Finanzministerin Karin Keller-Sutter ist im nächsten Jahr Bundespräsidentin. Das Parlament hat die freisinnige St. Gallerin am Mittwoch mit 168 von 203 gültigen Stimmen gewählt. Das ist ein unterdurchschnittliches Resultat.
Von den 232 eingeworfenen Wahlzetteln wurden 23 leer eingelegt, und 6 waren ungültig. 35 Stimmen gingen nicht an die 60-jährige Finanzministerin, sondern an andere Personen.
Die Wahl ins Bundespräsidium gilt zwar als Formsache, wird von Ratsmitgliedern aber gerne genutzt, um Mitgliedern der Regierung ihr Missfallen oder aber ihre Zustimmung kundzutun. Im Mittel der vergangenen zehn Jahre erhielten die Bundespräsidentinnen und -präsidenten 178 Stimmen vom Parlament.
Allerdings hatten vor Keller-Sutter auch Viola Amherd (Mitte), Alain Berset (SP) und Ignazio Cassis (FDP) unterdurchschnittliche Resultate. Das beste Resultat der letzten Jahrzehnte hatte SVP-Bundesrat Ueli Maurer 2018 mit 201 Stimmen gemacht, das schlechteste Micheline Calmy-Rey (SP) 2011 mit 106 Stimmen.
Das beste Resultat aller Zeiten machten die Sozialdemokraten Hans-Peter Tschudi (BS) und Willi Ritschard (SO): Beide wurden 1970 und 1978 mit jeweils 213 Stimmen zum Bundespräsidenten gewählt.
Wirtschaftsminister Guy Parmelin ist im nächsten Jahr Vizepräsident des Bundesrats. Das Parlament hat den Waadtländer SVP-Politiker am Mittwoch mit 196 von 219 gültigen Stimmen gewählt. Damit dürfte Parmelin 2026 das zweite Mal Bundespräsident werden.
23 Stimmen gingen an andere Personen. Parmelin war bereits 2021 Bundespräsident. Der heute 65-Jährige wurde im Dezember 2015 in den Bundesrat gewählt und war zunächst Verteidigungsminister. 2019 wechselte er an die Spitze des Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF).
Die Landesregierung soll als Kollegialbehörde entscheid- und handlungsfähig sein: Das will Karin Keller-Sutter im nächsten Jahr ins Zentrum ihrer Arbeit als Bundespräsidentin stellen. In ihrer Rede vor dem Parlament plädierte sie für Kompromisse und für den Austausch.
Ihre Aufgabe im Bundesrat stellte sie an den Anfang ihrer Rede im Parlament nach der Wahl vom Mittwoch. Als Bundespräsidentin und Sitzungsleiterin habe sie dafür zu sorgen, dass der Bundesrat seine Aufgaben rechtzeitig, zweckmässig und koordiniert aufnehme und abschliesse. In strittigen Fragen habe sie zu schlichten.
Es gehe darum, sicherzustellen, dass der Bundesrat entscheid- und handlungsfähig sei. Denn er sei nicht nur eine vollziehende Behörde. «Er muss auch ein verlässlicher Partner sein für das Parlament, eine umsichtige Leitung der Verwaltung und eine vertrauenswürdige Institution für die Bevölkerung.»
In unsicheren Zeiten sei das Bedürfnis nach Orientierung gross, sagte Keller-Sutter und plädierte für Diskussion und differenzierte Meinungsbildung. Denn obwohl Orientierung im Groben und im Kontrast leichter zu finden sei: «Wir wissen aus Erfahrung, dass die wirklichen Lösungen nicht im Kontrast liegen, sondern im Kompromiss.»
Es sei eine Frage des politischen Willens aller Institutionen, Herausforderungen wie solide Finanzen und eine nachhaltig finanzierte Altersvorsorge zu meistern. «Ich bin da zuversichtlich», sagte Keller-Sutter. Denn die direkte Demokratie sei eingespielt, der Föderalismus funktioniere, und die Wirtschaft sei leistungsstark.
«Wenn wir dieses Fundament pflegen, wenn wir uns zusammenraufen, unsere Hausaufgaben machen, die Chancen packen, die sich uns bieten, können wir trotz schwierigem Umfeld einen entscheidenden Beitrag an den Wohlstand leisten», sagte sie. Das sei ein Beitrag an den sozialen Frieden im Land. (sda)
(dab/rbu/sda)