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Coronavirus: Task-Force-Chef hält Lockerungsschritte für verfrüht

Task-Force-Chef hält Corona-Lockerungsschritte für verfrüht

21.06.2020, 07:3121.06.2020, 13:52
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Wissenschaftler und Kantonsärzte halten die vom Bundesrat am letzten Freitag beschlossenen Lockerungen im Zuge der Corona-Pandemie für verfrüht. Die Öffnung sei zu gewagt, sagte Matthias Egger, Leiter der Covid-19-Task-Force des Bundes.

Die Schweiz sei für die jüngsten Lockerungen noch nicht bereit. Es fehle nach wie vor an einem funktionierenden Überwachungssystem für die ganze Schweiz, sagte Egger in Interviews mit der «NZZ am Sonntag», der «Sonntagszeitung» und dem «SonntagsBlick».

Matthias Egger, Leiter der Covid-19-Taskforce des Bundes, ruft die Bev
Matthias Egger.Bild: KEYSTONE

Zudem sei unklar, wie gut das Contact-Tracing etabliert sei. Aus wissenschaftlicher Sicht berge die Lockerung ein hohes Risiko, dass die Situation entgleise, wenn die Ansteckungen wieder zunähmen.

Der Bundesrat hatte am Freitag beschlossen, dass die Polizeistunde fällt, der Mindestabstand von 2 auf 1,5 Meter verkleinert wird und Veranstaltungen bis tausend Personen wieder erlaubt sind.

Wiederanstieg der Fallzahlen

Der bisherige Verlauf der Epidemie sei sehr erfreulich, sagte Egger. Es sei gelungen, die Anzahl Fälle deutlich zu reduzieren. In den letzten zwei Wochen seien die Fallzahlen aber wieder gestiegen. Die Reproduktionszahl liege wahrscheinlich wieder bei 1 oder darüber.

Es bestehe die Gefahr, dass die Fälle in nächster Zeit wieder deutlich zunähmen. In dieser unsicheren Situation halte die Task Force Wissenschaft die weiteren Lockerungsschritte für verfrüht.

People enjoy the sunny weather after the reopening of the Lido di Lugano seaside resort and open-air swimming pool will reopen on Saturday, 20 June 2020, after the coronavirus crisis, in Lugano, Switz ...
Badespass in der Schweiz ist wieder uneingeschränkt möglich.Bild: keystone

Der jüngste Anstieg bei den Fallzahlen und der Reproduktionszahl sei wohl auf die Lockerungen vom 11. Mai zurückzuführen. Die Auswirkungen der Lockerungen vom 28. Mai, 6. Juni und 15. Juni seien noch unklar. Die begleitenden Massnahmen zur Bewältigung eines Wiederanstiegs der Fälle seien noch nicht vollständig umgesetzt.

Kantone sind gefordert

Damit spricht Egger das Zusammenspiel von Testen, Tracing und Quarantäne in den Kantonen an sowie die umfangreiche Datenerfassung, die es ermöglicht, die Epidemie praktisch in Echtzeit zu verfolgen. «Wir müssen wissen, wo genau die Fälle auftreten und ob sie mit anderen Fällen verknüpft werden können.»

Die Testkapazitäten seien vorhanden, und in den letzten Tagen sei sehr viel getestet worden. Wichtig sei in Zukunft, bei Risikolagen schnell und breit zu testen, um die Übertragungsketten zu entdecken und zu unterbrechen. Bestehe der Verdacht, dass ein Hotspot vorliegen könnte, sollten nicht nur die engeren Kontakte von Infizierten, sondern das ganze Umfeld getestet werden.

Stellung nahm Egger auch zur Diskussion über die Einführung einer Maskenpflicht. «Mit den neuen Lockerungen sind wir wohl bald am Punkt angekommen, an dem eine breite Maskenpflicht eingeführt werden muss», sagte der Leiter der Task Force weiter. (sda)

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12 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Wetterleuchten
21.06.2020 10:32registriert Juni 2019
Der BR hat sich das Heft aus der Hand nehmen lassen, bzw. wurde angesichts der Entwicklung dazu gezwungen. Ich muss aufgrund von einfacher Logik davon ausgehen, dass sich die Covid-Liberalen noch die Augen reiben könnten, nach soviel Ignoranz. Ich frage mich jetzt schon, wem dann die Schuld zugeschoben wird. Wir leben jetzt das Schweden-Modell und die Kantone sind nicht mal alle wirklich für das Contact-Tracing bereit. Aber wehe, wehe, wenn ich auf das Ende sehe, scheint da nicht unbegründet.
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Trasher2
21.06.2020 11:00registriert März 2016
Bei den ganzen Corona Lockerungen der letzten Woche hatte ich den Eindruck, dass es nach dem Motto geht, „wer am lautesten grännet und wer die grösste Lobby hat, dem werden Zugeständnisse gemacht“.

Es macht den Eindruck, dass das „höchste Gut“ welches regelmässig in Umfragen genannt wird (Die Gesundheit), unseren Volksvertreter weniger wichtig ist, als dass die (ihre) Geschäfte wieder wie gewohnt brummen.
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Bravo
21.06.2020 09:57registriert Juli 2018
Gestern zum ersten Mal seit langer Zeit Zug gefahren. Mit Maske. Wer begrüsst mich am Bahnhof auf dem Plakat. Dieser Salathé, aber tatsächlich ohne Maske. Ein Witz?
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«Erster wirklicher Stresstest für die Schuldenbremse»: Ökonom ordnet drohendes Defizit ein
Beim Bund drohen Defizite von bis zu vier Milliarden Franken. Wie schlimm ist das? Und wie hat man in der Vergangenheit darauf reagiert? Ökonom Thomas M. Studer, der zur Geschichte der Bundesfinanzen seine Dissertation verfasst hat, gibt Auskunft.

Jahrelang schrieb der Bund Überschüsse. Jetzt drohen Defizite in Milliardenhöhe. Verglichen mit früher: Wie schlecht steht es um die Bundesfinanzen?
Thomas M. Studer:
Um das vergleichen zu können, stellt man das Defizit ins Verhältnis zum Bruttoinlandprodukt (BIP). Bei jährlichen strukturellen Defiziten von 2 bis 4 Milliarden Franken, wie sie der Bund erwartet, sind das gemessen am aktuellen BIP rund 0,25 bis 0,5 Prozent. In der Schuldenkrise der 1970er-Jahre waren es bis zu 0,9 Prozent, in den 1990er-Jahren sogar bis 2 Prozent. So schlimm ist es heute noch nicht. Was die Geschichte aber zeigt: Es ist schwierig, aus einer Defizitphase herauszukommen, wenn man mal drin ist.​

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