Mit der Organisation einer der grössten Demonstrationen, welche die Schweiz je gesehen hat, hat das Zürcher Frauen*streik-Kollektiv am Freitag Geschichte geschrieben. 160'000 mehrheitlich Frauen nahmen am Umzug durch die Innenstadt teil. Salome Schaerer vom Medienteam des Kollektivs sagt: «Ein nächstes Treffen im Juli ist bereits geplant.» Nebst dem Rückblick auf den Streik soll dort die Frage «Wie weiter?» diskutiert werden.
Schaerer hat schon einige Ideen: «Jetzt geht es darum, die Leute motiviert und informiert zu halten. Ich könnte mir darum vorstellen, eine weitere Ausgabe unserer Streikzeitung herauszugeben.»
Allgemein stellt sich für Schaerer die Frage, wie man nun diese grosse Kraft, die auf die Strasse gerollt ist, auffangen und in konkreten Projekten kanalisieren kann. Es zeichne sich ab, dass nun Politikerinnen oder Nichtregierungsorganisationen die Gunst der Stunde für ihre Anliegen nutzen würden. Schaerer sagt: «Natürlich begrüsse ich das. Unsere Aufgabe als Kollektiv muss nun aber sein, dass wir etwas Schaffen, das gesellschaftlich verankert ist und sich an einer breiten Basis orientiert.»
Am Freitagabend auf der Bühne auf dem Helvatiaplatz in Zürich wurde bereits die Forderung laut, den nächsten Frauenstreik auf den 8. März zu setzen. In vielen Ländern auf der ganzen Welt gilt der internationale Tag der Frau als Streiktag. Schaerer kann sich gut vorstellen, dass sich künftig auch die Schweiz in diese Tradition stellt.
Beim Schwerizerischen Gewerkschaftsbund SGB ist die Stimmung optimistisch. Zentralsekretärin Regula Bühlmann ist sich sicher, dass die Streik-Forderungen nicht versanden werden. Denn die Kollektive, die durch den Frauenstreik entstanden sind, würden sich weiter treffen. Bühlmann sagt: «Die SGB-Verbände werden nun mit den Streikforderungen in die Lohnverhandlungen gehen.» Ebenfalls gelte es, diese auf politischer Ebene einzubringen und umzusetzen. «Ich bin mir sicher, dass der vergangene 14. Juni in der nationalen Politik Folgen zeigen wird», sagt sie.
Christine Flitner, Zentralsekretärin Gleichstellung beim VPOD sagt: «Der Frauenstreik war erst der Anfang, nun werden die Forderungen fortgeführt.» Konkret stehe für den VPOD im Vordergrund, einen Gesamtarbeitsvertrag für Angestellte in der Kinderbetreuung voranzubringen. Ausserdem führe man Verhandlungen mit Spitälern, um die Forderung, die Umkleidezeit der Mitarbeitenden als Arbeitszeit zu berechnen, umzusetzen.
Allein in der Stadt Zürich haben am Freitag mindestens zwanzig Kindertagesstätten den Betrieb früher geschlossen, weil die Betreuerinnen streikten. Mitorganisiert hatte dies die «Trotzphase», eine Gruppe ausgebildeter und angehende Fachpersonen aus der Kinderbetreuung. Sie kämpft gegen prekäre Arbeitsbedingungen in den Kitas und für die Aufwertung des Berufs der Kinderbetreuung.
Obwohl die Aktivistinnen der «Trotzphase» jetzt eigentlich eine Pause benötigten, hätten sie gemerkt, dass sie sich diese nicht leisten können. Die «Trötzlerin» – so nennen sich die Kita-Aktivistinnen – Rebecca Lüthi sagt: «Diese grosse Welle der Solidarität und Euphorie müssen wir jetzt nutzen. Insbesondere weil unsere Petition ‹Weil Kinder mehr Zeit brauchen› in der letzten heissen Phase ist.»
Am Freitag sei die Zürcher Bäckeranlage voll gewesen mit Kita-Betreuerinnen, Müttern und Vätern, die sich beim «Trotzphase»-Stand über ihr Engagement informiert hätten. «Die Sympathie ist auf unserer Seite, nun gilt es, diese Leute mit ins Boot zu holen.» In ein paar Wochen wird es deshalb ein Treffen geben und im Spätsommer oder Herbst ist ein Grillnachmittag geplant. «Wir hoffen, dass uns die gemeinsame Kraft, die sich am Streik so stark gezeigt hat, nutzen können. Es geht darum zu zeigen, dass wir zusammen viel erreichen können», sagt Lüthi.
Einer der wichtigsten Termine für die Politikerinnen im Bundeshaus stand bereits lange vor dem Frauenstreik fest: Die Parlamentswahlen im Oktober. Viele hoffen nun, dass sie den Erfolg von vergangenem Freitag nutzen können, um im Herbst die Frauenvertretung in Bern zu erhöhen.
Kathrin Bertschy, Co-Präsidentin von Alliance F und Nationalrätin der Grünliberalen sagt: «Es geht einfach nicht mehr, dass im Ständerat ein Verhältnis von 40 Männer und gerade mal 6 Frauen an der Macht sind.» Alliance F startete lancierte darum die überparteiliche Kampagne «Helvetia ruft», um den Frauenanteil im Parlamenten zu erhöhen.
Für Bertschy ist nach dem Streik vor dem Streik: «In unserer täglichen Arbeit für Alliance F engagieren wir uns, um die Kernforderungen des Streiks politisch mehrheitsfähig zu machen: Strukturen, welche Männer privilegieren und an der Macht halten, müssten endlich verändert werden. Bertschy konkretisiert: «Es braucht eine gleichgeteilte Elternzeit, Kitas müssen bezahlbarer werden, und die hohe Besteuerung der Zweiteinkommen gehört abgeschafft mit einer Individualbesteuerung.»
Auch die SP Frauen wollen nun sofort von der Energie des Frauenstreiks profitieren. In den kommenden Wochen stehen im Parlament mehrere wichtige Geschäfte an: Am 19. Juni befindet der Ständerat über die Quotenregelung in Verwaltungsräten und Geschäftsleitungen. Einen Tag später stimmt die kleine Kammer über den zweiwöchigen Vaterschaftsurlaub ab. Zudem soll in der Herbstsession über das Bundesgesetz zur besseren Vereinbarkeit von Berufstätigkeit und Angehörigenbetreuung beraten werden. SP-Nationalrätin Barbara Gysi sagt: «Eine bessere Anerkennung der Angehörigenbetreuung verbessert die Erwerbssituation der Frauen wie auch ihre Altersrenten.»
Für die Noch-Juso-Präsidentin Tamara Funiciello ist nach dem Frauenstreik das zentralste Anliegen die Arbeitszeitverkürzung. Sie sagt: «Die Arbeitszeitverkürzung sorgt dafür, dass die unbezahlte Betreuungs- und Hausarbeit endlich gerecht zwischen den Geschlechtern verteilt werden kann.» Nach dem Frauenstreik brauche es etwas Konkretes. Die Juso werde darum eine entsprechende Kampagne lancieren.
Auch viele Journalistinnen haben am Freitag ihre Redaktionen bestreikt und sich am Nachmittag auf dem Kanzleiareal in Zürich getroffen. An der Demonstration am Nachmittag marschierten rund 400 Medienfrauen unter dem Motto: «No women, no news».
Für Rafaela Roth, Redaktorin beim «Tages-Anzeiger», ist klar, dass es jetzt weitergehen muss: «Es ist unglaublich, was wir erreicht haben. Über 1200 Medienschaffende haben unsere Forderungen nach mehr publizistischer Macht, Lohngleichheit, Vereinbarkeit, Schutz vor Belästigung und dem Ende von sexistischer Berichterstattung unterschrieben. Journalistinnen in der ganzen Schweiz haben diese auf ihren Redaktionen eingereicht. Da müssen wir jetzt dran bleiben.»
Welche Projekte sie redaktionsübergreifend in Angriff nehmen wollen, werden sich die streikenden Medienfrauen in den kommenden Tagen und Wochen überlegen, so Roth. Derzeit seien sie froh um eine kurze Verschnaufpause.
Anm. d. Red.: Am Streik der Medienfrauen waren auch watson-Redaktorinnen beteiligt.
Yvonne Ribi, Geschäftsführerin beim Schweizer Berufsverband der Pflegefachpersonen (SBK) sagt, viele der Pflegefachpersonen hätten am Freitag nicht selber streiken können, da im Pflegebereich der grösste Teil der Angestellten weiblich sei. «Hätten die Frauen gestreikt, wäre nichts mehr gelaufen und die Patienten wären die Leidtragenden gewesen».
Doch der Frauenstreik habe den Mitarbeitern in der Branche viel Elan verliehen und gezeigt, dass die Anliegen in Zukunft ernster genommen werden müssen, so Ribi. Für den SBK kam der Frauenstreik in einem richtigen Zeitpunkt. Denn mit seiner bereits eingereichten Pflegeinitiative will der Verband eine gute pflegerische Versorgung sicherstellen. Die Initiative fordert unter anderem, dass die Anzahl der Patientinnen und Patienten, für welche eine Pflegefachperson verantwortlich ist, begrenzt wird, die Aus- und Weiterbildung staatlich unterstützt wird, die Arbeitsbedingungen in einem GAV geregelt sind und der Beruf besser mit der Familie vereinbar ist. Wann das Anliegen vors Volk kommt ist noch unklar.
Wie wärs einmal mit realistischen Ideen?
Wollen Teilzeit arbeiten aber einen Vollzeit Lohn.
Bei Sexueller Gewalt werden sie auf die Gefahr von Frauenfeindlichen Kulturen aufmerksam gemacht, Frau Funicello interessiert das nicht, für sie sind alle Männer Vergewaltiger.
Gleichstellung ist keine Buffet, man kann sich nicht das Beste rauspicken und den Rest liegen lassen.