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Fall Laeri: Weitere Übergriffe beim SRF gemeldet

Patrizia Laeri machte einen Übergriff publik, daraufhin meldeten sich Frauen, die ähnliche Erfahrungen gemacht hatten.
Patrizia Laeri machte einen Übergriff publik, daraufhin meldeten sich Frauen, die ähnliche Erfahrungen gemacht hatten.Bild: adrian bretscher

Nach Patrizia Laeris Anschuldigungen wurden jetzt weitere Übergriffe beim SRF gemeldet

Patrizia Laeri hat einen Übergriff beim SRF publik gemacht. Daraufhin haben sich mehrere SRF-Mitarbeitende mit eigenen Erlebnissen bei der Mediengewerkschaft SSM gemeldet. Darunter Fälle «von nicht tolerierbarem Verhalten».
10.02.2023, 11:4010.02.2023, 13:13
Elena Lynch
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Anfang der Woche machte die Wirtschaftsjournalistin Patrizia Laeri von elleXX einen Übergriff publik, den sie bei SRF vor 20 Jahren als Praktikantin erlebt haben soll. Der namentlich nicht erwähnte Redaktor ist offenbar immer noch bei SRF und mittlerweile in einer Leitungsfunktion. Laut Laeri soll er nach ihr mindestens eine weitere Praktikantin belästigt haben.

Das SRF hat daraufhin mit Laeri gesprochen und eine Untersuchung eingeleitet. Wie Gerhard Bayard, Leiter HR & Change beim SRF, in einer Mail an watson mitteilt, würden die von Laeri geschilderten Vorfälle jetzt gemäss einem klar definierten Prozess aufgearbeitet. «Im Sinne einer sorgfältigen und gewissenhaften Abklärung sowie aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes kann SRF diesen Prozess nicht weiter kommentieren.»

«Wir werden genau hinschauen»

Offenbar haben sich seither mehrere SRF-Mitarbeitende beim Schweizer Syndikat Medienschaffender (SSM) mit eigenen Erlebnissen gemeldet, wie dieses auf Anfrage gegenüber watson bestätigt.

Es lägen Fälle von nicht tolerierbarem Verhalten vor. Wie viele Personen sich gemeldet und was sie geschildert hätten, dazu könne das SSM aus Vertraulichkeitsgründen keine Angaben machen.

Das SSM hält fest: «Wir werden genau hinschauen, ob entsprechende Konsequenzen gezogen werden. Wichtig ist für uns, dass es eine Untersuchung dazu gibt, warum die Fälle bislang nicht ans HR gelangten, oder falls doch, warum keine Konsequenzen gezogen wurden.»

Grundsätzlich würden Belästigungen oft von Vorgesetzten gegenüber unterstellten Mitarbeitenden geschehen, heisst es weiter. Es gehe dann also auch um Machtmissbrauch. Das Vertrauen der Mitarbeitenden in die Führungsetage sei dann gering, da ein solches Verhalten teilweise indirekt toleriert werde.

Es müsse sich darum grundlegend etwas an der Führungs- und Unternehmenskultur ändern, damit ein solcher Machtmissbrauch nicht mehr möglich sei und das Vertrauen wiederhergestellt werden könne.

Bisherige Massnahmen reichen möglicherweise nicht

Die Fälle würden einmal mehr zeigen, wie wichtig ein entsprechendes Dispositiv zum Schutz der persönlichen Integrität sei, so das SSM. Es zeige sich aber auch, dass noch mehr getan werden müsse. Die ihnen bekannten Fälle zeigten, so das SSM, dass die bisherigen Massnahmen möglicherweise nicht reichen. Ähnlich wie bei den Fällen beim RTS werde klar: «Entsprechende Meldestellen zu haben ist wichtig, aber es muss sich auch die Führungs- und Unternehmenskultur ändern, damit Nulltoleranz umgesetzt werden kann.»

2020 hatte die Westschweizer Zeitung «Le Temps» unter Berufung auf anonyme Quellen enthüllt, dass es innerhalb von RTS während Jahren zu Mobbing und sexueller Belästigung gekommen sei. Die Befragten berichteten in der Recherche von offener Belästigung, ungewollten Küssen, anzüglichen Kommentaren und systematischem Machtmissbrauch.

Nach den Belästigungsvorfällen beim RTS hat das SSM mit der SRG unter anderem das Reglement zum Schutz der persönlichen Integrität ausgehandelt und nebst verschiedenen anderen Massnahmen wurden externe Vertrauenspersonen eingesetzt.

Das SSM vertritt festangestellte und freischaffende Medienschaffende im elektronischen Medienbereich bei Radio, TV und Online. Als Sozialpartner der SRG ist das SSM zuständig für die Verhandlung und Überprüfung der Arbeitsbedingungen sämtlicher Mitarbeitenden der SRG. In dieser Rolle berät die Gewerkschaft Mitarbeitende und bringt ihre Anliegen vor die SRG.

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62 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Ein Schelm wer böses denkt
10.02.2023 16:43registriert Januar 2023
Frau Roshani hat einen Stein ins Rollen gebracht, Frau Laeri wurde angeschubst durch diesen, scheint als würde sich das zu einer veritablen Lawine entwickeln, und das wäre gut so
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