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Das neue Gesetz für den Geheimdienst vergrössert die Terrorgefahr in der Schweiz

Das Onyx-Überwachungssystem in Leuk (VS).
Das Onyx-Überwachungssystem in Leuk (VS).Bild: KEYSTONE
Experten warnen

Das neue Gesetz für den Geheimdienst vergrössert die Terrorgefahr in der Schweiz

Das neue Nachrichtendienstgesetz soll mehr Sicherheit bringen. Rechtsexperten befürchten jedoch eine gegenteilige Wirkung. In der Schweiz könnte geschehen, was anderswo schon oft geschah: Ein Terrorist steht zwar unter Beobachtung, wird aber nicht an der Tat gehindert. 
23.02.2015, 10:1723.02.2015, 13:11
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Wenn es im Ausland zu einem Terroranschlag kommt, obwohl Nachrichtendienste die Täter auf dem Radar hatten, wird dies nicht selten mit mangelnden Informationsflüssen zwischen Behörden erklärt. Aus Sicht der Kritiker steigt die Gefahr solcher Pannen mit dem neuen Gesetz.

Dies liegt daran, dass der Nachrichtendienst (NDB) künftig Telefongespräche abhören und in Computer eindringen darf. Heute dürfen nur die Strafverfolgungsbehörden Telefongespräche abhören, und zwar ausschliesslich bei der Verfolgung schwerer Straftaten.

Dass der NDB mehr Kompetenzen brauche, erklären die Befürworter des neuen Gesetzes am Beispiel von Dschihad-Rückkehrern. Diese müssten überwacht werden können. Allerdings ist das bereits heute möglich. Der Nachrichtendienst muss sich aber für die Telefonüberwachung an die Strafverfolgungsbehörden wenden, also an die Bundesanwaltschaft oder eine Staatsanwaltschaft.

Eingreifen oder abwarten?

Darf der Nachrichtendienst selber Telefongespräche abhören, ist folgendes Szenario denkbar: Der NDB hört die Gespräche eines Dschihad-Rückkehrers ab und stellt dabei fest, dass dieser einen Anschlag vorbereitet. Weil er mehr über die Hintermänner erfahren möchte, überwacht er die Person weiter, ohne die Strafverfolgungsbehörden zu informieren.

Wären die Strafverfolgungsbehörden involviert, würden sie je nach Lage sofort eingreifen, weil bei Delikten im Staatsschutzbereich bereits die Vorbereitungshandlungen strafbar sind. Denkbar ist auch, dass beide Behörden die Telefongespräche abhören und sich nicht einig sind, ob eingegriffen werden soll oder nicht.

Parlament soll Beratungen aussetzen

Vor solchen Szenarien warnt Staatsrechtsprofessor Rainer Schweizer. Dies sei eine «entscheidende Schwachstelle» des Gesetzes, sagte er auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda. Der Experte fordert, dass das Parlament die Beratungen aussetzt, bis das Problem dieser Schnittstelle gelöst ist.

Der mangelnde Informationsfluss zwischen den Behörden ist indes nicht die einzige Sorge der Staatsanwälte und Rechtsexperten. Für den St.Galler Staatsanwalt Thomas Hansjakob liegt das grösste Problem des neuen Gesetzes darin, dass die Erkenntnisse des Nachrichtendienstes in einem Strafprozess möglicherweise nicht verwendet werden dürften.

Wenig Widerstand im Parlament

Schweizer spricht in diesem Zusammenhang von einer grundlegenden Systemänderung. Der Nachrichtendienst sei künftig eine eigene Untersuchungsbehörde, «neben und vor den Staatsanwaltschaften». Und er habe weitergehende Kompetenzen als diese, da er vor einer strafbaren Handlung tätig werden könne.

Während Rechtsexperten das Gesetz heftig kritisieren, zeichnet sich im Parlament geringer Widerstand ab. Vor sechs Jahren war der Bundesrat mit beinahe identischen Vorschlägen noch am Widerstand von SVP, SP und Grünen gescheitert. Inzwischen sind die SVP und Teile der SP dafür. Entscheiden wird der Nationalrat im März. (whr/sda)

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