Schnell wie ein Pfeil schiesst S. Gislers* grüner Zettel heute um 14 Uhr in die Luft. Gerade so, als wäre sie froh, nach dreieinhalb Stunden mal was anderes tun zu können, als zuzuhören.
In der Mittagspause redet sich die Mittfünfzigerin über ihren Älplermagronen in Rage. Ihre Stimme übertönt das Ländler-Trio auf der Bühne ohne Probleme: «Es muss einfach etwas passieren», sagt sie in urschweizerischem Urnerdialekt, «das Boot ist schlichtweg voll. Es ist der Mittelstand, der all diese Asylanten und Sozialfälle durchfüttern muss. Unseren Wohlstand haben wir uns selber erarbeitet. Der Wille des Volkes muss geachtet werden. Deswegen braucht es eine Durchsetzungsinitiative ...»
Die anderen im Saal Letzi des Mehrzweckgebäudes Rothenthurm stimmen mit Frau Gisler überein: Die anwesenden SVP-Delegierten wollen alle die «Volksinitiative zur Umsetzung von Volksentscheiden» lancieren: 401 Ja-Stimmen, Null Nein-Stimmen, Null Enthaltungen.
«In der SVP ist man sich eben noch einig», sagt Frau Gisler stolz. Ihre Urner Parteikollegen jagen sich derweil einen amerikanischen Schnupftabak in die Nase. «Das Laub fällt von den Bäumen, ein Hund bellt neumen, Priis!» Sie niessen nie.
Dazu lauschen sie den Vorträgen der prominenten Redner: «Die Schweiz braucht kein Völkerrecht und kein ausländisches Gericht», bellt der Zürcher Kantonsrat Hans-Ueli Vogt in den Saal. «Unser Land darf nicht immer mehr fremd bestimmt werden», ruft Toni Brunner und Ueli Mauerer, noch lauter: «Es gibt nicht nur Weinpanscher, es gibt auch Begriffspanscher!»
Am meisten Applaus erhält wie immer Superstar Christoph Blocher. Frau Gislers violette Strähne in der schwarz gefärbten Kurzhaarfrisur zitterte heftig mit, als sie bei seinen würzigen Voten mitnickte: «Weltoffenheit? Schnurre bhalte!», «In der Schweiz gibt es halt viel zu viele Studierte aber zu wenig intelligente Menschen» und «Wenn man etwas nicht durchsetzen kann, muss man halt gehen», sagte er.
Ginge es nach Frau Gisler, könnten viele in Bern «gleich gehen». Vor allem jene, die die Masseneinwanderungs-Initiative kritisieren. «Das sind Landesverräter, früher wäre man dafür angeklagt worden», sagt sie.
Ihren richtigen Namen will Frau Gisler lieber nicht publiziert sehen. Sie muss aufpassen. Wegen ihrer Stelle. Sie arbeitet in der Administration eines internationalen Technologieunternehmens und ist eine, die sich sich an ihrem Arbeitsplatz wie eine Ausländerin fühlt. Sie kann es ja gut mit den ausländischen Kollegen, aber: «Es sind einfach zu viele.»
Und deshalb wird Frau Gisler am 30. November auch ein «Ja» zu Ecopop in die Urne legen. Obwohl Partei und Vorstand an der letzten Delegiertenversammlung die Nein-Parole ausgegeben hatten. «Um ein Zeichen zu setzen. Es muss etwas passieren», sagt sie. «Als Delegierte hast du aber noch anders gestimmt», sagt ihr Mann über den Tisch. «Ja, aber jetzt tendiere ich wieder zu einem Ja», sagt Frau Gisler. Nur die in der Ecopop-Initiative geplanten Entwicklungshilfegelder für Afrika, die stören Frau Gisler.
Das Motto der Versammlung «Frei bleiben – nein zum Gang in die Knechtschaft» beansprucht Frau Gisler auch für sich persönlich: «Ich entscheide frei, was ich in die Urne lege», sagt sie. Und wahrscheinlich tun es ihr viele gleich. Gemäss aktueller SRG-Trendumfrage wollen zusammen mit Frau Gisler weitere 64 Prozent der SVPler die Ecopop-Initative annehmen.
«Wir waren noch nie so gespalten», sagt der Tischnachbar beim Einsiedler-Bier. Das hört Frau Gisler gar nicht gerne. Das töne ja, als hätte man Probleme in der Partei.
«Aber», sagt Frau Gisler, «Probleme haben wir nicht in der Partei. Draussen schon, aber in der Partei nicht.»
* Name von der Redaktion geändert
Sie sind meiner Meinung nach eine verbitterte und hasserfüllte Frau, die mit ihren Ansichten irgendwo im letzten Jahrhundert stecken geblieben ist. Bleiben Sie doch in ihrem kleinen Dörfchen, wo Ihnen die Schweiz noch schweizerisch genug ist - Ausländer gibts dort hinten sicher keine. Am besten nehmen Sie so viele Ihrer SVP "Volksgenossen" mit wie möglich mit und lassen uns dafür in Ruhe.