Tote Tauben am Zürcher HB – Verein spricht von «Todesfalle»
Wer am Eingang des Zürcher Hauptbahnhofs bei der Europaallee derzeit nach oben blickt, dem offenbart sich ein grausiges Bild: Dort, in den Spalten der Holzdecke, die sich über den Aufgang aus dem HB und die Gleise 3 und 4 erstreckt, stecken mehrere tote Tauben fest.
In einem Instagram-Post vom Dienstag hatte der Verein Stadttauben Schweiz auf die toten Tiere aufmerksam gemacht. Im Beitrag forderte der Verein die SBB auf, etwas gegen das Sterben der Tiere zu unternehmen.
watson hat sich am Donnerstag vor Ort umgeschaut:
Dort zeigte sich: In der Holzdecke steckten mindestens vier tote Tauben. Eine Taube, die im Instagram-Post des Vereins zu sehen gewesen war, war am Donnerstag nicht mehr dort. Ob sie entfernt wurde, ist unklar.
Kritik von Tauben-Verein und Zürcher Tierschutz
Der Verein Stadttaube Schweiz geht davon aus, dass die Tauben den Bereich über der Holzkonstruktion als geschützten Brut- und Aufenthaltsort nutzen und einige zwischen den Holzstäben stecken bleiben und so «verenden» würden, so eine Sprecherin des Vereins gegenüber watson. Die Decken-Holzkonstruktion werde für Tauben so zur «Todesfalle».
Nadja Brodmann, Geschäftsleitung Zürcher Tierschutz, hält diese Überlegung für plausibel: «Tauben sind Nischen- und Spaltenbewohner. Sie ziehen sich dorthin zurück und brüten auch dort», erläutert sie gegenüber watson. Eine weitere Möglichkeit sei, dass die Vögel an etwas anderem gestorben seien und nicht das Feststecken für den Tod verantwortlich sei.
Gegenüber watson sagt die Zoologin:
Die SBB wären dann moralisch in der Pflicht, zu handeln, so Brodmann.
Zwar handle es sich nicht um eine bewusste, böswillige Massnahme gegen Tiere, wie wenn Gift ausgelegt werde. Doch auch städtebauliche Massnahmen könnten als tierquälerisch eingestuft werden, wenn sie den Tauben ungerechtfertigt Schmerzen, Schäden oder Verletzungen zufügen, sagt Brodmann. Sofern die SBB deshalb angezeigt würden, müsste ein Gericht die Verhältnismässigkeit von schadensmindernden Massnahmen prüfen.
Schneller und aus Tierschutzsicht besser wäre jedoch, wenn der Verein Stadttaube Schweiz mit den SBB das Gespräch suchen und eine aussergerichtliche Lösung anstreben würde, so Brodmann.
SBB spricht von Einzelfällen
Die SBB schreiben auf Anfrage von watson von den toten Tieren als «Einzelfälle»: «Nach unserem Kenntnisstand handelt es sich um Einzelfälle, verursacht durch das unbeabsichtigte Eindringen von Tauben in schwer zugängliche Bereiche und ein unglückliches Verheddern in Vergrämungsnetzen.»
Die SBB würden an Bahnhöfen zwar Massnahmen gegen Tauben ergreifen, achteten aber darauf, dass diese tierschutzkonform seien. «Sollten Tiere dennoch zu Schaden kommen, prüfen wir die Situation und passen die Installationen an», schreibt ein Sprecher der SBB weiter.
Der Verein Stadttaube Schweiz sieht eine Lösung für die Situation beim Zürcher HB darin, einen betreuten Taubenschlag einzurichten. Damit werde Tauben ein alternativer Aufenthalts- und Brutort geboten, sodass sie sich nicht in Nischen wie der Deckenkonstruktion in Gefahr bringen müssten.
Für alle, die ein noch lebendes Tier in Not sehen, empfiehlt Nadja Brodmann vom Zürcher Tierschutz, Hilfe anzufordern: «Wenn ein Tier eingeklemmt ist und gerettet werden muss, sollte man den Tierrettungsdienst oder die Zürcher Wildhut anrufen.»
Wildhut Zürich (nur für Wildtiere): Hier geht's zur Webseite.
