Schweiz
Gesellschaft & Politik

Warum sich umziehen für Lottogewinner künftig nicht mehr lohnt

Glückspilze im Pech: Warum sich umziehen für Lottogewinner künftig nicht mehr lohnt

Lotto im (Nationalrats-)Säli: Die grosse Kammer hat entschieden, dass sich Zügeln für weniger Steuern bald nicht mehr lohnt. Auch wenn einige Parlamentarier einen Mehraufwand für die Kantone fürchten.
06.03.2024, 20:48
Michael Graber, Samuel Thomi / ch media
Mehr «Schweiz»

64,5 Millionen Franken. So viel hat ein Glückspilz vergangene Woche im Lotto gewonnen. Woher der Gewinner oder die Gewinnerin stammt, verrät Swisslos nicht. Einzig folgendes ist der Lotto-Betreiberin zu entlocken: «Der Spielschein mit dem richtigen Tipp wurde bereits am Montag, den 26. Februar 2024 abgegeben. Der Spielschein umfasste zwei Tipps und wurde gleich für zwei Ziehungen abgegeben», wie Swisslos auf Anfrage von CH Media schreibt.

Ein Lottostand im Dorfzentrum von Buochs im Kanton Nidwalden am Samstag, 2. Maerz 2024 informiert ueber die Hauptgewinnsumme im Swiss Lotto von Swisslos, bei welchem fuer die Ausgabe vom Samstag, 2. M ...
Nach dem Rekordgewinn im Lotto von vergangener Woche hat sich nun auch der Nationalrat mit dem Thema befasst.Bild: keystone

Dabei wäre der Wohnort besonders relevant. Je nach Gemeinde und Kanton, fällt der effektive Gewinn höher oder tiefer aus. Sprich: Der Teil, der als Steuer wegfliesst, ist unterschiedlich gross. Und so verlegen Glückspilze oft nach ihrem Gewinn den Wohnsitz in eine steuergünstigere Gemeinde. Relevant ist in der Schweiz, wo man am 31. Dezember des auslaufenden Jahres seine Zelte aufgeschlagen hat.

Und Umziehen lohnt sich derzeit tatsächlich: So würde man bei einem Umzug von Genf in den jurassischen Hauptort Delémont bei einem Gewinn von über 60 Millionen Franken mehr als 10 Millionen Franken weniger an Steuern entrichten. Also mehr im Portemonnaie haben.

Nur eine knappe Mehrheit für den Vorstoss

Ewig können Lottogewinner aber nicht mehr ihre Steuern optimieren. Nach dem Ständerat hat am Mittwoch auch der Nationalrat mit 96 zu 88 Stimmen eine Motion von alt Ständerat Roberto Zanetti (SP/SO) angenommen. Damit soll ein neues Gesetz geschustert werden, dass den eiligen Umzug verhindert. Künftig sollen die Lottogewinne zwangsläufig in jener Gemeinde versteuert werden, wo zum Zeitpunkt der Ziehung der Wohnsitz ist.

Roberto Zanetti, SP-SO, spricht auch als Praesident des Fischerei-Verbandes ueber die Fische im Doubs, an der Fruehjahrssession der Eidgenoessischen Raete, am Donnerstag, 9. Maerz 2023 im Staenderat i ...
Roberto Zanetti war mit seiner Motion erfolgreich.Bild: keystone

Anders als im Ständerat, wo die Motion ohne Gegenstimme durchrutschte, gab es in der grossen Kammer deutlichen Widerstand. Bereits in der vorberatenden Kommission war es denkbar knapp. Nur gerade mit einer Stimme Unterschied empfahl die Wirtschaftskommission die Steuerflucht zu beenden. Begründet wurde das mit dem «administrativen Mehraufwand, der den Kantonen durch die notwendige Koordination entstehen würde.»

Der Vergleich mit dem Kauf einer Cervelat

Paolo Pamini (SVP/TI) führte zudem ins Feld, dass es eine Gesetzesänderung für sehr wenige Fälle sei. Dabei gehe es um maximal 15 Personen pro Jahr. Greife man dafür in die kantonale Steuerhoheit ein, dann öffne man die «Büchse der Pandora» für zahlreiche weitere Eingriffe. Beginne man mit Lottogewinnen, werde man bald eventuell auch die Gewinne aus Dividenden so besteuern, fürchtete Pamini.

Piero Marchesi, Sergio Morisoli, Tiziano Galeazzi und Paolo Pamini, von links, beim SVP-Treff waehrend den Eidgenoessischen Wahlen, am Sonntag, 22. Oktober 2023, in Agno. Die Schweizer Buergerinnen un ...
SVP-Politiker Pamini (rechts) warnte vor einer «Büchse der Pandora».Bild: keystone

Für die Befürworter geht es dagegen um Fairness. David Roth (SP/LU) verglich die Steuerflucht nach einem Lottogewinn mit dem Kauf einer Wurst: «Haben sie in der Metzgerei ihres Vertrauens auch schon einmal eine Cervelat gekauft und vorgeschlagen, sie in der Nachbarsgemeinde zu bezahlen, weil dieser die Cervelats günstiger anbiete?» Schliesslich hätten die Gewinnerin und Gewinner ja auch Leistungen in der bisherigen Wohngemeinde konsumiert.

Auch der Bundesrat unterstützte das Anliegen. Es greife nicht übermässig in die Steuerhoheit der Kantone ein und sei eine faire Lösung, führte Finanzministerin Karin Keller-Sutter aus. Ihre eigene Partei folgte ihr aber nicht. Zusammen mit der SVP lehnte die FDP die Gesetzesänderung ab. Mitte, GLP, SP und Grüne verhinderten aber, dass die Vorlage abstürzt.

Nun wird der Bundesrat eine entsprechende Gesetzesänderung ausarbeiten. Diese wird dann wiederum durchs Parlament müssen. Bis es so weit ist, dürften noch ein paar Jahre vergehen. Und einige findige Glückspilze dürften so nach dem Lotto-Jackpot noch beruhigt die Zügelwagen rufen können. (aargauerzeitung.ch)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
43 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
domin272
06.03.2024 21:39registriert Juli 2016
Ich hätte einen wirklich unglaublichen Vorschlag dieses Problem zu umgehen. Geradezu unerhöhrt für die Schweiz. Einheitliche Steuern und weg mit diesem unsäglichen Steuerwettberb von dem nur wenige Gemeinden und Reiche profitieren. Ich weiss, nennt mich verrückt.
12712
Melden
Zum Kommentar
avatar
Staedy
06.03.2024 21:03registriert Oktober 2017
Typisch für unser Parlament. Wegen so einer eigentlichen Bagatelle wird gleich einmal in Windeseile ein neues Gesetz erschaffen. Die Lösung grosser Probleme wird dann wieder hinten angestellt.
828
Melden
Zum Kommentar
avatar
Ferienpraktiker21
06.03.2024 21:39registriert Dezember 2020
Das war ja höchste Zeit hier endlich zu handeln. Sind sicher jährlich Aberhunderte Personen die wegen ihrer X-Millionen aus Lottogewinn in den Kanton Schwyz oder ähnlich gezügelt sind. Das schenkt viel mehr ein als Besteuerung auf hohe Erbschaften oder Gewinne aus Finanztransaktionen.
709
Melden
Zum Kommentar
43
Nach Missbrauchsvorwürfen: LGBT+-Verein für Jugendliche in der Ostschweiz löst sich auf

Nach Missbrauchsvorwürfen gegen zwei leitende Personen des Vereins «Sozialwerk.LGBT+» mit Anlaufstellen für queere Jugendliche in Buchs SG und Chur GR wird sich der Verein auflösen. Die beiden Treffs bleiben gemäss einer Vertreterin des Vereins geschlossen. Neue Konzepte für ein Jugendangebot würden derzeit ausgearbeitet.

Zur Story