Der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) ist laut seinem Chef Markus Seiler schon im Februar informiert worden, dass der Name seines verhafteten Mitarbeiters bei Ermittlungen aufgetaucht ist. Freigestellt wurde der Mann nach seiner Festnahme am vergangenen Mittwoch.
«Im Februar teilten uns die Genfer Behörden mit, dass der Name des Mitarbeiters im Zusammenhang mit einer Drittperson auftaucht, gegen welche ermittelt werde», sagte NDB-Chef Seiler in einem Interview mit dem «Tages-Anzeiger» und dem «Bund» vom Samstag.
Erst am vergangenen Donnerstagmorgen habe der NDB erfahren, «dass unser Mitarbeiter nun plötzlich Beschuldigter sei und dies in der Affäre Giroud», erklärte Seiler weiter. Im Interview mit dem «Blick» spricht Seiler zudem von «schweren Anschuldigungen» gegen den Mann.
Die Genfer Behörden ermitteln gegen den NDB-Mitarbeiter sowie gegen drei weitere Personen, unter ihnen Weinhändler Dominique Giroud selbst, weil diese Hackerangriffe auf Computer von Journalisten ausgeübt oder in Auftrag gegeben haben sollen. Gegen Giroud, der wie alle anderen Verdächtigen auch in Untersuchungshaft sitzt, laufen zudem Verfahren wegen des Verdachts auf Steuerdelikte und Betrug.
Im Februar leitete der NDB laut Seiler eine Untersuchung ein, «um der Frage nachzugehen, wieso der Name unseres Mitarbeiters auftauchte». Das komme immer wieder vor, da NDB-Leute aufgrund ihres Auftrages Kontakt zu problematischen Personen hätten.
Gezieltere Abklärungen seien im April möglich geworden, nachdem der NDB dank einer Erlaubnis aus Genf «gewisse Zusatzinformationen» habe nutzen können. Der Mann sei nicht observiert worden, sagte Seiler. In der Sendung «Forum» im Westschweizer Radio RTS sagte Seiler am Freitagabend, der Mitarbeiter sei aber überwacht und befragt worden.
Seiler wiederholte, dass der Nachrichtendienst als Organisation nicht in die Affäre Giroud verwickelt sei. «Es gibt beim NDB keine Aufträge, sich in irgendeiner Art mit der Affäre Giroud zu befassen.» Falls die Beschuldigungen gegen den Mitarbeiter zutreffen sollten, habe dieser auf eigene Initiative gehandelt.
Vergleiche mit dem Datendiebstahl beim NDB von 2012, bei dem ebenfalls eine externe Stelle auf Unregelmässigkeiten hinwies, hält Seiler für unangebracht: «Die Fälle liegen völlig unterschiedlich». Trotz verbesserter interner Kontrolle liessen sich Fälle wie der aktuelle «fast nicht ausschliessen». «Wir können unsere Mitarbeiter nicht überwachen, erst recht nicht ausserhalb der Arbeit.»
Nicht äussern will sich Seiler unter anderem dazu, in welchem Bereich der Mitarbeiter tätig ist und ob weitere Beschuldigte mit dem NDB in Kontakt gestanden sind. Zur angeblichen Mitgliedschaft des Mannes bei der erzkatholischen Piusbruderschaft verweist Seiler auf die Religionsfreiheit.
Nach Kenntnisstand des NDB nutzte der Mann, der laut Seiler über eine gültige Personensicherheitsprüfung der höchsten Stufe verfügt, die NDB-Infrastruktur bei dem Vorfall nicht. «Insbesondere gab es keine Zugriffe auf irgendwelche Datenbanken». Zu Hausdurchsuchungen beim NDB sei es auch nicht gekommen.
Für Kritik an seiner Person zeigt Seiler Verständnis: «Die Verantwortung liegt bei mir.» In Anspielung auf Äusserungen der CS-Spitze nach der Milliardenbusse in den USA sagte Seiler: «Ich bin nicht bei einer Grossbank und spreche von einer weissen Weste.» Zurzeit sehe er aber keinen Grund für einen Rücktritt.
Ungelegen kommt die Affäre um seinen festgenommenen Mitarbeiter für den Nachrichtendienst auch deshalb, weil im Parlament die Beratungen für ein neues Nachrichtendienstgesetz laufen. Das sei bedauerlich, sagte Seiler. «Es wäre uns dienlich, wenn keine solchen Sachen vorfielen.» (egg/sda)