Sie ist die dritte Frau, die sich um die Nachfolge von Simonetta Sommaruga bewirbt – und die erste Romande. Die jurassische Ständerätin Elisabeth Baume-Schneider strebt nach dem höchsten Amt im Land, wie sie am Freitagabend bekannt gab. Es wäre das erste Mal, dass der jüngste Kanton in der Landesregierung vertreten wäre.
Die Jurassierin ist als Bauerntochter auf dem Land aufgewachsen. Das ist nicht unbedingt eine Herkunft, die auf eine Laufbahn als SP-Politikerin hindeuten würde. Doch die bald 59-Jährige hat eine beachtliche Karriere hingelegt. In der Kurzversion: Kantonsrätin, Regierungsrätin, Ständerätin, SP-Vizepräsidentin. Nun wird sie zur Herausforderin von Eva Herzog und Evi Allemann – beides Städterinnen – und dem Zürcher Ständerat Daniel Jositsch.
Trotz einer langen politischen Karriere ist die Jurassierin in der Deutschschweiz kaum bekannt. Dabei spricht sie fliessend Schweizerdeutsch: Ihre Grosseltern, die auf dem Hof ihrer Eltern lebten, stammen aus dem Berner Seeland und sprachen zu Hause nur Berndeutsch. Die Deutschkenntnisse sollten Baume-Schneider später zum Vorteil gereichen, doch als Jugendliche in einer Zeit, als sich der Kanton Jura von Bern abspaltete, versteckte sie diese.
«In der Zeit der Gründung des Kantons wollte ich vor allem so sein wie meine jurassischen Freundinnen», erzählte sie in einem Interview. «Damals hasste ich die Berner Mundart und tat bei Einkäufen im Dorfladen so, als würde ich kein Wort Deutsch verstehen. Heute bin ich dagegen froh, dass ich Schweizerdeutsch spreche.»
Baume-Schneider studiert an der Universität Neuenburg und arbeitet danach als Sozialarbeiterin. In jungen Jahren ist sie bei der Revolutionären Marxistischen Liga, später tritt sie der SP bei. Es folgt der politische Aufstieg: Erst zieht sie ins jurassische Kantonsparlament ein, dann wird sie zur Regierungsrätin gewählt.
Ihre beiden Söhne sind damals noch klein, der jüngere noch nicht im Kindergarten. Die junge Mutter in der Exekutive: ein Prototyp, welchen die SP heute gern im Bundesrat hätte, die Schweizer Sanna Marin – das war Elisabeth Baume-Schneider damals auf Kantonsebene. 12 Jahre ist sie Bildungsdirektorin, zuständig auch für die Jura-Frage.
In der Regierung ist sie gleich doppelt in der Minderheit: mit ihrem Parteibuch und als einzige Frau im Fünfergremium. Darunter gelitten habe sie nicht, sagte sie einmal. Am Freitag strich sie dies als Vorteil heraus: Sie sei sich gewohnt, aus der Minderheit hinaus Lösungen zu finden.
Nach ihrer Zeit als Regierungsrätin leitet sie vier Jahren die Fachhochschule für Soziale Arbeit und Gesundheit in Lausanne, bevor sie 2019 den Sprung in den Ständerat schafft. Dort etabliert sie sich rasch. Derzeit präsidiert sie die einflussreiche Umwelt- und Energiekommission, die gerade wichtige Pflöcke eingeschlagen hat. Es sei unter anderem auch ihr zu verdanken, dass das Parlament die Solaroffensive im Eiltempo unter Dach und Fach brachte, ist etwa zu hören.
Ratskolleginnen und -kollegen sowie Weggefährten zeichnen das Bild einer verlässlichen, seriösen und umgänglichen Schafferin, die eine klare Haltung habe, ohne aber dogmatisch zu sein. Eine, die sich aktiv einbringe, aber nicht ins Rampenlicht dränge, sachlich und unaufdringlich sei, vor allem aber auch fähig zu Kompromissen.
«Sie ist sehr konziliant und kennt keine Scheuklappen», so Mitte-Ständerätin Andrea Gmür. Ein bürgerlicher Ständerat sagt, die Jurassierin arbeite lösungsorientiert, ohne den grossen Auftritt zu suchen. Und die Grüne Ständerätin Maya Graf sagt, Baume-Schneider sei «sehr verlässlich und kollegial. Sie setzt sich dafür ein, gemeinsam eine Lösung zu finden. Das ist ihre Stärke.»
Was nicht heissen soll, dass ihr alles gelingt: Von ihren drei bisher eingereichten Motionen etwa scheiterten alle.
Trotz ihres Images als seriöse Schafferin: Als verbissen gilt sie nicht. Sie habe eine «positive Leichtigkeit», sagt Christoph Eymann, ehemaliger LDP-Nationalrat und Präsident der Erziehungsdirektorenkonferenz. Er präsidiert heute die Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe, Baume-Schneider ist deren Vizepräsidentin.
Apropos Vizepräsidentin: In der kleinen Kammer ist Baume-Schneider derzeit zweite Vizepräsidentin (ausgerechnet Daniel Jositsch musste ihr den Vortritt lassen). Damit ist sie auf dem Weg, 2024 Ständeratspräsidentin zu werden – sofern sie nicht in den Bundesrat gewählt wird.
Das wäre allerdings eine Überraschung. Denn Baume-Schneider hat ein Handicap, das sie trotz Zweisprachigkeit nicht abschütteln kann: Würde sie gewählt, sässen vier Lateiner in der Regierung. Bis am 7. Dezember hat sie noch Zeit, die Parlamentarierinnen und Parlamentarier zu überzeugen, sie trotzdem zu wählen. (bzbasel.ch)
Das macht nichts - bei den kommenden Gesamterneuerungswahlen kann man ja dann dafür Herrn Cassis durch eine*n Grüne*n ais der Deutschschweiz ersetzen, so ist zu hoffen.