Etwas irritiert war die polit-interessierte Schweiz schon, als der Bundesrat am Donnerstagabend die neue Departementsverteilung bekannt gab. SP-Magistratin Elisabeth Baume-Schneider wechselt nach weniger als einem Jahr vom Justiz- (EJPD) ins Innendepartement (EDI), das durch den Abgang von Alain Berset frei wurde. Ihren Platz im EJPD übernimmt der neugewählte Beat Jans (SP).
Der «Tages-Anzeiger» schreibt von der «fragwürdigsten Rochade seit vielen Jahren». Der Wechsel zeige Baume-Schneiders «erschütternde Ambitionslosigkeit als Justizministerin», er sende «ein Signal der Geringschätzung an die Mitarbeitenden im EJPD».
Dass Bundesräte ein Departement nach so kurzer Zeit abgeben, ist tatsächlich äusserst selten. Eine einjährige Amtszeit gab es zuletzt vor über 60 Jahren. Der 1958 für die BGB (Vorgängerpartei der SVP) gewählte Traugott Wahlen startete wie Baume-Schneider im Justizdepartement. Nach einem Jahr zog er ins Volkswirtschaftsdepartement weiter, heute das Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF).
Auch Michael Hermann vom Forschungsinstitut Sotomo kritisiert den Wechsel von Baume-Schneider. Auf Anfrage sagt der Politologe: «Wenn man nach einem Jahr wieder geht, ist das nicht gut für die Sache und zeigt auch, dass Elisabeth Baume-Schneider von der ihr gestellten Aufgabe überfordert war.»
Hermann ist der Meinung, der Bundesrat hätte sich gegen einen Wechsel von Baume-Schneider stemmen müssen. «Man wird als Generalist in den Bundesrat gewählt und muss jedes Departement führen können. Der Bundesrat hätte Baume-Schneider sagen können, sie solle im EJPD bleiben und ihre Arbeit fertig machen. Es stehen ja zahlreiche Baustellen an.»
Nebst dem Wechsel der SP-Bundesrätin bemängelt Hermann auch die neue Departementsverteilung als solches. Mit Ignazio Cassis im EDA und Baume-Schneider im EDI seien nun zwei Schlüsseldepartemente in den Händen von Personen «an der Grenze zur Überforderung». Der Grund sei die Regierungsbildung, die «von A bis Z zum Ritual der Machterhaltung verkommen ist».
Das ist nun eben der Preis einer Regierungsbildung, die von A bis Z zum Ritual der Machterhaltung verkommen ist: Zwei Schlüsseldepartemente (EDI, EDA) in der Hand zweier Personen an der Grenze zur Überforderung.
— Michael Hermann (@mhermann_) December 15, 2023
Können wir uns das wirklich leisten?
Der Sotomo-Chef führt aus: «Obwohl man mit Ignazio Cassis unzufrieden ist und er eigentlich keine Mehrheit mehr hat, wurde er – sogar mit besserem Resultat als vor vier Jahren – wiedergewählt.» Hermann spricht von einem «Abwehrdispositiv zum Retten der eigenen Sitze», vom Streben nach Machterhalt und der Angst vor Retourkutschen durch die anderen Parteien.
In der Tat dürften Teile der SP-Fraktion Cassis ausschliesslich deshalb gewählt haben, damit die bürgerliche Ratsseite bei der Wahl des Nachfolgers von Alain Berset nicht vom SP-Ticket abweicht. An der Nacht der langen Messer hörte man von einigen Sozialdemokraten, dass Ignazio Cassis eigentlich unwählbar sei.
In der Schweiz werde eine Nicht-Wiederwahl mit einer Katastrophe gleichgesetzt, so Hermann. «Dabei ist es ein Kernprinzip der Demokratie, dass man seinen Sitz wieder verlieren kann.»
Zur Tatsache, dass neu Elisabeth Baume-Schneider dem Innendepartement vorsteht, sagt Michael Hermann:
Ab dem 1. Januar 2024 hat nun also Elisabeth Baume-Schneider den Vorsitz im Innendepartement. Die Aufgaben, die anstehen, könnten nicht herausfordernder sein. Die Sozialdemokratin muss sich im nächsten Jahr in mehreren Sozialversicherungsvorlagen gegen die eigene Partei und die Gewerkschaften positionieren. Das erste Mal bereits Anfang März, dann wird über eine 13. AHV-Rente abgestimmt. Mitte Jahr kommt voraussichtlich die Prämien-Initiative der SP an die Urne.
Ob Baume-Schneider dafür die richtige Person ist? Schwer vorauszusagen. Politologe Michael Hermann ist skeptisch. «Die Herausforderungen für das EDI im kommenden Jahr sind gross. Die klar linke Baume-Schneider wird wenig Interesse an der Eindämmung des Kostenwachstums haben. Das kann ihr durchaus Popularität verschaffen. Es stellt sich bloss die Frage, ob wir uns dies leisten können.»
Das liege aber nicht nur am jeweiligen Bundesrat. «Es ist schwierig, in der Schweiz vorwärtszukommen. Wegen der vielen Lobbys, aber auch der Bevölkerung, die reformunwillig ist. Selbst unter Alain Berset ist nicht viel gegangen im Innendepartement.»
Clever! Der SVP mit dieser Departementsrochade ein Schnippchen geschlagen und Kompetenzen gut eingesetzt 👏🏻👍🏻💜❤️💚 @elisabeth_baume @beat_jans @spschweiz https://t.co/v9JVco4XEo
— Jacqueline Fehr (@jacquelinefehr) December 15, 2023
Warum thematisiert eigentlich niemand den Umstand, dass sich die SVP davor seit Jahren davor drückt, das EJPD und damit das Asyl-Dossier zu übernehmen? Das ist für mich das wahre Unding, nicht dass eine Frau, die aus dem sozialen Beruf kommt, sich auch dort einbringt.