Am 19. April 2020 kommt es im Kanton St.Gallen zum Dreikampf der Parteien. An jenem Sonntag werden die zwei noch verbleibenden Sitze für den Regierungsrat gewählt. Kandidierende sind Laura Bucher (SP), Michael Götte (SVP) und Beat Tinner (FDP).
Prognosen sind schwer, weil es bei den vergangenen Kantonsratswahlen grössere Verschiebungen gab. Ginge es nach dem politischen Ein-mal-Eins, so würden Beobachterinnen und Analysten einiges darauf setzen, dass es zum sogenannten «bürgerlichen Schulterschluss» kommt, um die linke Kandidatin zu verhindern, damit die FDP – rechnerisch betrachtet – mit zwei Sitzen besser vertreten ist. Dazu kommt es aber nicht. Jeder und jede kämpft für sich. Und gegen den Anderen.
Der «Andere» ist im diesen Fall der Freisinnige Kandidat Beat Tinner. Der heute 48-jährige Rheintaler Lokalpolitiker gilt in der Politszene als knallharter Stratege, Kritiker werfen ihm gar einen «autoritären Führungsstil» vor.
Tinner weiss, wie das politische Spiel geht, weil er seit 1997 an der Spitze der Exekutive in der rund 5000-Einwohner grossen Gemeinde Wartau sitzt. Die Wahl schaffte der damals 25-jährige Student ziemlich überraschend und landete gar auf der Seite 2 des «Blicks», der seinen Sieg mit «Studenten an die Macht!» titelte. Tinner studierte zum Zeitpunkt seiner Wahl an der Höheren Wirtschafts- und Verwaltungsschule (HWV) in St.Gallen, was er auch in seinem Lebenslauf angibt.
Im aktuellen Wahlkampf kursiert aber das Gerücht, er habe damals die HWV-Ausbildung «gar nie erfolgreich» absolviert. Gestreut werden diese Behauptungen unter anderem in einem Brief, der in den letzten Tagen an die Parteisekretariate verschickt wurde, und watson vorliegt. Darin werden weitere rufschädigende Vorwürfe gegen Tinner gerichtet, unter anderem auch zur angeblichen Arbeitsmoral des Studenten Tinner in den 1990er-Jahren.
Ein Regierungsratskandidat, der bei seinem Lebenslauf nicht ganz die Wahrheit sagt, weil er verschweigt, dass er seine «Ausbildung» nicht abgeschlossen hat? watson wollte die anonym geäusserten Vorwürfe abklären. Eine Kaderperson der Fachhochschule St.Gallen, der heutigen Nachfolgeorganisation der HWV, lehnte eine Stellungnahme ab. Mehrere Personen im Umfeld von Tinner wiederholten lediglich die Behauptungen.
Die Gerüchteküche brodelte auch in den letzten Tagen weiter – obschon der FDP-Politiker selbst den fehlenden Ausbildungsabschluss bestätigt hatte.
«Ich habe die HWV von 1994 bis 1997 besucht, aber nicht abgeschlossen. Zum einen ist mir das Gemeindepräsidium dazwischengekommen und ausserdem hatte ich zu diesem Zeitpunkt ein Jahr wiederholt», sagte Tinner in einem wenig beachteten Kurzartikel des St.Galler Magazins «Saiten». Gegenüber watson bestätigt Tinner dies und präzisiert, dass es ein Studium der Betriebsökonomie war.
Ein Makel also im Lebenslauf eines gescheiterten Studenten, der sich aufs Amt konzentrierte statt auf die Ausbildung. Dass der Vollblut-Politiker dies trotzdem als «Ausbildung» in seinem Lebenslauf aufführt, ohne einen erfolgreichen Abschluss als Nachweis für die Ausbildung zu haben, sorgt nun für Kritik.
Auf Anfrage sagt SVP-Kantonalchef Walter Gartmann, dass er es sogar gut finde, wenn kaufmännische Angestellte oder Handwerker es bis ins Regierungsamt schaffen. «Es ist aber peinlich, wenn ein Kandidat eine höhere Ausbildung einer Fachhochschule aufführt, ohne je abgeschlossen zu haben. Das ist für mich eine Täuschung des Wählers», so Gartmann weiter.
Kritik auch von der SP: Parteipräsident Max Lemmenmeier spricht von «Irreführung am Wähler»: «Er schmückt sich so mit fremden Federn. Wenn der Abschluss nie gemacht wurde, dann kann man auch nicht behaupten, eine Ausbildung gemacht zu haben.»
Tinner begründet gegenüber watson, wieso er trotzdem dies im Lebenslauf erwähnte: «Eine Lücke im Lebenslauf nach abgeschlossener kaufmännischer Ausbildung, Berufsausübung, Militärdienst und [einem] Fremdsprach-Aufenthalt (Stage) würde auch Fragen aufwerfen.» Im aktuellen Wahlflyer, der diese Woche in den Briefkästen lag, gab es diese «Lücke» jedoch trotzdem.
Der FDP-Politiker führt in seinem Lebenslauf auf, dass er vor seiner HWV-Zeit eine kaufmännische Lehre bei einer Bank absolviert hat. Michael Götte, der Kandidat der SVP, gibt an, einen Executive Master of Business Administration zu besitzen. Die SP-Kandidatin Laura Bucher ist promovierte Juristin am Bundesverwaltungsgericht.
:)
Vielleicht hätte er dies nicht unter "Ausbildung" auflisten sollen.