Bundespräsident Didier Burkhalter hofft auf einen «Neustart» der Gespräche mit der EU. «Der Motor läuft wieder», sagte er. Am Ziel sei die Schweiz aber noch lange nicht. Fest steht für den Bundesrat jedoch, dass die Reise auf dem bilateralen Weg weiter geht.
Vor den Bundeshausmedien zeigte sich Burkhalter überzeugt, dass sich das Schweizer Volk «gute Beziehungen zur EU» wünsche. Es sei sich nämlich bewusst, dass ein bedeutender Teil seines Wohlstands darauf basiere. Der Bundespräsident glaubt darum auch nicht, dass die Masseneinwanderungs-Initiative den bilateralen Weg grundsätzlich in Frage stellt.
Man dürfe die Ansicht einer Partei auf keinen Fall mit dem verwechseln, was in der Verfassung stehe, stellte er in Anspielung auf die Forderungen der SVP klar. Es gelte nun, den bilateralen Weg zu erneuern, und dieser Prozess sei am Mittwoch wieder in Gang gekommen.
Der Bundesrat hat sich bereit erklärt, Kroatien punkto Personenfreizügigkeit im Grundsatz gleich zu behandeln wie die anderen EU-Staaten. Er hat auch bekräftigt, dass die Schweiz wie vorgesehen einen Kohäsionsbeitrag für Kroatien leisten werde.
Als einzige greifbare Gegenleistung hat er dafür die Bereitschaft der EU, mit der Schweiz über ein Rahmenabkommen zu institutionellen Fragen zu verhandeln. Mehr sei nicht zu erreichen gewesen, sagte Burkhalter. «Es ist bedauerlich, in einer Situation zu sein, in der wir keine besseren Resultate erreichen können.»
Die Bedeutung der Verhandlungen schätzt der Bundespräsident allerdings nicht gering ein. Eine Lösung für die institutionellen Fragen sei der «Schlüssel zur Zukunft des Bilateralismus», sagte er. Und erst auf dieser Basis seien auch Verhandlungen über Fragen des Marktzugangs möglich.
Burkhalter ist sich bewusst, dass zu einer nachhaltigen Lösung auch eine Antwort auf die mit der Masseneinwanderungs-Initiative aufgeworfenen Migrationsfragen gehört. Er spricht jedoch lieber von der «Koordination» der verschiedenen Dossiers als von einem «Paket». Am Schluss werde sich die Schweiz aber die Frage stellen müssen, ob sie den Bilateralismus weiterhin wolle.
Viel Zuversicht strahlte der Bundespräsident nicht aus. Die EU sei unnachgiebig beim Grundsatz, dass eine Kontingentspolitik mit der Personenfreizügigkeit nicht zu vereinen sei, sagte er. Es sei daher schwer vorstellbar, eine Lösung zu finden, die für die EU akzeptabel sei. «Das hindert uns nicht daran, es zu versuchen», sagte Burkhalter.
Erschwerend kommt der Zeitdruck hinzu. Mit den EU-Institutionen in der aktuellen Besetzung kann die Schweiz wegen der anstehenden Europawahl nur noch bis in den Herbst verhandeln. Es sei «sehr unwahrscheinlich», dass bis dahin eine Einigung gefunden werde, sagte Burkhalter. Die Masseneinwanderungs-Initiative jedoch muss bis Februar 2017 umgesetzt sein.
In allen anderen Dossiers muss sich die Schweiz bis dahin mit Übergangslösungen begnügen. Bei der Forschungszusammenarbeit sei mit der Lösung in der Kroatien-Frage eine «Tür für Diskussionen aufgegangen», sagte Burkhalter. Jede Einigung könnte aber nur provisorisch sein, da die EU die vollständige Assoziierung an Horizon 2020 ohne Lösung für die Personenfreizügigkeit ablehne.
Burkhalter hofft, in der Zwischenzeit eine Übergangslösung zu finden und Schweizer Forschenden allenfalls schon diese Jahr wieder einen direkten Zugang zu EU-Programmen und Fördergeldern zu ermöglichen. Beim Austauschprogramm Erasmus+ ist die Frist für dieses Jahr bereits abgelaufen, eine Übergangslösung könnte erst nächstes Jahr umgesetzt werden.
Für Burkhalter bedeutet die Einigung zu Kroatien darum auch lediglich ein kleiner Zwischenschritt. «Eine Etappe ist erreicht, aber es ist eine Etappe.» (tvr/sda)