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Netanjahu träumt von «Gross-Israel»

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Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu steht vor einer Karte des Nahen Ostens während einer Pressekonferenz für internationale Medien im Regierungspressebüro in Jerusalem am 4. September 2024.Bild: keystone

Netanjahu träumt von «Gross-Israel»

Mit einem umstrittenen Bekenntnis löst der israelische Premier Protest in arabischen Staaten aus. Parallel treibt sein Finanzminister weitreichende Siedlungspläne voran.
15.08.2025, 14:1715.08.2025, 14:32
Jakob Hartung / t-online
Ein Artikel von
t-online

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat sich zu der Vision eines sogenannten «Gross-Israel» bekannt und damit Proteste in mehreren arabischen Staaten ausgelöst. In einem TV-Interview mit dem israelischen Sender i24NEWS erklärte er, er fühle sich eng mit dieser Idee verbunden – ein Konzept, das von ultranationalistischen Kreisen seit Jahrzehnten vertreten wird. Es bezieht sich auf die biblisch beschriebenen Grenzen des antiken Königreichs Salomon und umfasst daher nicht nur das Westjordanland, sondern auch Gebiete in den heutigen Staaten Jordanien, Libanon und Syrien.

Ägypten forderte daraufhin eine «Klarstellung» und warnte vor weiteren Spannungen. Das jordanische Aussenministerium sprach von einer «gefährlichen Provokation» und einer Bedrohung der staatlichen Souveränität. Auch Irak und Saudi-Arabien verurteilten die Äusserungen scharf und wiesen Expansionspläne entschieden zurück.

Netanjahu träumt von Gross-Israel: Westjordanland steht vor der Teilung

Währenddessen stellte Finanzminister Bezalel Smotrich in der israelischen Siedlung Maale Adumim östlich von Jerusalem seinen Plan für den Bau von 3'400 Wohneinheiten vor. Die neuen Siedlungen sollen im sogenannten E1-Gebiet entstehen – einem Areal, das strategisch zwischen Ostjerusalem und Maale Adumim liegt und von internationalen Beobachtern seit Jahren als hochsensibel eingestuft wird. Eine Bebauung könnte einen durchgehenden israelischen Siedlungskorridor schaffen und das Westjordanland faktisch in einen nördlichen und einen südlichen Teil zerschneiden. Dieser Schritt «begräbt endgültig die Idee eines palästinensischen Staates», sagte Smotrich vor Ort.

CORRECTS DAY Israeli Finance Minister Bezalel Smotrich arrives for a press conference about new settlement construction in the Israel-occupied West Bank near Maale Adumim, Thursday, Aug. 14, 2025. (AP ...
Bezalel Smotrich: Der israelische Finanzminister kündigt neue Siedlungen an.Bild: keystone

Smotrich verband die Bauankündigung mit der Forderung nach einer Annexion des gesamten Westjordanlands, um der Anerkennung europäischer Staaten für einen Palästinenserstaat zuvorzukommen. Die Palästinensische Autonomiebehörde sprach von einer «Fortsetzung der Annexion und einer Politik der Vertreibung».

Krieg in Gaza verschärft sich

Im Gazastreifen dauern die Kämpfe unvermindert an. Nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Zivilschutzes wurden in den vergangenen Tagen Dutzende Menschen getötet, darunter mindestens sechs, die auf Hilfsgüter warteten. Die UN warnten, dass die humanitäre Lage sich weiter zuspitze und Millionen Menschen von Hilfe abgeschnitten seien.

FILE - Palestinians rush to collect humanitarian aid airdropped by parachutes into Deir al-Balah, central Gaza Strip, Tuesday, Aug. 5, 2025. (AP Photo/Abdel Kareem Hana, File)
Mideast Wars Gaza Hunger
Hungersnot in Gaza: Palästinenser kämpfen um abgeworfene Hilfsgüter.Bild: keystone

Das israelische Sicherheitskabinett hatte zuvor beschlossen, seine Operationen in der Stadt Gaza und in zentralen Flüchtlingslagern auszuweiten. Medien berichteten, dass dafür bis zu 100'000 Reservisten mobilisiert werden müssten. Der Generalstabschef hatte vor einer vollständigen Eroberung von Gaza gewarnt, doch seine Bedenken wurden zurückgewiesen.

Hilfsorganisationen wie Oxfam, Care und Ärzte ohne Grenzen kritisierten derweil, Israel verhindere durch neue Vorschriften die Einfuhr dringend benötigter Hilfsgüter. Laut Oxfam wurden im Juli mindestens 60 Anträge abgelehnt, was Hilfsgüter im Wert von mehreren Millionen US-Dollar blockiert habe. Israel verweist auf Sicherheitsbedenken und wirft einigen NGOs vor, als Deckmantel für feindliche Aktivitäten zu dienen.

Extreme Hitze erschwert Lage

Zusätzlich verschlechtert eine Hitzewelle die humanitäre Situation. Am Berg Sodom am Toten Meer wurde mit 36,6 Grad die höchste jemals gemessene nächtliche Minimaltemperatur Israels registriert. In Regionen wie dem Jordantal werden Temperaturen bis zu 50 Grad erwartet. In provisorischen Zelten ohne Belüftung wird die Hitze für viele Menschen, insbesondere im Gazastreifen, zur lebensbedrohlichen Belastung.

Am 7. Oktober 2023 wurden bei einem Terrorangriff der Hamas mehr als 1'200 Menschen in Israel getötet. Rund 250 Menschen wurden zudem als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Fast zwei Jahre danach halten die Islamisten noch immer 49 Geiseln in ihrer Gewalt. Nur 22 von ihnen sind nach Einschätzung der israelischen Armee noch am Leben. Bei israelischen Angriffen im Gazastreifen sind seit Kriegsbeginn etwa 61'700 Menschen getötet worden. Diese Zahlen kommen von palästinensischen Behörden und unterscheiden nicht zwischen Kämpfern und Zivilisten.

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Macron kritisiert israelisches Vorgehen in Gaza scharf
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271 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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JBV
15.08.2025 14:29registriert September 2021
Netanjahu ist übergeschnappt. Palästina jetzt anerkennen um ihm Grenzen aufzuzeigen.
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Fiesekatzekratzetatze
15.08.2025 14:46registriert September 2019
Das überrascht rein gar nicht, lässt man ihn ja seit Jahren tun und lassen was er will. Unter dem Deckmantel einer Demokratie mausert er sich langsam zu dem was er eigentlich ist.
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NotSweden
15.08.2025 16:33registriert März 2022
Ich verstehe nicht, wieso überall auf der Welt fast synchron solch extrem machthungrigen Leute jetzt wieder an die Oberfläche gespült werden. Ist das so ein Biorhythmus, dass alle 80-100 Jahre weltweit ein Chaos angerichtet werden muss? Verursacht die Überbevölkerung einen psychologischen Dichtestress? Es ist traurig, aber irgendwie scheint die Menschheit es nicht fertig zu bringen, aus solchem Wahnsinn rauszukommen. Es scheint ja immer einen Prozentsatz von Psychopathen/Soziopathen in einer Population zu haben, aber immer wieder kommen die an die Macht.
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