Leben
Kommentar

Insektensterben: Hört auf, von «Viechern» und «Schädlingen» zu sprechen

HANDOUT - 60. Ausgabe des prestigetraechtigsten Wettbewerbs fuer Naturfotografie - Wildlife Photographer of the Year - des Natural History Museum, London. Das Naturhistorische Museum Basel zeigt in de ...
Insekten sind unsichtbare Heldinnen.Bild: keystone
Kommentar

Hört auf, von «Viechern» und «Schädlingen» zu sprechen

Im Sommer fluchen viele über Wespen, ärgern sich über Ameisen oder rennen Fliegen hinterher. Doch die kleinen, einheimischen Tiere sind immer ein Segen – und nie ein Fluch.
28.06.2025, 20:5428.06.2025, 21:40
Mehr «Leben»

«Geh weg, du dummes Viech», hört man Menschen im Sommer regelmässig schimpfen.

«Viech» klingt fast noch harmlos verglichen mit dem, was man sonst über Tiere hört, die summen, krabbeln oder stechen: «Ungeziefer», «Schädlinge», «blutrünstige Biester», «nutzlose Drecksviecher».

Doch genauso wenig wie andere Tiere verdienen auch die kleinsten, vielleicht nicht so flauschigen Lebewesen es nicht, beschimpft oder gar bekämpft zu werden.

Sprache formt unsere Beziehung zu Tieren

Wie wir über andere Lebewesen sprechen, hat einen grossen Einfluss auf unseren Umgang mit Tieren. Das Wort «Haustier» drückt Fürsorge und Liebe aus, ein «Schädling» hingegen legitimiert Tötung und «Vieh» reduziert ein Tier auf eine reine Nutzung.

Sprache prägt, wie wir die Welt um uns herum sehen. Sie kann Empathie verhindern und ermöglicht Gleichgültigkeit – manchmal sogar Grausamkeit.

Als Beispiel: Haie sind besonders in den 70ern durch die Popkultur als «Menschenfresser» dämonisiert worden. Der angstschürenden Propaganda sind Millionen Haie zum Opfer gefallen – obwohl die Tiere für Menschen kaum gefährlich und für das Gleichgewicht der Ozeane enorm wichtig sind.

Den Wölfen widerfuhr ein ähnliches Schicksal: In Märchen werden sie oft als blutrünstig dargestellt. Dieses negative Bild führte in Europa über Jahrzehnte zur systematischen Ausrottung.

Aber zurück zu den kleinen Lebewesen, die wir vorschnell als «Schädlinge» oder «Plage» sehen. Denn sie sind genauso schützenswert wie alle anderen Lebewesen.

Eine Biene auf einer Bluete einer bluehenden japanischen Kirsche, am Freitag, 15. Maerz 2024 in Zuerich. (KEYSTONE/Michael Buholzer)
Bienen sind keine Nervensägen, sondern Bestäubungsköniginnen.Bild: keystone

Statt sie zu bekämpfen, sollten wir sie als das sehen, was sie sind: kleine Heldinnen und Helden, die mit ihren kleinen Fühlern, Beinchen oder Flügeln unverzichtbare Aufgaben fürs Ökosystem leisten. Bienen sichern unsere Ernährung, Ameisen reinigen die Böden, Fliegen und Würmer zersetzen organische Stoffe. Aufgaben, die so komplex sind, dass wir sie nicht einfach ersetzen können.

Und am Ende profitieren wir (und ganz viele andere Lebewesen) von den Früchten ihrer Arbeit – mit knackigem Gemüse, süssen Obst, gesunden Böden.

Indem wir Insekten und Co. beseitigen, sägen wir also eigentlich nur am Ast, auf dem wir selbst sitzen.

Verbundenheit statt Speziesismus

Wir feiern unsere eigene Anpassungsfähigkeit, doch bei anderen Lebewesen reagieren wir mit Ablehnung oder Feindseligkeit. Während viele Schwäne und Enten süss finden, zucken wir bei Tauben, Ratten oder Insekten zusammen. Doch eigentlich sollten wir auch ihre Überlebenskünste schätzen.

Letztendlich findet immer irgendwer ein Tier lästig, unnötig oder störend. Ich kann mir gut vorstellen, dass auch beliebte Tiere wie Elefanten oder Erdmännchen nicht immer angenehm sind.

Wenn wir uns also mehr daran erinnern, dass wir alle Teil eines grossen Ganzen sind – und dass alle Lebewesen eine Daseinsberechtigung haben –, nerven wir uns vielleicht etwas weniger über die einquartierte Spinne oder die Wespe, die in die Bratwurst beisst.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Die schönsten und kuriosesten Raupen der Welt
1 / 22
Die schönsten und kuriosesten Raupen der Welt
Raupe von Calcarifera ordinata (engl. «Wattle Cup Caterpillar»). Die Raupe ist in grossen Teilen von Nordaustralien anzutreffen.Bild: Imgur
quelle: imgur
Auf Facebook teilenAuf X teilen
So reden Honigbienen miteinander, wenn Hornissen sie attackieren
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
85 Kommentare
Dein Kommentar
YouTube Link
0 / 600
Hier gehts zu den Kommentarregeln.
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Hans Doe
28.06.2025 21:05registriert Juni 2018
Bezüglich den einheimischen Insektenarten bin ich ganz beim Artikel. Doch der Artikel differenziert leider nicht. Denn die Invasiven Tierarten (Japankäfer, Tigermücken, etc.) sollten bekämpft werden. Oder wir akzeptieren einfach, dass die einheimischen Tierarten verdrängt werden. Meiner Meinung nach eine schlecht Option.
645
Melden
Zum Kommentar
avatar
Reli
28.06.2025 21:38registriert Februar 2014
Wenn eine Mücke mich mit ihrem Sirren am Einschlafen hindert, überlebt sie das in aller Regel nicht. Bin halt nicht der Dalai Lama, der scheinbar diese Tierlein höflich bittet, ihn nicht zu stechen. Mit sehr überschaubarem Erfolg, wie er selber zugibt.
533
Melden
Zum Kommentar
avatar
R. J.
28.06.2025 21:45registriert September 2019
Auf meiner Terrasse blühen 8m lavendel. Bienen, Hummeln, Schmetterlinge, Taubenschwänzchen. Ich finds toll.
274
Melden
Zum Kommentar
85
Hört auf, von «Viechern» und «Schädlingen» zu sprechen
Im Sommer fluchen viele über Wespen, ärgern sich über Ameisen oder rennen Fliegen hinterher. Doch die kleinen, einheimischen Tiere sind immer ein Segen – und nie ein Fluch.

«Geh weg, du dummes Viech», hört man Menschen im Sommer regelmässig schimpfen.

Zur Story