Der Schweiz droht beim Kauf des US-Kampfjets F-35 ein Milliardendebakel, wie der neue Verteidigungsminister Martin Pfister am Mittwoch sagte. Aber es gebe kein Zurück: «Der Bundesrat bleibt bei seinem Entschluss, am Kauf der F-35 festzuhalten. Den Vertrag zu kündigen, würde erhebliche Folgen nach sich ziehen.» So könne die Schweiz die Sicherheit des Luftraumes und der Bevölkerung ab 2032 nicht mehr gewährleisten, da die bisherigen Kampfflugzeuge F/A-18 ihr Nutzungsende erreichen.
Stimmt das: Ist die Schweiz wirklich auf Gedeih und Verderb auf den F-35 angewiesen?
Die Erfahrung sagt etwas anderes. Als 2012 Zweifel am schwedischen Gripen aufkamen, den der Bundesrat unter Ueli Maurer kaufen wollte, meldete sich der europäische EADS-Konzern, der Hersteller des Eurofighter. Er bot der Schweiz an, ihr kurzfristig 33 gebrauchte Eurofighter zu verkaufen. Preis: 3,1 Milliarden Franken. Also die gleiche Summe, die die Schweiz für 22 neue Gripen zahlen sollte.
So etwas müsste auch heute möglich sein. Beobachter in Deutschland glauben, dass der Eurofighter der Schweiz auch jetzt aus der Patsche helfen könnte, wenn es um eine schnelle Alternative zum F-35 geht.
Der Zufall will es, dass ab nächstem Jahr 38 Eurofighter an Deutschland ausgeliefert werden. Diese Flugzeuge, oder ein Teil davon, könnten theoretisch schnell an die Schweiz abgegeben werden.
Die deutsche Bundeswehr besitzt heute schon gegen 140 dieser Mehrzweckkampfflugzeuge und könnte noch ein paar Jahre auf die neuen Jets warten.
Der Deutsche Bundestag bewilligte für die 38 neuen Jets einst 5,5 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Die 36 F-35, die die Schweiz in den USA kauft, sollten eigentlich maximal 6 Milliarden kosten, werden jetzt aber bis zu 1,3 Milliarden teurer.
Der Weg für die Schweiz würde hier über die deutsche Regierung und Bundeskanzler Friedrich Merz beziehungsweise Verteidigungsminister Boris Pistorius führen. Beobachter bewerten diesen Weg durchaus als aussichtsreich. Auch, weil Deutschland ein grosses wirtschaftliches Interesse hat, mit der Schweiz ebenso im Bereich Kampfflugzeuge ins Geschäft zu kommen und die Sicherheitszusammenarbeit zu verstärken.
Auch die Franzosen mit ihrem Rafale-Jet könnten Bundesrat Pfister aus dem US-Schwitzkasten befreien. Hersteller Dassault Aviation ist dabei, die Produktion des Rafale zu verfünffachen, der Export soll angekurbelt werden. Käufer werden ausdrücklich gesucht.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron rief persönlich zur Produktionssteigerung auf. Er will die europäische Sicherheitskooperation stärken, Frankreichs Einfluss ausbauen. Laut Beobachtern hat die Schweiz eine reelle Chance, sich hier einzuhängen.
Als Problem gilt: Die Franzosen seien immer noch sauer über die Behandlung, die ihnen zuletzt in der Schweiz zuteilwurde. Sie fühlten sich unter anderem von Armasuisse und der früheren Verteidigungsministerin hintergangen. Sie verstünden noch heute nicht, warum ihr Angebot so viel schlechter gewesen sein soll als das der Amerikaner.
Es herrsche dicke Luft, aber auch die Franzosen kämen nur zu gern ins Geschäft mit dem Nachbarn in der Schweiz. Ein Rafale-Kenner sagt, der Bundesrat müsste, wenn er Erfolg haben wolle, direkt beim französischen Präsidenten Emmanuel Macron vorstellig werden.
Und für den Rafale wie auch den Eurofighter gilt laut Experten das Gleiche: Die Schweiz hat die Jets vor ein paar Jahren gründlich getestet, es braucht keine jahrelangen Abklärungen mehr.
Es gibt sogar noch weitere Möglichkeiten, innert nützlicher Frist zu einem Kampfjet zu kommen.
Deutschland bot der Schweiz 2012 auch an, dass sie den Eurofighter im Sinne einer Übergangslösung mieten könne. Miete könnte auch heute eine Option sein, wenn der Bundesrat Zeit gewinnen will, um die ganze Situation mit den Amerikanern zu überdenken.
Jets zu mieten, ist gang und gäbe. Schon Ueli Maurer wollte ab 2016 als Übergangslösung schwedische Gripen-Jets mieten.
Tschechien beispielsweise mietet seit Jahren Gripen-Jets. Wie die Schweiz hat sich Tschechien vor einigen Jahren für den Kauf des F-35 entschieden. Weil der aber erst ab 2031 ausgeliefert wird, soll ab 2027 bis 2035 als Übergangslösung erneut ein Dutzend Gripen gemietet werden. Laut Fachpublikationen kostet das Gesamtpaket inklusive Wartung und Ausbildung von Piloten und Technikern rund 70 Millionen pro Jahr.
Pikant: Der Gripen, den das Volk 2014 nicht wollte, als Retter in der Not für die Schweiz und ihre Luftsicherheit?
Laut Priska Seiler Graf (SP), Präsidentin der Sicherheitskommission des Nationalrats, kann die neueste Krise auch eine Chance sein. Aus ihrer Sicht wäre es angebracht, jetzt das ganze Konzept der Luftverteidigung mit einem Flugzeug wie dem F-35 zu überdenken. Seit dem Ukraine-Krieg habe sich die Situation ja völlig verändert. (aargauerzeitung.ch)