Bern will wachsen. Hat aber ein Problem: Die Zahl der Einwohnerinnen und Einwohner der Bundesstadt war bis zur Pandemie zwar wie geplant stetig leicht gestiegen. Doch dann haben unerwartet viele Bernerinnen und Berner ihrer Stadt auf einmal wieder den Rücken gekehrt.
Damit ist Bern kein Einzelfall. In den ersten eineinhalb Pandemiejahren sind nämlich auch viele andere zuvor boomende grosse Schweizer Städte geschrumpft, etwa Lausanne und Genf. Oder diese sind zumindest deutlich weniger stark gewachsen als das gesamte Land.
Nun zeigen neueste Zahlen vom vergangenen Jahr: Mit dem Abflachen der Pandemie gewinnt auch das Bevölkerungswachstum in den Zentren wieder an Fahrt. Und das nicht nur in Bern oder St.Gallen dank Schutzsuchenden aus der Ukraine, sondern in allen grossen Städten, wie eine Auswertung von CH Media zeigt:
Aus Luzern liegen derzeit zwar noch keine Zahlen vor. Allerdings war die Einwohnerzahl in der grössten Stadt der Zentralschweiz sogar im zweiten Pandemiejahr leicht angestiegen. Und das bereits zum vierten Mal in Folge.
Zum Vergleich: Über das ganze Land gesehen, dürfte die Bevölkerung inklusive des nichtständigen Teils – also etwa der Schutzsuchenden aus der Ukraine mit dem Status S – um wohl etwa 1.6 Prozent auf über 8.9 Millionen angewachsen sein. Von letzteren kamen dieses Jahr bis Oktober 64'000 in die Schweiz.
Blickt man nun aber gleich drei Jahre zurück, zeigt sich, dass ausser in Genf inzwischen in allen grossen Städten der Schweiz wieder mehr Menschen wohnen als vor dem Ausbruch der Coronapandemie:
Mit Ausnahme von Winterthur sind die grossen Schweizer Städte in den letzten Jahren allerdings weniger stark gewachsen als der Rest des Landes. Eine Analyse der NZZ zeigte kürzlich auf, dass das grösste Bevölkerungswachstum in Gemeinden in den Agglomerationen am Genfer-, Zürich- und Zugersee stattgefunden hat.
Sogenannte «periurbane Gemeinden», die geografisch an Agglomerationen angrenzen, sind in den letzten Jahren ebenfalls deutlich stärker gewachsen als die grossen Städte. Sie sind ländlich geprägt, aber gut erschlossen – und vor allem sind Wohnungen dort noch zu erschwinglicheren Preisen zu haben.
Auch in den nächsten Jahren dürften Agglomerationsgemeinden in den Boomregionen rund um Genfer-, Zürich- und Zugersee sowie die «periurbanen Gemeinden» wohl dynamischer unterwegs sein. Die Gründe dafür sind vielfältig:
Genf wiederum ist ein Spezialfall: Die mit Abstand dichteste Grossstadt hat nur noch wenige freie Flächen – und litt während der Coronapandemie besonders darunter, dass die Mitarbeitenden der internationalen Organisationen der Stadt den Rücken kehrten. Zuvor hatte die Stadt allerdings jahrelang ein sehr starkes Wachstum zu verzeichnen.
Einigermassen Schritt halten mit dem Bevölkerungswachstum konnte zuletzt Zürich, wo im zweiten Coronajahr fast 2000 neue Wohnungen auf den Markt kamen.
Doch zurück nach Bern. Dass die Stadt vergangenes Jahr leicht gewachsen ist und inzwischen 144’447 Einwohnerinnen und Einwohner zählt, ist nicht auf Herr und Frau Schweizer zurückzuführen. Deren Anteil hat nämlich um 0.2 Prozentpunkte abgenommen – der zweite Rückgang seit 2004, wie die Stadt am Donnerstag in einer Mitteilung schreibt.
Vielmehr ist der Anteil der Ausländerinnen und Ausländer in Bern um 4.5 auf 24.5 Prozent angewachsen. Hauptgrund dafür sind Schutzsuchende aus der Ukraine mit aktuell 1183 registrierten Personen (+663 Prozent gegenüber dem Vorjahr). Diese stellen in der Bundesstadt neu die fünftgrösste Bevölkerungsgruppe. Auch die Stadt St.Gallen begründete kürzlich ihr Wachstum auf 81'615 Einwohnerinnen und Einwohner mit der verstärkten Zuwanderung sowie der Aufnahme Schutzbedürftiger aus der Ukraine.
Trotz dieser Trendumkehr hat Bern allerdings auch im vergangenen Jahr die eigene Bevölkerungsprognose knapp verfehlt. Vor vier Jahren hatte sich die Stadt nämlich im tiefsten Szenario zum Ziel gesetzt, bis Ende 2022 auf mindestens 144'893 Einwohnerinnen und Einwohner anzuwachsen.
(aargauerzeitung.ch)
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