Röstis Experte hat entschieden: Diese Ausbauprojekte sollen verschoben werden
Verkehrsminister Albert Rösti könnte den Ausbau der Strassen- und Eisenbahninfrastruktur zusammenstreichen. Mehrere grosse Ausbau-Projekte sollen verschoben oder gestrichen werden – zumindest, wenn die Empfehlungen aus dem am Donnerstag veröffentlichten Bericht des ETH-Professors und Verkehrsforschers Ulrich Weidmann übernommen werden. Er hat im Auftrag des zuständigen SVP-Bundesrats eine Liste erstellt.
Weidmann hatte Anfang Jahr den Auftrag erhalten, alle geplanten Ausbauten zu überprüfen und neu zu priorisieren. Dabei handelt es sich um rund 500 Projekte mit einem Volumen von 113 Milliarden Franken.
Grund für die Überprüfung waren zwei Entwicklungen. Einerseits zeigte sich Ende 2024, dass der Ausbauschritt 2035 der Eisenbahn (AS 2035) teurer wird. Das Parlament hat dafür 14 Milliarden Franken bewilligt. Doch neue Berechnungen der SBB zeigten, dass dieser Betrag nicht reicht, um das mit dem Ausbau versprochene Angebot umsetzen zu können. Stattdessen dürften in den nächsten 20 Jahren weitere Mehrkosten von 14 Milliarden Franken entstehen.
Andererseits lehnte das Stimmvolk im November 2024 einen grösseren Ausbauschritt für die Autobahnen ab. Vor diesem Hintergrund sollte Weidmann mit dem Projekt «Verkehr 45» aufzeigen, welche Projekte Priorität aufweisen und wie die Ausbauten von Schiene und Strasse zusammenhängen. Nun liegen die Resultate vor.
Eisenbahn
Weidmann hat zwei Varianten herausgearbeitet: Eine mit den bisher bewilligten Mitteln für den nächsten Ausbauschritt und eine mit zusätzlichen Mitteln in der Höhe von 10 Milliarden Franken. Er hat Bahn-Ausbauten in verschiedene Prioritätsstufen eingeteilt.
In der Variante mit den bisherigen Mitteln schlägt Weidmann vor, bis 2045 prioritär Projekte wie den Tiefbahnhof Genf, den Ausbau des Bahnhofs Zürich-Stadelhofen mit einem 4. Gleis und neuen Tunnels sowie den Zimmerberg-Basistunnel 2 zu realisieren. Nicht Bestandteil der Überprüfung war das Milliardenprojekt «Mehrspur» zwischen Zürich und Winterthur mit dem neuen Brüttener Tunnel, dessen Realisierung bereits gesichert ist.
Gute Nachrichten gibt es für die Region Luzern und ihren gewünschten Tiefbahnhof. Schon eine Variante im Vollausbau soll bis 2045 wegen des hohen Nutzens priorisiert werden. Dafür soll der schnelle Halbstundentakt zwischen Luzern und Bern erneut nach hinten verschoben werden.
Wenn mehr Geld zur Verfügung stehen sollte, empfiehlt Weidmann unter anderem auch die Realisierung der Direktverbindung Neuchâtel – La Chaux-de-Fonds, der Neubaustrecke Morges-Perroy, des neuen Tunnels zwischen Täsch und Zermatt und des Grimseltunnels bis 2045.
Zudem soll die sogenannte Nationalbahn Zofingen-Lenzburg bereits in den nächsten Jahren ausgebaut werden, wenn mehr Mittel zur Verfügung stehen. Damit verbunden ist die Tieferlegung der Bahnstrecke der Aargau Verkehr AG in Oberentfelden.
Schlechte Nachrichten gibt es für das Basler Herzstück. Ulrich Weidmann empfiehlt nicht nur, es «in die Periode nach 2045 zu depriorisieren», sondern auch bis dahin auf Vorinvestitionen in einen Tiefbahnhof zu verzichten. Auch die neue Haltestelle Solitude soll nicht weiterverfolgt werden. Zweckmässig seien hingegen rasche Ausbauten etwa des Westkopfs des Bahnhofs Basel SBB oder die neue Haltestelle Basel Neuallschwil.
Die neue Direktverbindung Zürich-Aarau mit einem Tunnel soll wegen ihrer hohen Kosten ebenfalls erst später umgesetzt werden.
Vertröstet werden soll die Ostschweiz: Für eine allfällige Neubaustrecke zwischen Winterthur und St.Gallen, mit der die Fahrzeit reduziert werden könnte, sieht Weidmann vorerst noch keine Möglichkeit.
Strassen
Die Priorisierung der Strassenprojekte bietet politischen Zündstoff. So schlägt Ulrich Weidmann diverse Projekte zur Realisierung in den nächsten Jahren vor, die im November 2024 von der Stimmbevölkerung abgelehnt wurden. Dazu gehören der Rheintunnel in Basel und der Ausbau der Autobahn A1 bei Bern auf dem Abschnitt Wankdorf-Schönbühl. Dieser sei «inhaltlich und zeitlich dringend». Ein Ausbau solle spätestens nach 2045 erfolgen, «wenn finanziell möglich aber bereits früher». Auch die Wiederaufnahme der in der Abstimmung abgelehnten dritten Röhre des Rosenbergtunnels in St.Gallen hält Weidmann für «inhaltlich zweckmässig und vergleichsweise prioritär».
Als prioritär erachtet Weidmann auch die Realisierung der Oberlandautobahn im Kanton Zürich und den Ausbau der Westumfahrung Zürich auf sechs Spuren.
Verzichten will Weidmann auf den Ausbau der A14 zwischen Buchrain und Rütihof in der Zentralschweiz auf sechs Fahrspuren. Dasselbe Schicksal dürfte die Glattalautobahn im Kanton Zürich ereilen, zumindest wenn es nach dem ETH-Experten geht. Die zweite Röhre des Fäsenstaubtunnels in Schaffhausen soll erst später gebaut werden. Auf den Ausbau der A1 zwischen Schönbühl und Kirchberg im Kanton Bern könne «bis auf weiteres verzichtet werden». Dieses Projekt war ebenfalls Teil der Autobahn-Abstimmung im November 2024.
Agglomerationsverkehr
Bei den Projekten, die über den Fonds für Agglomerationsprojekte finanziert werden, schneiden besonders neue Tram-Linien gut ab. So schlägt Weidmann die Mitfinanzierung durch den Bund von verschiedenen Tramprojekten in Genf bereits bis 2045 vor. Auch in Basel sieht Weidmann grosse Vorteile in einem «raschen weiteren Ausbau des Tramnetzes». Damit könne auch die Zeit überbrückt werden, bis irgendwann allenfalls das Herzstück doch noch realisiert wird. Zu diesen Projekten gehören etwas das Tramprojekt Bachgraben oder die Margarethenverbindung.
Die vier Tram- und Stadtbahnprojekte in Zürich Nord und im Glattal, welche der Kanton zur Mitfinanzierung angemeldet hat, will Weidmann ebenfalls hoch priorisieren. Dazu gehören etwa die Tramtangente Nord in der Stadt Zürich oder die Verlängerung der Glattalbahn von Kloten nach Bassersdorf.
Das geplante Veloparking beim Bahnhof Luzern ist dem Verkehrs-Fachmann mit Kosten von über 50 Millionen Franken hingegen zu teuer. Hier empfiehlt er eine reduzierte Variante zur Umsetzung.
Ein Tram in der Stadt St.Gallen soll ebenfalls erst nach 2045 realisiert werden. Denkbar sei allenfalls eine erste Etappe mit einem Ast Stephanshorn zu einem früheren Zeitpunkt.