Vergangenes Wochenende kam es erneut zu einer homophob motivierten Attacke im Zürcher Niederdorf. In der Nacht auf Sonntag wurden mehrere Männer vor dem Gay-Club Heaven von einer Gruppe Jugendlicher angegriffen. Dabei zückte einer der sechs Angreifer ein Messer und verletzte einen Sicherheitsmann des Clubs an der Schulter. Ein weiterer Mann erlitt eine Platzwunde am Kopf. Ein 15-jähriger Tatverdächtiger wurde später von der Polizei festgenommen.
Schon in den Wochen davor wurden im Niederdorf an den Wochenenden immer wieder Schwule angepöbelt und angegriffen. Im Frühling 2019 kam es zudem auch beim Lochergut in Zürich zweimal zu Attacken auf Homosexuelle. Diese Fälle zeigen nur die Spitze des Eisbergs. Wie oft Homosexuelle Opfer von Hassverbrechen werden, ist weitgehend unbekannt.
Schwulen- und Lesbenorganisationen kritisieren das schon lange. Sie fordern, dass sogenannte «Hate Crimes» statistisch erfasst werden. Mit der am Sonntag beschlossenen Ergänzung des Strafgesetzbuchs gäbe es jetzt eine gesetzliche Grundlage für eine solche Statistik. Doch vonseiten Politik, Behörden und Polizei regt sich Widerstand dagegen.
Die polizeiliche Kriminalstatistik listet jedes Jahr sämtliche registrierte Straftaten in der Schweiz auf. Darin erfasst ist, gegen welchen Gesetzesartikel verstossen wurde, nicht aber, was das Motiv der Tat war. Ein Angriff auf einen homosexuellen Mann erscheint in der Statistik also unter der Kategorie «Körperverletzung». Dass das Verbrechen einen homophoben Hintergrund hatte, wird nicht vermerkt.
Das gilt auch für antisemitisch, antimuslimisch oder rassistisch motivierte Straftaten. Anders als in anderen europäischen Ländern ist hierzulande unbekannt, wie häufig jüdische, muslimische oder dunkelhäutige Menschen Opfer von Gewaltverbrechen werden.
Einziger Anhaltspunkt stellt die Antirassismusstrafnorm dar. Sie stellt die Diskriminierung aufgrund der Rasse, Ethnie, Religion und seit Sonntag auch aufgrund der sexuellen Orientierung unter Strafe. Die Details bleiben allerdings auch hier unbekannt. Denn ob ein Verstoss gegen die Antirassismusstrafnorm aus antisemitischen, antimuslimischen, rassistischen oder homophoben Gründen begangen wurde, wird nicht separat aufgeführt.
In Basel und Zürich laufen derzeit Initiativen zur polizeilichen Erfassung von Hassverbrechen. Um sich ein Bild davon zu machen, wie verbreitet solche «Hate Crimes» in der gesamten Schweiz sind, müssen verschiedene Berichte von unterschiedlichen Verbänden konsultiert werden.
Die LGBT-Helpline zählt jede Woche zwei Meldungen, die bei ihrer Anlaufstelle eingehen. Die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus publiziert jedes Jahr eine Sammlung der vom Netzwerk der Beratungsstellen für Rassismusopfer erfassten und behandelten Vorfälle. Und bei den Angriffen auf die jüdische Gemeinde ist es der Antisemitismusbericht des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund, der die vorhandenen Daten zusammenfasst.
Die frühere BDP-Nationalrätin Rosmarie Quadranti forderte vor zwei Jahren in einer Motion die statistische Erfassung von «Hate Crimes» aufgrund der sexuellen Orientierung oder der Geschlechtsidentität. Sie schrieb: «Das Bundesamt für Statistik soll eine Form finden, die die Erfassung ohne grossen Aufwand erlaubt. Auf einem Polizeirapport auch noch zu erfassen, ob das Tatmotiv homo- oder transphobe Gründe hat, kann nicht ernsthaft als schwierig oder unmöglich bezeichnet werden.»
Im vergangenen Herbst hat der Nationalrat den Vorstoss von Quadranti knapp angenommen. Damit kommt die Diskussion auf nationaler Ebene erstmals etwas ins Rollen.
Wenig begeistert von Quadrantis Vorstoss ist der Bundesrat. Er beantragte, die Motion abzulehnen. Grundsätzlich finde er es zwar sinnvoll, «Hate Crimes» statistisch zu erfassen und entsprechende Daten zu veröffentlichen. Doch eine Evaluation habe gezeigt, dass die kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren eine neue Regelung ablehnen.
«Ihre Bedenken betreffen insbesondere die subjektive Beurteilung des Konzepts, die schwierige Eingrenzung des Themas und den erwarteten hohen finanziellen Aufwand für die Umsetzung», schrieb der Bundesrat in seiner Antwort auf Quadrantis Motion. Für Kantone und Bund würden hohe Kosten anfallen, die mit der Ergebnisqualität einer solchen Statistik abzuwägen wären. Die Ergebnisse der Befragung der Kantone habe gezeigt, dass weder bei der Erfassung noch bezüglich der Ergebnisse eine ausreichende Qualität gewährleistet werden könnte.
Nebst dem Bundesrat gibt es auch von Seiten Polizei kritische Stimmen zur statistischen Erfassung von Hassverbrechen. Gegenüber dem «Tages-Anzeiger» sagt Stefan Blättler, Chef der Berner Kantonspolizei, die Polizei müsste bei den Einvernahmen Daten beispielsweise über die sexuelle Orientierung, die Geschlechtsidentität und die Religion erfassen. «Das wäre heikel, da es sich um höchstpersönliche, schützenswerte Personendaten handelt.» Zudem könnten verlässliche Angaben über das Tatmotiv oft erst im Gerichtsverfahren gemacht werden.
Nachdem der Nationalrat den Vorstoss von Quadranti angenommen hat, wird das Geschäft in der Frühlingssession im Ständerat diskutiert. Sollte es dort eine Mehrheit erhalten, muss der Bundesrat innerhalb von zwei Jahren den Auftrag umsetzen, sprich ein Instrument ausarbeiten, dank dem die statistische Erfassung von Hassverbrechen möglich wird.
Wie gut die Chancen um das Geschäft stehen, zeigt die Diskussion in der vorberatenden Kommission des Ständerats: Ende Januar hat sie sich für die Motion ausgesprochen.
Ich hoffe die Betreiber haben ein erstklassiges Sicherheitskonzept :-/