In der Schweiz gibt es genau genommen keine einheitlichen Mindestlöhne. Eine Volksinitiative wollte dies im Jahr 2014 ändern, sie scheiterte aber wuchtig an der Urne. Diese Situation gilt aber nur auf nationaler Ebene. In einigen Kantonen, etwa in Neuenburg, Genf oder Basel, stimmte die Stimmbevölkerung aber eigenen, kantonalen Mindestlohngesetzen zu.
Bürgerliche Politikerinnen und Politiker stören sich daran und haben in ihrem Kampf dagegen nun einen Zwischenerfolg erreicht: Die Wirtschaftskommission des Nationalrates gab am Mittwoch bekannt, dass sie einem Vorstoss zur Einschränkung der kantonalen Mindestlöhne zustimmen möchte.
Die Forderung kam vom Mitte-Ständerat Erich Ettlin. Ihm war es ein Dorn im Auge, dass die kantonalen Mindestlöhne auch die Sozialpolitik des Bundes beeinflussten. Konkret geht es um die Gesamtarbeitsverträge (GAV), die vom Bundesrat als «allgemein verbindlich» erklärt werden können – sprich: Es geht um die GAV, die von Gewerkschaften und Firmen zusammen erarbeitet wurden und danach schweizweit gelten.
Das Problem hier war: Ein solcher GAV durfte in den Mindestlohn-Kantonen keine tieferen Löhne diktieren. Obschon genau das der Sinn und Zweck der kantonalen Mindestlohn-Regelungen war und vom Volk angenommen wurde, sieht Ettlin darin nun eine Gefahr für die «Sozialpartnerschaft». Er bezeichnet die kantonalen Regelungen gar als «umstrittenen Eingriff».
Der Vorstoss fand in der Kommission mit 11 zu 10 Stimmen eine knappe Mehrheit. Gemäss Mitteilung aus dem Bundeshaus wurde kritisiert, dass kantonale Mindestlöhne «zu Unsicherheiten in den sozialpartnerschaftlichen Verhandlungen» führten. Weiter heisst es: «Mit der Annahme der Motion soll die Rechtssicherheit für die bewährte Sozialpartnerschaft wiederhergestellt werden. Ausserdem sei es ja der Bundesrat, der GAV allgemein verbindlich erklärt, damit seien sie im Charakter ähnlich wie Bundesrecht.»
Kritik an diesem Entscheid gab es hauptsächlich von links, weil damit Entscheide der kantonalen Stimmbevölkerung überstimmt werden. So teilt etwa SP-Co-Präsident Cédric Wermuth mit: «An der Urne beschlossene, kantonale Mindestlöhne sollen ausgehebelt werden. Sie stören beim Ausbeuten der Arbeiter. Demokratie nur, wenn’s passt?»
Der Vorstoss wurde bereits im Ständerat angenommen und dürfte in den kommenden Wochen im Nationalrat diskutiert werden. Der Bundesrat teilt die Kritik von mehrheitlich linksgrüner Seite und empfiehlt den «bedenklichen Eingriff» zur Ablehnung. In der Begründung schreibt die Regierung, dass das Parlament damit «den Volkswillen auf Kantonsebene, föderalistische Prinzipien und die verfassungsrechtliche Kompetenzordnung aushebeln» würde.
Verkehrte Welt🙄