Kristina* wurde in der Schweiz geboren, ging hier ihr ganzes Leben lang in die Schule, hat einen Abschluss einer Schweizer Universität und besitzt den roten Pass. Ihre Eltern sind aber während des Jugoslawienkriegs in die Schweiz eingewandert.
Weil Kristina sich als Schweizerin sieht und die Werte des Landes schätzt, machte sie ein Praktikum auf einer Schweizer Botschaft.
Während diesem musste sie eine unschöne Erfahrung machen:
Die Reaktion der älteren Frau habe sie aber gar nicht so sehr überrascht, erzählt Kristina, denn sie werde seit ihrer Kindheit mit solchen rassistischen Aussagen konfrontiert. Während ihrer Schulzeit gehörten Sätze wie «Wenn du dich so verhältst, dann bestätigst du die Stereotypen, die man von euch hat», zum Standard.
Eine Studie der Universität Neuchâtel bestätigt nun, dass Kristina mit ihren Erfahrungen nicht alleine ist. «Institutionell-strukturelle Diskriminierung ist in der Schweiz kein Randphänomen – im Gegenteil, sie ist tief verwurzelt in der Schweiz», sagt Denise Efionayi-Mäder, die im Auftrag der Fachstelle für Rassismusbekämpfung (FRB) an der Studie mitgearbeitet hat, gegenüber watson.
Dem Wissenschaftsteam von Leonie Mugglin, Didier Ruedin, Gianni D’Amato und Efionayi-Mäder ist zudem aufgefallen, dass es zu den Themen Rassismus und Diskriminierung in der Schweiz relativ wenig Forschung gibt: «Es ist ein reales und weitreichendes Problem, aber dennoch wird es unter den Teppich gekehrt – auch in der Forschung.»
Die Universität Neuchâtel hat die Reaktionen von Personalverantwortlichen auf fiktive Bewerbungen verglichen. Dafür wurden verschiedene Bewerbungen mit identischem Lebenslauf, aber unterschiedlichen Namen und Bewerbungsfotos versendet. Folgende Feststellungen wurden gemacht:
Gemäss Efionayi-Mäder geht die rassistische Diskriminierung weiter über den Arbeitsmarkt hinaus: «Die Diskriminierung ist weitreichend. Auch die Bereiche Behörden und Einbürgerung, Politik sowie teilweise soziale Sicherung und Polizei und Justiz sind betroffen.»
Efionayi-Mäder erklärt watson im Gespräch, dass viele Menschen gewisse Personengruppen diskriminieren würden, ohne das überhaupt zu merken: «Das macht die ganze Problematik noch komplexer. Viele Leute, die beispielsweise Wohnungen vermieten oder in der Personalabteilung eines Unternehmens arbeiten, diskriminieren gewisse Menschen nicht unbedingt absichtlich. Sie legen die Bewerbungen beispielsweise einfach schneller weg und senden eine Absage. Würde man sie konfrontieren, würden sie sich wohl gegen solche Vorwürfe wehren.»
Wie kann man dieser tief verwurzelten rassistischen Diskriminierung entgegenwirken? Efionayi-Mäder sagt: «Wichtig ist schon mal, dass man über das Thema spricht. Betroffene sollten es offen ansprechen können, wenn ihnen so etwas widerfährt. So kann man die Menschen aufklären. Die Personen, die sich diskriminierend verhalten, müssen dann aber auch zuhören und gewillt sein, ihre eigenen Muster zu verändern.»
Für Kristina sind Aussagen, wie sie auf der Botschaft gemacht wurden, verletzend, denn «echte» Schweizer müssten sich nie solche Dinge anhören. Sie fügt an: «Die Messlatten sind unterschiedlich. Als ‹Ausländerin› muss man immer 200 Prozent geben, als ‹Schweizerin› nicht. Meine Eltern haben mich gut erzogen und ich war immer eine engagierte Schülerin. Aber das hat damals scheinbar nie wirklich gereicht. Heute weiss ich es besser, denn mittlerweile habe ich einen Universitätsabschluss, so schlimm kann ich also nicht gewesen sein.»
Als Kristina mit einer Schweizer Familie in den Ferien beim Abendessen war, machte die Familie fortlaufend Witze über verschiedene Nationalitäten: «Einmal war der Pole der Dumme, einmal der Italiener. Als dann der ‹Jugo› zur Zielscheibe wurde, bin ich aufgestanden und gegangen. Das muss ich mir doch nicht geben. Die Menschen sagen solche Dinge, denken, sie seien keine Rassisten, und verstehen gar nicht, dass das verletzend ist für uns.»
*Name von der Redaktion geändert.
Die ganzen Schubladisierungen sind generell schlimm (nicht, dass ich damit Rassissmus kleinreden möchte).