Als wäre die Niederlage bei den Nationalratswahlen nicht genug. Diese Abwahl aus dem Ständerat ist dreifach bitter. Für Lisa Mazzone (GP/GE) persönlich. Für die ohnehin schon wenig aussichtsreiche Bundesratskandidatur der Grünen. Und für die Partei als Ganzes.
Mazzone wäre – als erste Grüne überhaupt – 2025 Ständeratspräsidentin geworden. Ein öffentlichkeitswirksames und prestigeträchtiges Amt.
Das Problem: Geschieht bei den zweiten Wahlgängen für den Ständerat kommenden Sonntag nicht ein Wunder, verlieren die Grünen ihre Gruppenstärke von fünf Sitzen. Und dann, so sind sich Gruppenchefs der anderen Parteien im Stöckli einig, ist es weg, das Ratspräsidium für die Grünen.
Der amtsälteste Ständerat, Hannes Germann (SH), Gruppenchef der SVP, formuliert es gegenüber watson so: «Behielten die Grünen die Gruppenstärke, könnten wir über eine andere grüne Vertretung für das Ratspräsidium diskutieren.» Schaffen die Grünen keine fünf Sitze, so Germann, haben sie indes «kein Anrecht mehr auf eine separate Vertretung im Büro».
Gleich sieht das der Gruppenchef der FDP, Hans Wicki (NW): «Da die Grünen die Gruppenstärke wohl verlieren, haben sie kein Anrecht mehr auf das Vizepräsidium oder das Präsidium.»
Dazu wissenswert: Laut Geschäftsreglement des Ständerats dürfen im Büro nur die Gruppen vertreten sein, die im Ständerat mindestens fünf Mitglieder umfassen.
Und: Die Reihenfolge für Vizepräsidium und Präsidium steht und ist von den Gruppenchefs längst ausgehandelt. Und zwar bis und mit 2028.
Ab der kommenden Wintersession im Dezember präsidiert Eva Herzog (SP/BS) den Rat für ein Jahr. Danach käme laut Warteliste die nun abgewählte Lisa Mazzone. Gefolgt von Andrea Caroni (FDP/AR), Stefan Engler (Mitte/GR) und 2028 Werner Salzmann (SVP/BE).
«Ich gehe davon aus, dass wir nun pragmatisch den Nächsten auf der Liste, also Andrea Caroni, wählen», sagt Wicki. Ein Satz, den so auch German sagt. «Da wird es Gespräche unter uns Gruppenchefs geben, das handeln wir nach Absprache in unseren jeweiligen Gruppen miteinander aus», ergänzt Germann.
Die Grünen werden auch im Ständerat weiterhin in den Kommissionen sitzen. Mit der 35-Jährigen Mazzone verliert die Partei jedoch eine ihrer wichtigsten Personen im Parlament. Selbst die politischen Gegner haben für sie nur lobende Worte: «Ich habe Lisa Mazzone als Kollegin geschätzt, auch wenn wir politisch nicht viel deckungsgleiche Ansichten haben. Menschlich hat sie mich beeindruckt.» Und man habe in der Verkehrskommission gut zusammengearbeitet, sagt deren Präsident Wicki. Meist sei Mazzone sehr kompromissbereit gewesen.
Als «Polit-Talent» bezeichnet sie Germann von der SVP. Mazzone habe sofort verstanden, wie sie auf politische Mehrheiten hinzuarbeiten habe. «Das hat ihr zu einem beachtlichen Standing verholfen.»
Germann: «Wir haben sie privilegiert behandelt: Ins Büro wählen wir nicht einfach irgendjemanden.» Dass der bürgerliche Ständerat sie gleich nach ihrer Wahl 2019 – «und also ohne dass sie im Rat durch ihre gute Arbeit hätte auffallen können» – ins Büro gewählt habe, sei aus Respekt vor dem Wählerwillen geschehen. «Wir wussten alle, eine Lisa Mazzone steht dem Ständerat gut an – deshalb haben wir Bürgerlichen das mitgetragen und sie ‹auf die Laufbahn geschickt›», sagt Germann. Obwohl dadurch zum Beispiel SVP-Kandidat Salzmann auf der Warteliste nach hinten rückte.
Und die Grünen selber, was sagen sie? Deren Gruppenchefin war bis gestern Mazzone. Die neue Gruppenchefin der Grünen ist Maya Graf (BL), bisher die Stellvertreterin. «Die Abwahl von Lisa Mazzone ist ein Schock und bitter», sagt Graf. Das sei ein grosser Verlust sowohl für die Frauen wie auch für die junge Generation. «Beide sind im Ständerat untervertreten.»
Für Graf ist die Sache mit dem Präsidium noch nicht gelaufen. «Die Gruppenchefs werden das dann gemeinsam anschauen - ich erinnere daran, dass noch sechs Sitze offen sind.»
Erst nach dem 19. November könne die Situation analysiert werden. Graf: «Bis dahin hoffe ich, dass wir wieder fünf Sitze erreichen.»
Der Grünen-Sitz in Genf: weg: Der Grünen-Sitz in der Waadt: konnte nicht verteidigt werden. Aktuell stellen die Grünen mit Graf, Céline Vara (NE) und Mathias Zopfi (GL) nur noch drei Standesvertreter.
Die Hoffnung der Partei: Greta Gysin müsste am Sonntag im Tessin die Wahl schaffen, ebenso wie GLP-Politikerin Tiana Moser in Zürich. Moser müsste sich zudem für die Gruppenstärke der Grünen-Fraktion anschliessen.
Im Tessin ist der Sitzgewinn wenig aussichtsreich.
Eine Partei, welche nicht im beiden Parlamentskammern in der ersten Liga spielt, kann unter dem Konzept der Konkordanz nicht im Bundesrat vertreten sein. Der Ständerat hat die wichtige Funktion, anzuzeigen wie gut die Parteien bei der Breiten Bevölkerung in den einzelnen Kantonen verwurzelt sind. Durch die Majorzwahl sitzen dort nur Leute, welche von einer (oft sogar absoluten) Mehrheit der Leute als 1. und 2. Wahl für ihre Vertretung gewählt wurden und eben nicht irgendwie als 13. Wahl.
Und zu Graf: 3 plus 1 gleich immer noch nicht 5. Nur weil sie Moser im wünschenswerten Fall der Fälle vielleicht adoptieren würden, hätten sie noch nicht Gruppenstärke.