Schweiz
Gesellschaft & Politik

Nationalrat sagt ein zweites Mal Ja zum Stimmrechtsalter 16

Nationalrat sagt ein zweites Mal Ja zum Stimmrechtsalter 16

16.03.2022, 23:2816.03.2022, 23:28
Mehr «Schweiz»

Das aktive Stimm- und Wahlrechtsalter 16 ist einen Schritt näher gerückt. Der Nationalrat hat es am Mittwoch mit 99 zu 90 Stimmen bei drei Enthaltungen abgelehnt, eine entsprechende parlamentarische Initiative abzuschreiben.

Nun wird ein konkreter Vorschlag für eine Verfassungsänderung ausgearbeitet. Zuständig dafür ist die Staatspolitische Kommission des Nationalrats (SPK-N) – also jenes Gremium, das die Abschreibung der Initiative von Sibel Arslan (Grüne/BS) beantragt hatte.

Der entsprechende Entscheid war im November 2021 allerdings äusserst knapp gefallen – mit 12 zu 12 Stimmen bei einer Enthaltung mit dem Stichentscheid von Kommissionspräsident Andreas Glarner (SVP/AG).

Nationalraetin Sibel Arslan, GP-BS, spricht an der Herbstsession der Eidgenoessischen Raete, am Dienstag, 21. September 2021, in Bern. (KEYSTONE/Peter Schneider)
Sibel Arslan von den Grünen.Bild: keystone

Mit seinem Entscheid am Mittwoch bestätigte der Nationalrat einen früheren Beschluss: Bereits in der Herbstsession 2020 hatte der Nationalrat die parlamentarische Initiative gutgeheissen. In der Folge erklärte sich auch die Staatspolitische Kommission des Ständerats (SPK-S) einverstanden.

Vielen Jungen gehe es angesichts der Krisen der Gegenwart nicht gut, sagte Arslan in der Debatte. In dieser Situation werde die Frage der politischen Beteiligung noch wichtiger. 16- und 17-Jährige seien sehr interessiert an der Politik und die hätten zum Abstimmen und Wählen nötige politische Bildung. Arslan verwies namentlich auf die hohe Zahl junger Menschen an Demonstrationen gegen den Ukraine-Krieg.

Ablehnung in mehreren Kantonen

Es sei problematisch, wenn jemand zwar abstimmen und wählen, aber keinen Vertrag unterschreiben könne, sagte Jean-Luc Addor (SVP/VS) dagegen namens der ablehnenden Hälfte der Kommission. Kurt Fluri (FDP/SO) doppelte nach, künftig könnten Personen über Initiativen abstimmen, die diese nicht unterzeichnen dürften. Dies sei nicht sinnvoll.

Kurt Fluri, FDP-SO, spricht zur Finanzierung des oeffentlichen Verkehrs, an der Wintersession der Eidgenoessischen Raete, am Dienstag, 30. November 2021 im Nationalrat in Bern. (KEYSTONE/Alessandro de ...
Kurt Fluri von der FDP ist gegen das Stimmrechtsalter 16.Bild: keystone

Die Gegnerinnen und Gegner einer Neuregelung argumentierten zudem insbesondere mit dem Trend in den Kantonen: In den letzten Jahren wurde in mehreren Kantonen über das Stimmrechtsalter 16 auf kommunaler und kantonaler Ebene entschieden. Fast überall resultierte ein Nein. Bis heute dürfen 16- und 17-Jährige nur im Kanton Glarus abstimmen und wählen.

Skepsis bei FDP und SVP

Es sei nicht stimmig, einerseits das Mindestalter für den Kauf von Zigaretten von 16 auf 18 zu erhöhen, und andererseits das Stimmrechtsalter zu senken, sagte Andri Silberschmidt (ZH) namens der FDP-Fraktion. Dies sei den Leuten nicht zu vermitteln. Die Möglichkeit, sich zu engagieren, hänge zudem nicht vom Stimm- und Wahlrecht ab.

Nebst der Mehrheit der Freisinnigen war auch die SVP-Fraktion für die Abschreibung. Jugendliche hätten oft noch keine gefestigten politischen Ansichten, gab Piero Marchesi (SVP/TI) zu bedenken.

Gespalten war die Mitte-Fraktion. Für einen Teil sei der Einbezug junger Menschen entscheidend, sagte Marianne Binder-Keller (Mitte/AG). Der andere Teil lehne das Stimmrechtsalter 16 ab, weil aus seiner Sicht Rechte und Pflichten zusammengehörten.

Linke verweist auf Betroffenheit Junger

Corina Gredig (GLP/ZH) sagte, es gehe auch um Vertrauen in das Schulsystem und in junge Menschen. Die Erfahrungen in Österreich sowie aus dem Kanton Glarus zeigten, dass es beim Stimmrechtsalter 16 keine Nachteile gebe. Gredig kritisierte zudem die Kommissionsmehrheit. Diese weigere sich, einen vom Gesamtrat vor knapp zwei Jahren gefassten Beschluss umzusetzen.

Geschlossen für Stimmrechtsalter 16 war die Ratslinke. Greta Gysin (Grüne/TI) sagte, dass Durchschnittsalter der Stimmenden werde immer höher. Dabei seien jene, die von Zukunftsthemen wie dem Klimawandel betroffen seien, von der Entscheidungsfindung ausgeschlossen.

Auch die SP unterstützte die Initiative Arslans. Die Demokratie sei auf Nachwuchs angewiesen, sagte Nadine Masshardt (SP/BE). Das zeige sich in den Gemeinden. Politisches Interesse sei keine Frage des Alters. (sda)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Du findest es kalt in der Schweiz? DAS ist kalt
1 / 49
Du findest es kalt in der Schweiz? DAS ist kalt
Also wenn das mal nicht schulfrei bedeutet.
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Wieso lernen Schweizer nicht, wie man ein Lagerfeuer löscht?
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
72 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
E7#9
16.03.2022 23:40registriert Dezember 2019
Im Alter von 16 ist man besonders ideologisch und noch nicht ausgeprägt von Pragmatik getrieben. Kein Wunder unterstützt die Linke das Anliegen. Ich bedanke mich jetzt schon für das Blitzgewitter ⚡️
5634
Melden
Zum Kommentar
avatar
Schneider Alex
17.03.2022 05:47registriert Februar 2014
NEIN zum Stimmrechtsalter 16!

Noch mehr unbedarfte Stimmbürger:innen? Solange die Schule dem staatsbürgerlichen Unterricht einen so niedrigen Stellenwert beimisst wie bis heute, kann nicht erwartet werden, dass Schüler:innen mit Null-Berufserfahrung kompetent politisch mitreden können. Zudem kann man erst mit zunehmendem Alter schleichende, erst langfristig erkennbare negative Entwicklungen der Wirtschaft und Gesellschaft angemessen beurteilen. Das wissen viele Junge selbst. Ein weiterer Grund für die tiefe Stimmbeteiligung der Jungen.
4135
Melden
Zum Kommentar
avatar
Rethinking
17.03.2022 06:09registriert Oktober 2018
Sehr zu begrüssen…

Die Schweiz altert immer mehr, was dazu führt, dass „Tattergreise“ über eine Zukunft abstimmen, die sie kaum noch betrifft…
3329
Melden
Zum Kommentar
72
Schweizer Neonazis haben wieder eine Partei – wie sie heisst und wer dahintersteckt
Unbemerkt von der Öffentlichkeit, hat sich eine Pnos-Nachfolgepartei gebildet. Niemand will sich mit Namen und Gesicht für die neue rechtsextreme Formation exponieren. Eine Spurensuche.

Was ist der Sinn einer neuen Partei, wenn sich diese weitgehend im Untergrund bewegt? Einerseits erhoffen sich die Parteigründer dadurch Anonymität, weil sie sich vor dem Verlust ihrer Arbeitsplätze fürchten. Andererseits versprechen sie sich vom Status einer politischen Partei Schutz vor Bespitzelung durch den Nachrichtendienst und die Polizei.

Zur Story