Die Berner Grünen-Nationalrätin Regula Rytz hat am Samstag ihren Rückzug aus der nationalen Politik bekanntgegeben. Nach der Sondersession im Mai will sie ihr Nationalratsmandat abgeben. Danach will sie das Präsidium bei Helvetas übernehmen.
Nach über dreissig Jahren in der Politik will die 60-Jährige etwas Neues anfangen. Sie könnte zwar «noch lange mit Leidenschaft» weitermachen, sagte Rytz gegenüber der «SonntagsZeitung». Allerdings sei der Wunsch grösser gewesen, einen neuen Weg zu gehen. Rytz bestätigte die Informationen gegenüber der Nachrichtenagentur Keystone-SDA.
Geplant ist, dass Rytz Präsidentin der Entwicklungsorganisation Helvetas wird. Die Klimakrise werde den Planeten «dramatisch verändern», und die Ärmsten dieser Welt würden am stärksten betroffen sein, sagte sie zur Zeitung. Deshalb wolle sie sich in der Entwicklungszusammenarbeit engagieren.
Zudem will sie sich selbständig machen und ein Beratungsbüro eröffnen. Daneben möchte sie sich als Delegierte bei den europäischen Grünen mehr um die Europapolitik kümmern, «um das institutionelle Abkommen in einem zweiten Anlauf durchzubringen», wie sie zur Zeitung sagte. «Ich höre mit der Politik nicht auf. Ich wechsle einfach die Bühne.»
Rytz politisierte seit dem Jahr 2011 im Nationalrat für die Grünen. Zuletzt war sie Mitglied in der Wirtschaftskommission und Teil der parlamentarischen Delegation für die Beziehungen zum Österreichischen Parlament. Zuvor war sie auch in der Kommission für Verkehr- und Fernmeldewesen, in der Geschäftsprüfungs- und in der Finanzkommission.
Ein Jahr nach ihrem Einzug in den Nationalrat wurde Rytz ausserdem zur Präsidentin der Grünen Schweiz gewählt, zunächst als Co-Präsidentin neben der Waadtländer Nationalrätin Adèle Thorens Goumaz. Diese legte ihr Amt vier Jahre später nieder, woraufhin Rytz die Geschicke der Partei alleine führte.
Bereits bei ihrer Wahl ins Co-Präsidium wurde Rytz im rot-grünen Lager als verlässliche Kämpferin für ökologische, feministische und gewerkschaftliche Anliegen beschrieben. Bürgerliche Politiker lobten sie für ihre unkomplizierte Dialogfähigkeit.
Im Jahr 2019 führte Rytz die Grünen als Präsidentin zu einem historischen Wahlsieg. Gemeinsam mit den Grünliberalen machten die ökologischen Kräfte im Parlament daraufhin 21 Prozent der Stimmen aus. Als Folge des grossen Wahlerfolgs stellte sich die Berner Politikerin noch im selben Jahr zur Wahl in den Bundesrat auf. «Nach einer solchen Richtungswahl kann man nicht einfach zur Tagesordnung übergehen», hatte Rytz bei der Bekanntgabe ihrer Kandidatur gesagt.
Die Grünen starteten damit einen Angriff auf die FDP, damit der Wählerwille besser in der Regierung abgebildet werden könne, wie Rytz gesagt hatte. Am Wahltag blieb die grosse Überraschung jedoch aus, das Parlament stellte sich hinter die bisherigen FDP-Bundesräte Ignazio Cassis (TI) und Karin Keller-Sutter (SG).
Nachdem ihr der Wechsel in die Landesregierung verwehrt blieb, gab Regula Rytz im Folgejahr das Präsidium der Partei nach acht Jahren ab. Es übernahm der Zürcher Nationalrat Balthasar Glättli. Dieser dankte seiner Vorgängerin am Samstag nach Bekanntwerden ihres Rückzugs auf Twitter. Sie habe die Grüne Schweiz über ein Jahrzehnt geprägt und an die Türe des Bundesratszimmers geführt, schrieb Glättli. Der Zürcher hatte bereits im vergangenen Jahr den Anspruch der Grünen auf einen Bundesratssitz bekräftigt.
Liebe @RegulaRytz
— Balthasar Glättli🌻 🕊 (@bglaettli) April 2, 2022
Du hast die @gruenech über ein Jahrzehnt geprägt & an die Türe des Bundesratszimmers geführt.
💚lichen Dank fürs unermüdliche Engagement.
Wir bedauern deinen Rücktritt & freuen uns, dass du grüne Politik auf anderen Bühnen vorantreibst!https://t.co/SqTpaUquMd
Bevor Rytz auf nationaler Ebene politisierte, war sie in verschiedenen politischen Funktionen, Parlamenten und auch in der Stadtberner Regierung aktiv. 1987 gehörte sie mit 25 Jahren zu den Gründungsmitgliedern des Grünen Bündnisses (GB), 2001 bis 2005 leitete sie die Kantonalpartei. Mit Kantonspolitik hatte die ehemalige Lehrerin sich schon ab 1994 eingehend befasst, als Mitglied des bernischen Grossen Rats. 2004 zog sie in die Stadtberner Exekutive ein.
Nun ist es für Rytz Zeit für etwas Neues. Um den Erfolg ihrer Partei macht sich deren einstige Anführerin keine Sorgen. «Wir sind inhaltlich stark, gewinnen nach wie vor Wahlen und neue Mitglieder. Die Covid-Krise und Putins Krieg konnten die grüne Welle nicht stoppen», sagte sie in der «SonntagsZeitung». (dab/sda)
Mehr als 10 Jahre kann Frau das ja wirklich nicht ertragen, aber weitsichtig wie sie ist macht sie nun rechtzeitig den Weg für Sophie Achermann frei und trägt somit gleichzeitig auch zur Verjüngung des Parlaments bei.
Danke Regula Rytz für alles.