Die nimmer endenden Auswüchse der US-Geheimdienste erreichen einmal mehr die Schweiz: Die National Security Agency (NSA) soll neben dem Nachrichtenmagazin «Spiegel» auch das «Handelsblatt» und die NZZ abgehört haben. Dies meldet Bild am Sonntag in ihrer aktuellen Ausgabe.
Primäres Abhörziel sei allerdings kein Journalist, sondern ein hochrangiger deutscher Regierungsbeamter gewesen: Hans-Josef Vorbeck, vormals Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes (BND) und später Leiter der Geheimdienstabteilung im Kanzleramt. Er soll Medien Dienstgeheimnisse verraten haben.
Darin erkannten die US-Geheimdienste offenbar eine Gefahr. Der CIA-Chef in Berlin höchstpersönlich soll Vorbecks Vorgesetzten im Sommer 2011 bei einem konspirativen Spaziergang über dessen Kontakte zu den Medien unterrichtet haben. Vorbeck wurde wenig später versetzt.
In welchem Ausmass die NZZ von der Überwachung des deutschen Spitzenbeamten tangiert war, ist schwierig zu eruieren. «Zum gegenwärtigen Zeitpunkt unternehmen wir keine juristischen Schritte, da die Faktenlage nicht hinreichend klar ist», erklärt Sprecherin Myriam Käser gegenüber watson. «Eine Telekommunikationsüberwachung durch einen Nachrichtendienst ist ein Eingriff in die Medienfreiheit, was wir in jeder Form kategorisch ablehnen und scharf kritisieren.»
Als mögliche NSA-Abhör-Opfer drängen sich bei der Zeitung drei Namen auf: Die beiden damaligen Korrespondenten in Berlin, Ulrich Schmid und Matthias Benz, geben gegenüber watson an, Vorbeck nicht persönlich zu kennen. Inhaber des Geheimdienst-Dossiers bei der NZZ ist Eric Gujer, seit März dieses Jahres Chefredaktor und zuvor ebenfalls langjähriger Korrespondent in Berlin. Anfragen, ob er Vorbeck kennt, lässt Gujer bislang unbeantwortet.
Eine mögliche Verbindung ist die CSU-nahe Hans-Seidel-Stiftung in München. In einer ihrer Publikationen aus dem Jahr 2010 mit dem Titel «The Influence of Intelligence Services on Political Decision-Making» («Der Einfluss von Nachrichtendiensten auf die politische Entscheidungsfindung») tauchen sowohl Vorbeck als auch Gujer als Autoren auf.
Der Chefredaktor der renommierten Schweizer Tageszeitung gilt als Befürworter einer weitreichenden Überwachung durch Nachrichtendienste und hat NSA-Whistleblower Edward Snowden wiederholt als «Verräter» bezeichnet. (kri)