Die Bekämpfung von islamischem Extremismus ist nach Ansicht des Präsidenten der Föderation Islamischer Dachorganisationen Schweiz nicht nur eine Aufgabe der gemässigten Muslime, sondern auch des Staates. Montassar BenMrad zieht Parallelen zu anderen Extremisten.
Ähnlich wie «bei Hooligans und gewalttätigen links- und rechtsextremen Gruppen, die auch versuchen, Jugendliche zu verführen», habe der Staat auch bei der Bekämpfung des islamischen Extremismus eine Aufgabe, sagte BenMrad im Interview mit der «Neuen Zürcher Zeitung» vom Mittwoch.
Muslimische Verbände und Moscheevereine leisteten Jugendarbeit, um zu verhindern, dass junge Menschen von radikalen Gruppen manipuliert werden, sagte er weiter. «Aber wenn sich jemand bewusst von der Gemeinschaft abkapselt, ist es schwierig, einen Zugang zu finden.»
Der Waadtländer mit tunesischen Wurzeln, der im vergangenen Sommer Präsident der Föderation wurde, ruft dazu auf, die «Relationen zu wahren». «Pro Jahr ziehen in der Schweiz 1.5 Personen pro 100'000 Muslime in den Krieg nach Syrien oder in den Irak», sagte er. Jeder sei zwar einer zu viel, doch die Gesamtgesellschaft habe wohl einen grösseren Anteil an Geisteskranken.
BenMrad warnt auch davor, nun «die Muslime zu stigmatisieren». Das könne dazu führen, dass sich ein Teil der Jugendlichen erst recht von der Gesellschaft ausgegrenzt fühle und sich deshalb radikalisiere. «Wer nun aus politischem Kalkül vor einer muslimischen fünften Kolonne warnt, spielt mit dem Feuer.»
Auf die Frage, ob Anschläge wie in Paris auch in der Schweiz passieren könnten, sagte BenMrad, es bestehe zwar immer ein Risiko. «Aber die Schweiz und Frankreich unterscheiden sich grundlegend.»
Er verweist darauf, dass die Schweiz keine koloniale Vergangenheit hat und nicht in Kriege mit muslimischen Ländern verwickelt ist. Ausserdem hätten muslimische Jugendliche in der Schweiz eine Perspektive: «Die Integration funktioniert hier deutlich besser.»
Die Föderation Islamischer Dachorganisationen Schweiz (FIDS) hat die Anschläge von Paris als «abscheuliche und feige terroristische Attacken und Verbrechen gegen die Menschlichkeit» aufs Schärfste verurteilt. (dwi/sda)
Weltweit gab es seit 1970 über 156'000 Terroranschläge. In der Schweiz ist seit 20 Jahren niemand mehr einem Attentat zum Opfer gefallen. Doch in den 70er- bis 90er-Jahren ermordeten Terrorgruppen teils Hunderte Menschen jährlich in Westeuropa. Eine Übersicht von 1970 bis Manchester 2017.
Zusammenfassung: In den 70er- bis 90er-Jahren töteten meist europäische Terrorzellen jährlich 100 bis 400 Menschen in Europa. Seit der Jahrtausendwende nehmen die Attentate in Westeuropa und in der Schweiz stark ab. Von 2001 bis 2015 entfielen nur 0,3 Prozent der Terroropfer auf Westeuropa. Hauptsächlich aufgrund der Attentate in Paris und Nizza stieg die Opferzahl zuletzt wieder auf rund 150 Menschen pro Jahr, sprich auf das Niveau der 80er-Jahre. Weltweit nimmt der Terrorismus seit 2005 zu …