Dhabi-Luxusreise Präsident der Kantonsregierung.
Maudet reagierte professionell und korrigierte die falsche Betitelung umgehend. Ein spitzbübisches Lächeln konnte er sich aber nicht verkneifen. (cki/aargauerzeitung.ch)
Ob die Massnahmen auch wirklich langfristig helfen, ist eine weitere Frage. Jetzt Gutscheine verkaufen hilft kurzfristig der Liquidität, in ein paar Monaten werden dann alle Gutscheine eingelöst und es fehlt die Kapazität, um dann Umsatz zu machen. Liquiditäsproblem kommt dann erst recht.
50% Miete für ein nicht nutzbaren Gewerberaum, Vermieter für den Rest grossartig vom Kanton alimentiert. Was ist daran gut?