Der Countdown läuft: Am 14. Juni legen landauf, landab tausende Frauen ihre Arbeit nieder und gehen auf die Strasse. Droht nun in der Schweiz das grosse Streik-Chaos? «Die Bewegung nimmt extrem an Fahrt auf», sagt Christine Flitner von der Gewerkschaft VPOD. So sei bereits praktisch alles Werbematerial wie Fahnen und Sticker vergriffen.
Aber wie reagieren die Schweizer Firmen auf den Frauenstreik?
In den Spitälern geht es nicht selten um Leben und Tod. 80 Prozent der Angestellten sind Frauen. Der Druck auf das Pflegepersonal habe in den letzten Jahren extrem zugenommen. «Es gibt Krankenhäuser, wo Protestpausen oder Streik-Cafés geplant sind», weiss Flitner weiter. Die Spitalleitungen seien gegenüber dem Frauenstreik «eher repressiv» eingestellt.
Nicht so im Unispital Zürich:
Im Berner Inselspital sind Vorgesetzte angehalten, Wünsche der Frauen, die an einem Streik teilnehmen wollen, bestmöglich zu berücksichtigen. Dies schreibt der Bund.
Hungern wird am Frauenstreik niemand. Da und dort müssen Männer einspringen. Die Vegi-Kette Tibits mit Filialen in Basel, Luzern, Bern, Zürich und Lausanne steht «ganz klar» hinter den Anliegen des Frauenstreiks. «Es ist bedenklich, dass die Schweiz hier keine Vorbildfunktion einnimmt», schreibt Tibits auf Anfrage.
Wenn eine Mitarbeiterin am 14. Juni frei haben möchte, sei dies problemlos möglich. Man rechne aber damit, dass die Vorgesetzten frühzeitig informiert werden, wenn man am Streik teilnehmen wolle.
Das Zürcher Szene-Lokal Hiltl betont, dass man als Vegi-Restaurant seit nunmehr 121 Jahren insbesondere Frauen anspreche, dies gelte auch für die Mitarbeitenden.
Für den Frauenstreik müssten Mitarbeiterinnen einen Freitag eingeben. «Sollten alle Frauen an der Demo sein, dann packen es die Mitarbeiter», so Hiltl weiter.
Schülerinnen und Schüler können am 14. Juni nicht einfach zu Hause bleiben. Jede Schule behandle den Frauenstreik individuell, erklärt Flitner vom VPOD weiter. «Wir wissen von Lehrpersonen, die mit den Schülern an die Demo gehen. Dies im Rahmen des politischen Unterrichts.» Andere Lehrerteams beendeten alle Lektionen ausnahmsweise um 15.30 Uhr, um am Streik teilzunehmen. Zudem wisse sie von Klassen, die das Thema Gleichstellung und Frauenstreik im Unterricht behandelten.
Es wird kein Problem sein, sich am 14. Juni mit Lebensmitteln einzudecken. Denn frei bekommen die Mitarbeiterinnen beim orangen Riesen nicht für den Frauenstreik. «Wir sind überzeugt, dass unsere Mitarbeitenden Verständnis haben, dass der Betrieb weiterlaufen muss», so die Sprecherin weiter. Die Angestellten müssten sich frühzeitig mit Vorgesetzten absprechen und Überzeit kompensieren oder einen Freitag nehmen.
Beim letzten Frauenstreik 1991 erklärte die Migros auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda herablassend: «Frauenstreik? Doch, doch, das ist ein lustiges Thema.» Die Zeiten hätten sich geändert, schreibt Migros-Sprecherin. «Heute lacht niemand mehr. Und das ist gut so.»
Bei Coop müssen die Angestellten am 14. Juni ebenfalls arbeiten. Den Mitarbeitenden stehe es frei, sich in «ihrer Freizeit zu engagieren», so die Coop-Medienstelle.
Bei der Kiosk-Betreiberin Valora sind fast 70 Prozent der Mitarbeitenden Frauen. Die Anliegen des Frauenstreiks hält Valora für «sehr wichtig», wie eine Sprecherin schreibt. Valora-Mitarbeitende, die am Streik teilnehmen, müssen dennoch einen Freitag beziehen.
Wer am 14. Juni in die Ferien fliegen will, muss sich keine Sorgen machen. Der Flughafen Zürich geht davon aus, dass es «keine grösseren Einschränkungen» gibt, wie Sprecher Philipp Bircher erklärt.
Die Swiss betont auf Anfrage, dass man mit allen Mitarbeitenden Gesamtarbeitsverträge abgeschlossen habe. Diese stünden für Lohngleichheit bei den Geschlechtern. Gleichzeitig beinhalteten sie auch die «absolute Friedenspflicht», die Streikmassnahmen nicht vorsieht. Sprich: Die Flugbegleiterinnen und Pilotinnen müssen auch am 14. Juni in die Luft.
Die Eidgenossenschaft steht am 14. Juni nicht wirklich still. Für die rund 38'000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bundes wurde vom Personalamt eine «Sprachregelung» für den Frauenstreik ausgearbeitet. Die Teilnahme am Frauenstreik müsse individuell mit dem Arbeitgeber vereinbart werden. «Betriebliche Bedürfnisse gehen vor», so das Eidgenössische Personalamt. Die Verwaltungseinheiten werden gebeten, Anfragen «wohlwollend» zu behandeln. Wobei: Der Streik gilt nicht als Arbeitszeit.
Die Stadt Bern legt auf den Frauenstreiktag keine Sitzungen oder wichtige Termine, wie der Gemeinderat mitteilte. Zudem finden unter dem Motto «Solidarität für Frauen – Solidarität unter Frauen» in der Stadtverwaltung Aktionen statt. Die Bundesstadt gestattet ihren Angestellten im Rahmen der betrieblichen Möglichkeiten die Teilnahme am Frauenstreik. Die Zeit dafür gehe zu Lasten des Gleitzeit-, Überstunden- oder Ferienkontos der betreffenden Mitarbeitenden.
In Zürich anerkennt der Stadtrat die «berechtigten Anliegen» des Frauenstreiks. Weil die Rechtsgrundlage fehle, werde eine Teilnahme am Streik aber nicht als Arbeitszeit gewertet. Die Mitarbeitenden sollen aber unterstützt werden, damit sie an den Aktionen teilnehmen können.
auf meinem schild wird stehen
"volle gleichberechtigung. gleicher lohn, gleiches rentenalter, gleicher militärdienst, keine bevorzugung bei der scheidung, gleiche versicherungsprämien"
Wenn die betrieblichen Abläufe so geplant werden, dass möglichst wenig Disruption entsteht und die Frauen an der Arbeitsstelle regulär einen Ferientag beziehen, dann ist das kein Frauenstreik, sondern eine mit viel Symbolik aufgeladene Demo.
Nicht, dass ich das nicht richtig finde (dass man nicht streikt, sondern demonstriert), aber man darf es ruhig auch so nennen.