Stellen die Grünen im Dezember eine Kandidatin oder einen Kandidaten für den Bundesrat? Wahrscheinlich. Bei den Grünen ist es immer ein wenig kompliziert.
Der Partei, die 2019 auf 13.2 Wählerprozente kam, werden für den Herbst Verluste vorausgesagt. «Sollten wir fünf Prozent einbüssen, stellen wir keinen Bundesratskandidaten», sagt Fraktionschefin Aline Trede. Ganz so schlimm wird es wohl kaum kommen. Darum heisst es nun bei den Grünen: Die Partei plant, im Dezember einen Anwärter für die Landesregierung zu nominieren.
Ob der Angriff dabei einem bisherigen Sitz der FDP, der SP oder der SVP gilt – das wollen die Grünen vom Wahlergebnis abhängig machen. «Die FDP ist die Partei, die zurzeit im Bundesrat am klarsten übervertreten ist», sagt Trede. Aber wenn die SP Einbussen verzeichnet, könnten die Grünen versuchen, den Sozialdemokraten einen ihrer beiden Sitze abzuluchsen.
Das Klima zwischen den beiden Parteien hat sich verschlechtert. Als es um die Zusammensetzung der parlamentarischen Untersuchungskommission zum Ende der CS ging, gab es kaum Kontakte zwischen SP und Grünen. Es gibt grüne Parlamentarier, die das Verhalten der Sozialdemokraten als ziemlich überheblich wahrnahmen.
In der Vergangenheit haben die Grünen jeweils davor zurückgeschreckt, den roten Partner im linken Lager anzugreifen. Nach dem überraschenden Rücktritt von SP-Bundesrätin Simonetta Sommaruga verzichtete die wählermässig viertstärkste Partei auf eine Kampfkandidatur. Das trug der Partei den Vorwurf ein, handzahm zu sein.
In Stellung bringen sich auch die Grünliberalen. «Wenn wir im Herbst einen Wähleranteil von über zehn Prozent erreichen und im Ständerat Fuss fassen, treten wir für einen Sitz in der Landesregierung an», macht GLP-Präsident Jürg Grossen klar.
Auf wessen Kosten dieser Sitz gehen soll, hängt laut Grossen vom Wahlergebnis ab. SP wie FDP seien derzeit im Bundesrat übervertreten.
Für die GLP ist klar, dass die heutige Zusammensetzung geändert werden muss. «Die Zauberformel hat ausgezaubert», sagt Grossen. Sein Vorschlag: Alle Parteien sollten einen Bundesratssitz erhalten, nur die SVP zwei. «Das wäre mathematisch das Richtige.»
Keine Schützenhilfe darf die GLP von der FDP erwarten. «Wir stehen weiterhin zur Zauberformel», sagt Parteipräsident Thierry Burkart. Der Aargauer Ständerat glaubt nicht, dass die Formel am Ende ist. Es widerspreche den Schweizer Gepflogenheiten, amtierende Bundesratsmitglieder abzuwählen. Gelassen gibt er sich mit Blick auf die FDP-Magistraten. Finanzministerin Karin Keller-Sutter und Aussenminister Ignazio Cassis würden einen guten Job machen.
Auch SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi will nicht am Grundsatz rütteln: Die drei grössten Parteien besetzen je zwei Bundesratssitze, die viertgrösste einen. Wobei sich die Frage stellt, wie man die Parteigrösse bemisst: Sind die Wählerprozente ausschlaggebend oder die Zahl der Sitze im Bundesparlament? 2019 überflügelten die Grünen die CVP in Bezug auf die Wählerstärke – die Christlichdemokraten holten aber klar mehr Sitze im Ständerat und hielten darum insgesamt mehr Mandate.
Philipp Bregy, Fraktionschef der Mitte, betont denn auch: Ausschlaggebend sei die Stärke der Parteien in beiden Parlamentskammern. Die Grössenverhältnisse müssten sich im Bundesrat abbilden. Wobei für die Mitte klar sei:
Die beiden Sitze der SP in der Exekutive werden im Dezember als letzte bestätigt. Das wird die Lust der Sozialdemokraten an riskanten Manövern mildern. Sollte die Partei zum Beispiel den Grünen helfen, der FDP einen Sitz abzujagen, könnte die Retourkutsche sofort folgen. Es ist darum denkbar, dass die beiden ökologisch ausgerichteten Parteien im Dezember an die Türen des Bundesrates klopfen, aber weiterhin draussen bleiben müssen.
Von der grösseren Partei, den Grünen, wird nun aber mehr Angriffslust und Kampfgeist erwartet: Nach dem Wahlerfolg 2019 wartete die damalige grüne Parteipräsidentin Regula Rytz viel zu lange, bis sie ihre Ambition für den Bundesrat anmeldete. Und als Simonetta Sommaruga im November 2022 ihren Rücktritt ankündigte, bedangen sich die Grünen eine Bedenkzeit aus – und verzichteten schliesslich darauf, einen Kandidaten ins Rennen zu schicken.
Die Unterstützung in anderen Parteien habe gefehlt, erklärten die Grünen. Sie wirkten verzagt, sodass sich mancher Beobachter fragte: Wollen sie in den Bundesrat, oder fehlt es ihnen an der Entschlossenheit? Immerhin hat die Partei im Hinblick auf die Bundesratswahlen im Dezember bereits eine Findungskommission eingesetzt. (aargauerzeitung.ch)
Abwählen wäre eine aktive Handlung, die darauf abzielt, jemanden durch eine Abstimmung mit einer Mehrheit aus dem Amt zu entfernen. Die Frage müsste dann lauten: "Wollen Sie X aus dem Amt entfernen?"