So kann es nicht weitergehen: Es ist ein Satz, der im Zusammenhang mit den steigenden Gesundheitskosten und Prämien immer häufiger fällt. «Unser bisheriges System war gut, aber es kommt langsam an sein Ende», sagte der Berner Gesundheitsdirektor Pierre-Alain Schnegg kürzlich. Gemäss dem neusten SRG-Wahlbarometer sieht die Bevölkerung die Prämien inzwischen als wichtigste politische Herausforderung an.
Nun werfen die Grünen einen brisanten Vorschlag in den Ring. In einer Fraktionsmotion, die sie am Montag einreichen, fordern sie: Abgaben auf umweltbelastende Produkte sollen zur Deckung von Gesundheitskosten verwendet werden, um die Prämienzahlenden zu entlasten. Konkret soll unter anderem die Mineralölsteuer, die Autofahrer bezahlen, zum Teil umgeleitet werden. Zudem soll auf Pestizide sowie giftige Chemikalien eine neue Abgabe eingeführt werden.
«Die heutige Finanzierung stösst an ihre Grenzen», begründet Grünen-Nationalrat Felix Wettstein den Vorschlag. Die Kosten stiegen, die Prämienverbilligung müsse immer mehr abfedern. Deshalb brauche es neben den Versicherten und dem Staat eine neue, dritte Finanzierungsquelle. Das gelte selbst dann, falls die linke Forderung nach der Abschaffung der Kopfprämie durchkommen würde.
Bei den Verursachern von Umweltschäden anzusetzen, sei nur konsequent, argumentiert er: «Verschmutzte Luft, Lärm, Gift-Rückstände: Ein beträchtlicher Anteil der Krankheiten ist auf belastende Umwelteinflüsse zurückzuführen.» Im Sinne des Verursacherprinzips sollen daher Umweltabgaben die Prämienlast reduzieren - und zwar deutlich: Sie sollen fünf bis zehn Prozent der Grundversicherungsprämien ersetzen, die sich heute auf über 36 Milliarden Franken pro Jahr belaufen.
Umweltabgaben gibt es heute schon, allerdings in geringerem Umfang. Insgesamt 580 Millionen Franken werden nächstes Jahr gemäss Bundesamt für Umwelt an die Bevölkerung via Krankenkassenprämien rückverteilt. Pro versicherte Person sind es 64.20 Franken pro Jahr – im Verhältnis zu den Prämien ein kleiner Betrag. Das Geld stammt zum grössten Teil aus der CO2-Abgabe auf Heizöl und Erdgas.
Nicht berücksichtigt bei den Umweltabgaben wird bisher der Verkehr – «obwohl dieser hohe Gesundheitskosten verursacht», kritisiert Wettstein, der bis vor kurzem als Dozent für Gesundheitsförderung und Prävention an der Fachhochschule Nordwestschweiz arbeitete. Gemäss einem Bericht des Bundes fielen 2020 allein durch die Luftbelastung des Verkehrs Gesundheitskosten von 3054 Millionen Franken an. Unter anderem verursachte der Verkehr via Luftverschmutzung und Lärm 23'800 Spitaltage.
Daher fordern die Grünen in der Motion, dass ein Teil der Einnahmen aus der Mineralölsteuer und der Automobilsteuer zur Deckung der Gesundheitskosten genutzt werden soll. Heute wird dieses Geld zum grössten Teil für den Verkehr verwendet – was die Grünen sowieso kritisch sehen. «Wir sind der Ansicht, dass zu viel Geld in Strassen investiert wird», sagt Wettstein.
Daneben braucht es nach Ansicht der Grünen auch neue Abgaben auf Pestizide sowie giftige Chemikalien wie beispielsweise Blei, Bisphenole und Quecksilber und die sogenannten PFAS, eine Gruppe von industriell hergestellten Chemikalien.
Insgesamt soll die Prämienlast so um bis zu zehn Prozent gedrückt werden, was derzeit 3.6 Milliarden Franken entsprechen würde. Woher wie viel Geld kommen soll und wie hoch etwa die Abgaben sein sollen, sagen die Grünen nicht: Das müsse der Bund ausrechnen, findet Wettstein. «Mit der Motion verlangen wir, dass die rechtliche Grundlage geschaffen wird. Die Höhe der Abgaben wird dann in den Ausführungen zu regeln sein.»
Um Gelder von der Strasse wegzuleiten, sind die Hürden indes hoch: Die Zweckbindung von Mineralöl- und Automobilsteuer ist in der Verfassung verankert, es bräuchte also eine Volksabstimmung. Politischer Widerstand ist gewiss, die Chancen für den Grünen-Vorstoss dürften daher gering sein.
Allen Vorschlägen, die bei den Prämien ansetzen, haftet zudem ein Makel an: Dass sie das Problem der Gesundheitskosten nicht anpacken. Wettstein betont, die Grünen unterstützten auch «alle Ansätze zur Kostenreduktion ohne Einbusse der Behandlungsqualität», etwa die koordinierte Versorgung oder das elektronische Patientendossier.
Zudem erhofft er sich von den Umweltabgaben längerfristig eine kostendämpfende Wirkung: Dank der Lenkungswirkung sollen die Umweltschäden sinken – was sich auf die Gesundheit auswirken soll. «Das mag naiv klingen», räumt er ein. «Aber beispielsweise beim Ozonloch hat sich deutlich gezeigt, dass politische Entscheide positive Wirkung auf die Umwelt haben können.»
Klar ist eines: Im Wahlkampf mangelt es nicht an Ideen zur Bekämpfung des Prämienanstiegs. (aargauerzeitung.ch)
Wenn das Gesundheitssystem einfach anders finanziert wird, ändert sich doch nichts.
Es muss nicht die Finanzierung, sondern der Bertrag des Ganzen und die Selbstbedienung aus diesem Topf geändert werden.