«Geh weg, du dummes Viech», hört man Menschen im Sommer regelmässig schimpfen.
«Viech» klingt fast noch harmlos verglichen mit dem, was man sonst über Tiere hört, die summen, krabbeln oder stechen: «Ungeziefer», «Schädlinge», «blutrünstige Biester», «nutzlose Drecksviecher».
Doch genauso wenig wie andere Tiere verdienen auch die kleinsten, vielleicht nicht so flauschigen Lebewesen es nicht, beschimpft oder gar bekämpft zu werden.
Wie wir über andere Lebewesen sprechen, hat einen grossen Einfluss auf unseren Umgang mit Tieren. Das Wort «Haustier» drückt Fürsorge und Liebe aus, ein «Schädling» hingegen legitimiert Tötung und «Vieh» reduziert ein Tier auf eine reine Nutzung.
Sprache prägt, wie wir die Welt um uns herum sehen. Sie kann Empathie verhindern und ermöglicht Gleichgültigkeit – manchmal sogar Grausamkeit.
Als Beispiel: Haie sind besonders in den 70ern durch die Popkultur als «Menschenfresser» dämonisiert worden. Der angstschürenden Propaganda sind Millionen Haie zum Opfer gefallen – obwohl die Tiere für Menschen kaum gefährlich und für das Gleichgewicht der Ozeane enorm wichtig sind.
Den Wölfen widerfuhr ein ähnliches Schicksal: In Märchen werden sie oft als blutrünstig dargestellt. Dieses negative Bild führte in Europa über Jahrzehnte zur systematischen Ausrottung.
Aber zurück zu den kleinen Lebewesen, die wir vorschnell als «Schädlinge» oder «Plage» sehen. Denn sie sind genauso schützenswert wie alle anderen Lebewesen.
Statt sie zu bekämpfen, sollten wir sie als das sehen, was sie sind: kleine Heldinnen und Helden, die mit ihren kleinen Fühlern, Beinchen oder Flügeln unverzichtbare Aufgaben fürs Ökosystem leisten. Bienen sichern unsere Ernährung, Ameisen reinigen die Böden, Fliegen und Würmer zersetzen organische Stoffe. Aufgaben, die so komplex sind, dass wir sie nicht einfach ersetzen können.
Und am Ende profitieren wir (und ganz viele andere Lebewesen) von den Früchten ihrer Arbeit – mit knackigem Gemüse, süssen Obst, gesunden Böden.
Indem wir Insekten und Co. beseitigen, sägen wir also eigentlich nur am Ast, auf dem wir selbst sitzen.
Wir feiern unsere eigene Anpassungsfähigkeit, doch bei anderen Lebewesen reagieren wir mit Ablehnung oder Feindseligkeit. Während viele Schwäne und Enten süss finden, zucken wir bei Tauben, Ratten oder Insekten zusammen. Doch eigentlich sollten wir auch ihre Überlebenskünste schätzen.
Letztendlich findet immer irgendwer ein Tier lästig, unnötig oder störend. Ich kann mir gut vorstellen, dass auch beliebte Tiere wie Elefanten oder Erdmännchen nicht immer angenehm sind.
Wenn wir uns also mehr daran erinnern, dass wir alle Teil eines grossen Ganzen sind – und dass alle Lebewesen eine Daseinsberechtigung haben –, nerven wir uns vielleicht etwas weniger über die einquartierte Spinne oder die Wespe, die in die Bratwurst beisst.