Die SRG sieht sich bedroht. 2018 fiel die «No-Billag-Initiative» an den Urnen klar durch – nun bereitet die SVP eine Volksinitiative vor, die eine Senkung der Haushaltabgabe von 335 auf 200 Franken vorsieht. Ein Ja würde ein Abwrackprogramm bedeuten, sagt man in der SRG. Die Existenz des Service public in Radio und Fernsehen stehe auf dem Spiel.
Der öffentliche Rundfunk wurde früher als gegeben erachtet; heute muss er um seine Anliegen kämpfen. Wer ist da involviert? Auf welches Netzwerk kann die SRG zurückgreifen?
Das politische Lobbying in Bundesbern liegt vor allem bei Martina Vieli. Sie gehört zur erweiterten Geschäftsleitung der SRG und hat im Parlament einen guten Ruf, weil sie gut dokumentiert, aber weniger aufdringlich sei als andere Lobbyisten.
Ein externes Mandat hat die PR-Beraterin Nicole Beutler. Sie verliess Ende vergangenen Jahres den Platzhirsch Furrerhugi und gründete ein eigenes Unternehmen. Einen Online-Auftritt hat es noch nicht – was damit zusammenhängt, dass Beutler ausgelastet ist, zum Beispiel mit Mandaten von Organisationen, die sich für den Naturschutz einsetzen.
Beutler lobbyiert nicht für die SRG; sie ist als Beraterin im Hintergrund tätig und betreibt «Umfeldmonitoring»: Sie erfasst die politischen Vorstösse, welche die SRG betreffen.
Der Verwaltungsratspräsident von Beutlers PR-Agentur ist Lorenz Hess, auch er PR-Berater – und Nationalrat. Im Parlament heisst es, dass sich der Mitte-Politiker der heiklen Konstellation bewusst sei und nicht mit Engagement für die SRG auffalle.
Die Mitte-Partei ist der Radio- und Fernsehgesellschaft schon lange zugeneigt. Die SRG ist eine Auslaufzone für vormalige CVP-Funktionsträger. Verwaltungsratspräsident Jean-Michel Cina, ehemaliger CVP-Fraktionschef und Walliser Staatsrat, versucht gelegentlich, auf seine Fraktion einzuwirken. Dort sitzt Nationalrat Martin Candinas. Er gilt als der Parlamentarier, der sich am stärksten für die SRG einsetzt.
Candinas ist Rätoromane und sagt, ohne die SRG gäbe es in Ton und Bild nichts für die 60000 Menschen, die der kleinsten Schweizer Sprachgemeinschaft angehören. Das öffentliche Medienunternehmen übernehme auch eine zentrale Funktion in der direkten Demokratie.
Die Unterstützung der Mitte für die SRG wird von einem prominenten Exponenten untergraben: Parteipräsident Gerhard Pfister hält das öffentliche Medienhaus für zu gross, für selbstgefällig und schlecht organisiert. Pfister lässt keine Gelegenheit aus, die SRG zu kritisieren.
Trotzdem stellen die meisten Exponenten der Mitte den Rundfunk ebenso wenig in Frage wie das linke Lager. Die grösste sozialdemokratische Stütze ist Bundesrätin Simonetta Sommaruga.
Die Medienministerin erhöhte den Gebührenplafond der SRG von 1.2 auf 1.25 Milliarden Franken. Sie tat das im Frühling 2020, als die ganze Welt mit dem Ausbruch der Coronakrise beschäftig war. Und als SRG-Generaldirektor Gilles Marchand wegen Fällen von sexueller Belästigung beim Westschweizer Fernsehen unter Druck geriet, kritisierte Sommaruga die SRG zwar, sie liess Marchand aber nicht fallen.
Unter den sozialdemokratischen Parlamentariern ist Nationalrätin Edith Graf-Litscher die auffälligste Apologetin des Rundfunks. Auch Nationalrat Matthias Aebischer verteidigt seinen vormaligen Arbeitgeber. Dem Medienexperten fällt aber auch schneller als seinen Parlamentskollegen auf, wenn bei Radio und Fernsehen etwas schief läuft. Aebischer hält sich zurück mit öffentlich geäusserter Kritik.
Die Linke und die Mitte sind im Boot – fehlt noch die FDP. Im Hinblick auf die 200-Franken-Abstimmung lautet die Strategie der SRG: Die SVP muss möglichst isoliert werden.
Eine wichtige Rolle spielen hier der Politberater Mark Balsiger und der vormalige Zuger FDP-Ständerat Joachim Eder. Balsiger rief die Allianz «Pro Medienvielfalt» ins Leben, kaum hatte die SVP ihre Volksinitiative angekündigt. Eder ist Co-Präsident der Allianz – und bemüht sich nun darum, freisinnige Parteikollegen für das Anliegen zu gewinnen.
Leichtes Spiel hatte er bei Ständerat Josef Dittli und bei Nationalrat Kurt Fluri. Die beiden gelten als die Deutschschweizer FDP-Parlamentarier mit der grössten Affinität zur SRG. Inzwischen sind auch Ständerat Damian Müller, Nationalrätin Anna Giacometti und Nationalrätin Patricia von Falkenstein von den Liberaldemokraten bei der Allianz – sowie eine ganze Reihe freisinniger Politikern aus der Westschweiz und dem Tessin, wo die SRG weniger umstritten ist als im deutschsprachigen Landesteil.
Beim Unterfangen, die FDP einzubinden in die Abwehr der 200-Franken-Initiative, ist auch Ursula Gut-Winterberger aktiv, die vormalige Zürcher FDP-Regierungsrätin und heutige SRG-Verwaltungsrätin. Es sollen sich so wenige Freisinnige wie möglich zum vormaligen FDP-Nationalrat Hans-Ulrich Bigler und dem Präsidenten der Jungfreisinnigen, Matthias Müller, gesellen. Beide kämpfen an der Seite der SVP für eine tiefere Haushaltabgabe.
Ist die SRG gut aufgestellt? Es geht so. Die Zahl ihrer Fürsprecher war in früheren Zeiten grösser. Und der Rundfunk sorgt immer wieder für negative Schlagzeilen. Als zum Beispiel bekannt wurde, dass in der SRG-Geschäftsleitung die variablen Lohnbestandteile künftig zum Fixlohn geschlagen werden, war der Unmut auch unter den Unterstützern der SRG gross. Es brauchte manche Gespräche, um die Gemüter zu beruhigen. (aargauerzeitung.ch)