Die Suche nach dem Twitter-Profil der Bundeshaus-Sekretärin ist zu Ende. Findige haben den Account, der mittlerweile gelöscht wurde, ausgemacht. Über eine einfache Google-Suche sind die Bilder der Sekretärin indes – in eindeutigen Posen – noch immer leicht zu finden. Dieses Bildmaterial verbreitet sich nun wie ein Lauffeuer über soziale Medien. Und freilich ist ein solcher Fall ein gefundenes Fressen für die Medien, die, so scheint es, arg tief im Sommerloch stecken. Seitdem die «NZZ» das Gebaren der Bundeshaus-Angestellten publik gemacht hat, wird die Geschichte in all ihren Facetten von «Blick» und «20 Minuten» ausgekostet. Die Medienlawine ist ins Rollen gekommen.
Unter dem Titel «So wild treibts die Porno-Sekretärin!» zeigt der «Blick» eine Auswahl der von der Sekretärin über Twitter verbreiteten Nacktbilder: Die Sekretärin beim Sex, beim Nackt-Selfie im Bundeshaus, mit gespreizten Beinen auf dem Bett und sonst wo. Das Echo der Internet-Community ist gewaltig, sogar die Nachrichtenagentur Reuters berichtet über den Fall. Ironie der Geschichte: Die «NZZ» erinnert daran, dass auch Angestellte im Bundeshaus ein Anrecht auf Persönlichkeitsschutz haben. Dabei hat gerade sie, die alte Tante, die Geschichte ins Rollen gebracht. Dass sich daraus ein solch enormer Medien-Hype ergeben würde, war abzusehen.
Eine kurze Stellungnahme der NZZ zum #Selfiegate im #Bundeshaus: Auch Angestellte im Bundeshaus haben Anrecht auf Persönlichkeitsschutz.
— Neue Zürcher Zeitung (@NZZ) 6. August 2014
Noch am Mittwochabend teilten die Parlamentsdienste mit, dass die Mitarbeiterin freigestellt worden sei. Die Freistellung gelte bis die Faktenlage geklärt und über die personalrechtlichen Folgen entschieden sei, so die Verwaltung weiter. Und der Generalsekretär der Bundesversammlung, Philippe Schwab, schreibt in einer Mitteilung ans Parlament: «Ich habe sofort eine interne Untersuchung veranlasst und die Mitarbeitenden darüber informiert. Sollten sich die Behauptungen bestätigen, so werde ich unverzüglich die erforderlichen Massnahmen treffen, um den guten Ruf des Parlaments und seiner Dienst zu wahren.» Wie die Geschichte ausgeht, dürfte schon jetzt feststehen.
Das Ganze erinnert an einen Fall, der bereits über fünf Jahre zurückliegt. Damals druckte der «Blick» unter dem Titel «Sado-Maso im Sozialamt» auf drei Seiten mehrere Bilder von einer «Sado-Maso-Website». Darauf posierte die «Leiterin des Sozialamts» einer kleinen Gemeinde im Zürcher Unterland als «Sex-Sklavin». Das Gesicht der Frau wurde zwar verpixelt, hingegen nannte der Bericht die Website, die Gemeinde und den Vornamen der Betroffenen. Dadurch wurde die Frau auch über ihr nächstes Umfeld hinaus erkennbar gemacht.
Der Presserat kam zum Schluss, dass der «Blick» die Sexbilder der jungen Frau nicht hätte abdrucken dürfen – auch wenn diese im Internet zugänglich seien. Er bestätigte damit einmal mehr seine Haltung, dass Bilder aus dem Internet nicht automatisch frei für jede weitere Veröffentlichung seien.
Der «Blick» habe damit in krasser Weise die Privatsphäre der Frau verletzt, argumentierte der Presserat weiter. Denn im Internet sei die Frau unter einem Pseudonym aufgetreten und es habe keinerlei Hinweise auf ihre berufliche Tätigkeit und ihren Arbeitsort gegeben. Ausserdem habe kein öffentliches Interesse daran bestanden, dass der «Blick» diese Fotos von einer privaten Website abgedruckt und damit einem wesentlich grösseren und ganz anderen Publikum zugänglich gemacht habe, so der Presserat in der damaligen Stellungnahme. «Auch Amtspersonen haben ein Recht darauf, dass ihre Privatsphäre respektiert wird.»
Wenn Medien darüber berichteten, dass von einer solchen Person Sexbilder im Internet abgerufen werden könnten, befriedige das allenfalls die Neugier des Publikums. Der Presserat kam zum Schluss: «Ein schützenswertes öffentliches Interesse an solchen Informationen gibt es in der Regel nicht – selbst dann nicht, wenn die Amtsperson eine hohe Stellung hat oder prominent ist.» Zu einem ähnlichen Schluss dürfte der Presserat auch im aktuellen Fall kommen.