Esther Steiner* verliess ihren gewalttätigen Freund in St.Gallen und wollte in Rorschach SG einen Neuanfang wagen. Doch dort wartete ein neuer Albtraum: Steiner, die auf Sozialhilfe angewiesen war, konnte sich nicht bei der Gemeinde anmelden. Dafür sorgte der Stadtpräsident und SVP-Nationalrat Thomas Müller persönlich.
Im Dezember 2012 zog Steiner nach Rorschach und fand erst bei einem Kollegen Unterschlupf. Im September 2013 wollte sie sich beim Einwohner- und Sozialamt anmelden. Doch sie wurde mit der Begründung, sie brauche einen Mietvertrag, abgewiesen.
Diesen unterschrieb sie schliesslich im Juli 2014, nachdem sie eine Wohnung gefunden hatte. Als Steiner das Dokument bei den Stadtbehörden eingereicht hatte, rief Stadtpräsident Müller die Vermieterin an und setzte sie unter Druck. «Er sagte, dass Leute wie Esther Steiner nicht in Rorschach wohnen dürften», sagt die Vermieterin zum Beobachter. «Er drohte mir mit einem Nachspiel, falls ich den Mietvertrag nicht auflöse.»
Der Kollege, bei dem Steiner zuerst wohnte, sagte: «Müller fragte, ob ich wisse, was ich der Stadt antue, wenn ich sie bei mir wohnen lasse.» Weil ihre Kinder derzeit fremdplaziert sind, müsse Rorschach für Familie Steiner wohl über 140'000 Franken berappen.
Zwei weitere Zeugen, die aus Angst vor Konsequenzen anonym bleiben wollten, gaben dem «Beobachter» an, im Fall Steiner von Thomas Müller kontaktiert worden zu sein. Das Ziel: Er wollte die Sozialhilfebezügerin daran hindern, sich in Rorschach anzumelden. Müller wollte sich zu den Vorwürfen nicht äussern.
Eine Sozialarbeiterin, die Esther Steiner unterstützte, erzählt zudem: «Eine Mitarbeiterin der Stadt sagte uns, dass sie Esther Steiner nicht anmelden könne.» Auf «Weisung von oben» dürfe sie den Mietvertrag nicht annehmen.
Esther Steiner gab schliesslich auf und zog im Dezember 2014 nach St.Gallen. Innert zweier Tage war sie im Einwohnerregister St.Gallen eingetragen, nun erhält sie Sozialhilfe. Das Sozialamt St.Gallen prüft nun eine sogenannte Abschiebungsklage gegen Rorschach, weil ihr offenbar eine «Wohnsitznahme in Rorschach verweigert» wurde.
«Was mich am meisten ärgert: Rorschach hat bekommen, was es wollte», sagt Sozialarbeiterin Graf. «Ein teurer Fall wurde an eine andere Gemeinde abgeschoben.» (rey)
*Name geändert