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Gesellschaft & Politik

Umfrage zur Juso-Initiative: 57 Prozent denken über einen Wegzug nach

Verwaltungsratspraesident und Group CEO ad interim Peter Spuhler an der Bilanzmedienkonferenz der Stadler Rail, am Dienstag, 15. Maerz 2022, in Bussnang. (KEYSTONE/Gian Ehrenzeller)
Peter Spuhler ist mit seinen Abwanderungsgedanken nicht der einzige Schweizer Unternehmer.Bild: keystone

Umfrage zur Juso-Initiative: So viele Unternehmer denken über Auswanderung nach

Eine Umfrage des Beratungsunternehmens PWC zeigt: Peter Spuhler ist nicht der einzige Unternehmer, der die Schweiz verlassen könnte.
11.07.2024, 13:5811.07.2024, 14:58
Florence Vuichard / ch media
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Abgestimmt wird frühestens in zwei Jahren. Doch der Kampf um die Volksinitiative der Jungsozialisten, mit der ein Erbschaftssteuersatz von 50 Prozent auf Vermögen von über 50 Millionen Franken eingeführt werden soll, hat schon angefangen. Stadler-Lenker Peter Spuhler denkt laut über den Wegzug aus der Schweiz nach, Ypsomed-Gründer Willy Michel ebenso. Logistikunternehmer Hans-Jörg Bertschi und Dottikon-ES-Chef Markus Blocher machen sich dieselben Überlegungen.

Und Giorgio Behr, der Besitzer der Industriegruppe BBC, warnt davor, dass den Unternehmenserben letztlich nur ein Verkauf der Firma übrig bleibe – an ausländische Investoren oder Equity-Gesellschaften, die einzig am Profit interessiert wären, wie er gegenüber CH Media festhielt. «Diese Initiative fördert den Kapitalismus pur.»

Viele Unternehmer wollen sich nicht öffentlich äussern. Aber die Initiative treibt sie um. Das zeigt auch eine am Donnerstag veröffentlichte Umfrage des Beratungsunternehmens PWC. Demnach hätten 8 von 10 der betroffenen Unternehmerfamilien nicht genügend liquide Mittel, um die geforderte Erbschaftssteuer zu zahlen. Denn ihr Vermögen ist zu 63 Prozent im Unternehmen selbst investiert, weitere 18 Prozent in Immobilien, die ebenfalls zum Teil zur Firma gehören. Oder anders gesagt: Der Grossteil des Kapitals ist gebunden. Nur gerade 15 Prozent des Vermögens halten die befragten Unternehmer in bar oder in Form von Wertschriften.

Deshalb prüften 78 Prozent «bereits heute Schritte, um eine Besteuerung zu vermeiden – oder denken zumindest über Optionen nach», wie aus der Erhebung hervorgeht. Fragt man sie nach konkreten Vorkehrungen, schwingt die «vorzeitige Übertragung von Vermögenswerten innerhalb der Familie» obenauf: Das erwägen zwei Drittel. Ganze 57 Prozent denken über einen Umzug ins Ausland nach.

Denn mit dem – auch nur provisorischen – Wegzug einer natürlichen Person ins Ausland endet ihre Steuerpflicht in der Schweiz – jedenfalls für die Einkommens- und Vermögenssteuern. Bei Liegenschaftsbesitz bleibt hingegen eine beschränkte Steuerpflicht, wie PWC warnt. Zudem dürften die Steuerbehörden wachsam sein, ob die Person auch wirklich das Land verlassen hat. Der Umzug des früheren Novartis-Lenkers Daniel Vasella, der auf dem Papier seine Villa am Zugersee gegen eine Blockwohnung in Monaco getauscht haben wollte, überzeugte weder die Zuger Steuerverwaltung noch das Zuger Verwaltungsgerichts.

Gemäss PWC sind Wegzugsgelüste das schlechte Nachrichten für den hiesigen Wirtschaftsstandort: Familienunternehmen würden in der Schweiz hohe Steuerbeiträge zahlen und Hunderttausende von Arbeitsplätzen sicherstellen. Würden diese Familien abwandern, entstünde der Schweizer Volkswirtschaft ein «Schaden in Milliardenhöhe». Oder in den Worten des PWC-Experten Jürg Niederbacher: «Wegzüge von Schweizer Familienunternehmen stellen für die Schweiz einen grossen finanziellen Schaden dar. So schadet bereits die faktische Vorwirkung der Initiative der Schweiz sehr.»

Für zwei Drittel ist der Verkauf die einzige Option

Weiter gehen 65 Prozent der befragten Unternehmen nach eigenen Angaben davon aus, dass sie ihr Familienunternehmen nach Annahme der Erbschaftsinitiative und ohne Vorkehrungsmassnahmen teilweise oder ganz verkaufen müssten. Das heisst umgekehrt: Nur noch ein Drittel der Schweizer Familienunternehmen würde ganz in Familienbesitz bleiben.

Da bei Unternehmerfamilien das Gros ihres Vermögens in der Firma gebunden ist, erhalten die Töchter und Söhne heute «üblicherweise» die Firmenteile partiell oder ganz als Erbvorbezug oder Schenkung, heisst es bei PWC. 83 Prozent der befragten Unternehmen sehen mit der Initiative die Nachfolge gefährdet.

Für die Umfrage hat das Beratungsunternehmen im Juni 2024 Antworten von 224 Entscheidungsträgern oder Entscheidungsträgerinnen von Schweizer Familienunternehmen ausgewertet. Wenig erstaunlich lehnen 96 Prozent von ihnen die Juso-Initiative ab. Einige von ihnen dürften sich dann auch in einem Abstimmungskampf engagieren – zusammen mit Jobst Wagner, dem Mitbesitzer der Rehau-Gruppe, die weltweit rund 20'000 Mitarbeitende zählt und von Bern aus gesteuert wird.

Wagner hat sich heute schon dazu verpflichtet, sich zu engagieren, wie er gegenüber CH Media betonte: «Wir müssen besser aufzeigen, was wir als Unternehmer für die Volkswirtschaft leisten.» (bzbasel.ch)

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    107 Kommentare
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    Die beliebtesten Kommentare
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    Gina3
    11.07.2024 14:33registriert September 2023
    Es ist an der Zeit, dass sowohl die Linke als auch und vor allem die Rechte aufhören, den Menschen Angst zu machen.
    Streiks gehören in der Schweiz nicht zu unsere DNA. Die meisten arbeiten zuverlässig und produktiv. Wer übernimmt nach den Unwettern die Hauptlast der Aufräumarbeiten? Der Staat. Wir haben einen Staat, der ziemlich gut funktioniert. Und das kostet Geld. SVP und Cousins fdp/ Lega sollen aufhören, das Volch zu terrorisieren und sie sollen konkrete Vorschläge vorbringen. (Nicht: Erhöhung der Franchise!! ) Viele haben wirklich ihre Grenzen der Belastbarkeit erreicht
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    Büetzer
    11.07.2024 16:04registriert März 2017
    Ich würde wirklich verdammt gerne mal 1 oder 2 Millionen an Steuern zahlen müssen. Denn danach bleibt immer noch mehr übrig ,als ich mit ehrlicher Arbeit je verdienen könnte
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    Chalbsbratwurst
    11.07.2024 16:22registriert Juli 2020
    Diese Initiative ist Gift für den Wirtschaftsstandort Schweiz!

    Und alle die keine solche Firma haben dürfen im Fall nicht denken das sie das nicht betrifft.
    An diesen Firmen hängen nicht nur deren Arbeitsplätze sondern auch die Arbeitsplätze von 100oenden kleineren Zulieferfirmen und Unterhaltsfirmen.

    Wir werden alle darunter leiden!

    Über solche Absurditäten darf man gar nicht diskutieren weil das schon schlecht ist für die Wirtschaft!
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