Das Gerangel mit Bundespolizisten im Bundeshaus bleibt für die SVP-Nationalräte Thomas Aeschi und Michael Graber juristisch ohne Folgen. Die zuständige Ständeratskommission hat letztinstanzlich entschieden, dass die beiden parlamentarische Immunität geniessen.
Aeschi und Graber hatten sich während des Besuches des ukrainischen Parlamentspräsidenten Ruslan Stefantschuk im Juni 2024 ein Handgemenge mit der Polizei geliefert. Bei der Bundesanwaltschaft ging danach eine Strafanzeige ein. Aufgrund des Verdachts auf Hinderung einer Amtshandlung reichte die Behörde im September 2024 ein Gesuch um Prüfung der Aufhebung der Immunität der beiden Nationalräte ein.
Die Rechtskommission des Ständerats (RK-S) hat nun mit 11 zu 1 Stimmen bei einer Enthaltung entschieden, die Immunität von Aeschi nicht aufzuheben, wie Kommissionspräsident Daniel Jositsch (SP/ZH) am Dienstag in Bern vor den Medien sagte. Auch Grabers Immunität bleibt geschützt. Dies beschloss die Kommission mit 9 zu 3 Stimmen bei einer Enthaltung.
Weil beide zuständigen Parlamentskommissionen auf gleicher Linie sind, ist der Entscheid definitiv. Die Immunität von Aeschi und Graber wird nicht aufgehoben. Die Bundesanwaltschaft kann nicht gegen die beiden ermitteln.
Gemäss dem Einsatzjournal des Bundessicherheitsdienstes (BSD) versuchten Aeschi und Graber - entgegen den Anweisungen der Sicherheitsassistenten des BSD - die Haupttreppe des Parlamentsgebäudes zu benutzen. Als sie von den Beamten zurückgehalten wurden, kam es zu einem Gerangel mit körperlichem Einsatz und verbaler Auseinandersetzung.
Laut Jositsch handelte es sich um ein «mehrfaches Kommunikationsproblem». Die Kommission zweifle daran, dass die Information über die Sicherheitsvorkehrungen im Bundeshaus an jenem Tag durch die Ratspräsidien genügend klar war. Zudem habe die RK-S die Anweisungen der Bundespolizei als «nicht besonders adäquat» und «nicht verhältnismässig» beurteilt. «Man hätte dieses Problem wohl etwas eleganter lösen können.»
Die Immunitätskommission des Nationalrats (IK-N) hatte vor zwei Wochen ähnlich argumentiert. Die Mehrheit wolle die Weisungsbefugnis des BSD zwar nicht infrage stellen, hiess es. Im konkreten Fall bestünden jedoch Zweifel, ob die konkreten Anweisungen für die betroffenen Personen im entscheidenden Moment unmissverständlich gewesen seien.
Die Ständeratskommission behandelte am Dienstag weitere Immunitätsfälle, unter anderem jenen des ehemaligen SVP-Nationalrats und -Generalsekretärs Peter Keller. Gegen ihn wollte die Berner Generalstaatsanwaltschaft ermitteln, im Zusammenhang mit einer Wahlkampagne vom Herbst 2023.
Die Kampagnen trugen die Titel «Neue Normalität?» und «10-Millionen-Schweiz stoppen!» und hatten unter anderem die Migrationspolitik der Schweiz im Fokus. In diesem Fall ging es um Ermittlungen wegen Verdachts auf Diskriminierung und Aufrufs zum Hass.
Die RK-S lehnte es aber wie die IK-N ab, die Immunität Kellers aufzuheben - mit 10 zu 3 Stimmen. Die Aussagen der Kampagne seien der freien Meinungsäusserung und -bildung im Rahmen des demokratischen Wahlkampfes zuzuordnen und gingen dem Interesse einer Strafverfolgung vor, befand die Mehrheit laut Jositsch. Auch dieser Fall ist damit erledigt.
Der Fall um SVP-Nationalrat Andreas Glarner bleibt dagegen offen. Die bernische Justiz hat um eine Ermächtigung ersucht, gegen Glarner wegen Verdachts auf Diskriminierung und Aufruf zu Hass gemäss Anti-Rassismus-Strafnorm ermitteln zu können.
Mitte November hatte die zuständige Nationalratskommission entschieden, dass Glarner nach Äusserungen gegen den Islam auf der Plattform X nicht durch parlamentarische Immunität geschützt sein soll. Die Mehrheit fand damals, dass Ratsmitglieder gegenüber Privaten nicht pauschal privilegiert werden sollten, wenn sie sich in sozialen Medien äusserten.
Die RK-S sieht dies anders. Sie ist der Meinung, dass Äusserungen auf sozialen Medien gleichzubehandeln seien wie ein Zeitungsinterview oder eine politische Rede, wie Jositsch sagte. Die Kommission trat mit 8 zu 4 Stimmen bei einer Enthaltung auf den Fall ein, weil sie einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Glarners Amt und dem Tweet sah.
Das Geschäft geht nun zurück an die IK-N. Tritt sie ein zweites Mal nicht auf das Gesuch ein, kann sie bernische Justiz gegen Glarner ermitteln. Folgt sie dagegen der Ständeratskommission, so müssen die Kommissionen in einem zweiten Schritt prüfen, ob die Immunität von Glarner aufzuheben sei oder nicht. (sda)