Schweiz
Gesellschaft & Politik

Umweltverantwortungsinitiative: Grüne enttäuscht über Abstimmungsresultat

Lisa Mazzone, Praesidentin Gruene Schweiz, gibt ein Interview, beim Treffpunkt der Initianten der Umweltverantwortungsinitiative, am Sonntag, 9. Februar 2025, im Progr in Bern. (KEYSTONE/Peter Klaunze ...
Lisa Mazzone, Präsidentin Grüne Schweiz, beim Treffpunkt der Initianten der Umweltverantwortungsinitiative.Bild: keystone

Junge Grüne bedauern Nein – SVP fordert Austritt aus Pariser Klimaschutzabkommen

Am Sonntag, den 9. Februar 2024, stimmten die Schweizerinnen und Schweizer über die Umweltverantwortungsinitiative ab. Die von den Jungen Grünen lancierte Initiative ist am Ständemehr gescheitert. 70 Prozent stimmten landesweit dagegen. Die Reaktionen auf das Resultat im Überblick.
09.02.2025, 14:2509.02.2025, 17:39
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Grüne enttäuscht über Abstimmungsresultat

Die Grünen sind enttäuscht über das Nein zur Umweltverantwortungsinitiative. Die Schweiz gewichte das kurzfristige Wirtschaftswachstum deutlich höher als die Erhaltung der Lebensgrundlagen, postete die Partei am Sonntag auf X.

Die Umweltverantwortungsinitiative der Jungen Grünen habe diesen Kurs korrigieren wollen hiess es weiter. Daher bedauern die Grünen, dass die Initiative abgelehnt wurde. Aber sie gratulieren den Jungen Grünen zu diesem Achtungserfolg, denn diese hätten es geschafft, das wichtige Thema der Überschreitung der planetaren Grenzen in die politische Debatte einzubringen.

Aline Trede im watson-Interview

Video: watson

Der Schutz des Klimas und der Umwelt seien dringender denn je, hiess es weiter. Die Bevölkerung habe sich 2023 mit dem Ja zum Klimaschutz-Gesetz klar dafür ausgesprochen. Dennoch weigere sich der Bundesrat, die notwendigen Massnahmen zur Erreichung des Netto-Null-Ziels umzusetzen. «Schlimmer noch: Anstatt zu handeln, baut er mit seinem drastischen Sparpaket den Umweltschutz sogar ab.»

Für die Grünen ist klar, dass das Tempo erhöht werden muss, um die Schweiz klimaneutral zu machen. «Blosse Versprechen reichen nicht aus», wird Grünen-Präsidentin Lisa Mazzone in der Mitteilung zitiert.

Magdalena Erni im watson-Interview

Video: watson/ralf steiner, hanna dedial

FDP erfreut und mit Warnung vor neuen Initiativen

Der FDP sei es gelungen, das enorme Schadenspotential der «Verarmungsinitiative» abzuwenden, schreibt die Partei in einer Mitteilung vom Sonntag. Sie warnt bereits vor neuen Initiativen, die den Mittelstand angreifen wollten und schilt die Linke sowie die Mitte-Partei.

Die nächsten Attacken auf den arbeitenden Mittelstand folgten bereits, hiess es. «Über zwölf Milliarden Franken wollen die Linken eintreiben.» Es sei zwar gut, sei die «Verarmungsinitiative» der Grünen verworfen worden. «Doch zu feiern gibt es wenig, drei neue linke Steuerbomben sind schon gelegt.» Der Schweiz drohe ein Finanzloch von über zwölf Milliarden Franken, das wie immer der Mittelstand und die KMU zahlen müssten.

Christian Wasserfallen im watson-Interview

Video: watson/ralph steiner, hanna dedial

Die FDP warnten unter anderem vor der Juso-Erbschaftssteuerinitiative. Damit zielen SP und Juso nach Ansicht der FDP auf die erfolgreichsten Schweizer Familienunternehmen. Doch so würden der Schweiz bis zu 3,7 Milliarden Franken an Steuern verloren gehen. Zudem sei mittlerweile klar, dass schon 2026 die AHV in die roten Zahlen gerate. Dem wichtigsten Sozialwerk fehlten weitere 5 Milliarden Franken.

Auch an der Mitte-Partei übte die FDP Kritik: Statt die Vorsorge zu stützen, wolle die Mitte die AHV mit weiteren 3,8 Milliarden Franken belasten. Denn zusätzlich zur 13. AHV-Rente verspreche die «Mitte» nun auch höhere Renten für Ehepaare. «Von allen Steuerbomben ist das die gefährlichste.»

Mitte-Partei begrüsst Entscheid des Souveräns

Die Mitte Partei begrüsst den Entscheid des Stimmvolks zur Umweltverantwortungsinitiative. «Die Auswirkungen der Initiative hätten den Wohlstand und die Beschäftigung in der Schweiz ernsthaft gefährdet und unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit geschwächt», schrieb die Partei auf X.

Sinnvoller sei es stattdessen, bestehende Ansätze zu stärken und ausgewogene Lösungen zu finden. Zwar teile die Mitte die mit der Umweltverantwortungsinitiative verbundenen Absichten für einen sparsamen Umgang mit natürlichen Ressourcen. «Die vorgesehenen Massnahmen gingen aber zu weit und hätten den Wohlstand und die Beschäftigung in der Schweiz ernsthaft gefährdet und die Wettbewerbsfähigkeit auf internationaler Ebene geschwächt», so die Partei am Sonntag.

Markus Ritter im watson-Interview

Video: watson/ralph steiner, hanna dedial

Insbesondere hätte die Umsetzung der Initiative laut der Mitte-Partei negative Folgen für Ernährung, Landwirtschaft, Energieversorgung, Mobilität, Bekleidung und Wohnen mit sich gebracht. Darüber hinaus sei die Frist von zehn Jahren zur Erreichung dieser Ziele unrealistisch gewesen.

Für einen verantwortungsvollen und sparsamen Umgang mit «unseren natürlichen Ressourcen gilt es, die bestehenden Ansätze zu stärken und ausgewogene Lösungen zu finden, anstatt sich auf eine Initiative mit radikalen und ungewissen Folgen einzulassen».

Für SP bleibt Klimaschutz ein wichtiges Anliegen der Bevölkerung

Die Mehrheit des Schweizer Volkes habe die Umweltverantwortungsinitiative «heute als falsche Lösung für aktuelle klimapolitische Herausforderungen» gesehen, teilte die SP am Sonntag auf dem Kurznachrichtendienst Bluesky mit. Die jüngsten Klima-Abstimmungen zeigten aber, dass der Klimaschutz ein wichtiges Anliegen der Bevölkerung bleibe.

Massive Investitionen in die Energiewende und mehr Einsatz gegen Umweltzerstörung bleiben laut SP essenziell. «Wir müssen dort handeln, wo die Emissionen entstehen: Verkehr, Gebäude, Industrie. Um dies zu schaffen, haben wir gemeinsam mit Grünen die Klimafonds-Initiative lanciert», so die Partei weiter.

SVP: Annahme der Initiative hätte Armut für alle bedeutet

Für die SVP hat das Stimmvolk mit dem Nein zur Umweltverantwortungsinitiative ein klares Verdikt gesprochen. Die Annahme hätte «Armut für alle» und den sozialistischen Abgrund« bedeutet, schrieb die Partei in einer Mitteilung. Man wehre sich gegen diesen »Weg mit der teuren links-grünen Wohlstandsvernichtung«.

Verbote, Konsumverzicht und Verarmung wären die Folgen des radikal-sozialistischen Programms gewesen, so die SVP. »Denn die Initiative wollte die Schweiz ins Höhlenbewohner-Zeitalter zurückkatapultieren.«

Einschränkungen beim Wohnen, Autofahren, Heizen, Essen und sogar beim Anziehen wären auf dem Programm gestanden. Die Preise wären explodiert, Arbeits- und Ausbildungsplätze zerstört worden, so die Partei weiter. »Der Staat würde uns in zahlreichen Bereichen noch mehr bevormunden und mit Verboten und Abgaben plagen«, hiess es.

Die SP, die Grünen und ihr Parteinachwuchs würden immer radikaler. Sie gefährden laut SVP mit ihrer sozialistischen Politik die Grundlagen des Wohlstands. Diese Politik müsse gestoppt werden. Dazu gehörten auch die anstehenden Initiativen aus der »links-grünen Giftküche« wie die »Erbschaftssteuer-Initiative" der SP/Juso, diese sei in Wahrheit eine Enteignungsvorlage.

Die Partei forderte am Sonntag den Ausstieg der Schweiz aus dem Pariser Klimaschutzabkommen von 2015.

Bundesrat Rösti: «Nein ist kein Nein zum Schutz der Umwelt»

«Das Nein ist gewiss kein Nein zum Schutz der Umwelt»: Mit diesen Worten kommentierte Umweltminister Albert Rösti die klare Ablehnung der Umweltverantwortungsinitiative der Jungen Grünen. Es sei vielmehr ein Nein zu einem radikal anderen Leben gewesen.

Die Initiative hätte zu empfindlichen Einschränkungen geführt, sagte Rösti am Sonntagabend in Bern vor den Medien. Sie hätte den Konsum verteuert, etwa bei der Ernährung, der Mobilität oder beim Wohnen. «Es war ein Nein zu einem radikal anderen Leben, als wir es in der Schweiz heute führen.»

Die kurze Umsetzungsfrist von zehn Jahren hätte neue Verbote und Vorschriften erfordert, wie Rösti ausführte. «Und dies wohl ohne zusätzlichen Nutzen für die Natur und Umwelt.» Denn die Nachbarländer hätten kaum mitgezogen.

Rösti wertete das Resultat als Bestätigung der bisherigen Umweltpolitik. Der CO2-Ausstoss sei gesunken und der Konsum belaste die Umwelt weniger. «Innovationen und eine Stärkung der Kreislaufwirtschaft werden weitere Fortschritte bringen.»

Beispielsweise der Ersatz von fossil betriebenen Heizungen zeige, dass Fortschritte nicht von heute auf morgen kämen, sondern Jahre dauerten. Die Massnahmen von Bund und Kantonen für die Lebensgrundlagen wirkten. Zwar nicht so schnell, wie die Initiative es gewollt habe, aber so, dass die Menschen mitgenommen werden könnten.

«Wir schauen gut zur Natur, aber wir tun das mit Umsicht», führte der Umweltminister aus. Die Anliegen der Wirtschaft und die Bedürfnisse der Menschen seien wichtig. «Wir tragen ihnen ebenso Rechnung wie dem Schutz der Umwelt.»

Wirtschaftsverbände erfreut

»Die wuchtige Ablehnung der Umweltverantwortungsinitiative zeigt, dass die Bevölkerung beim Klimaschutz keine Radikalkur will und weiterhin auf eine vernünftige Umweltpolitik setzt«, hiess es in einer Mitteilung des Wirtschaftsdachverbandes Economiesuisse vom Sonntag. Für eine erfolgreiche Klimapolitik sei eine starke und innovative Wirtschaft unerlässlich. Laut Economiesuisse sollen Wettbewerbsfähigkeit und Umweltschutz verbunden werden, statt utopische Ziele zu setzen und den Standort Schweiz zu schwächen.

Der Industrieverband Swissmem und der Schweizerische Gewerbeverband (SGV) begrüssten das Nein. Laut SGV ist es eine »wuchtige Absage an eine illusorische und für den Wohlstand in der Schweiz immens schädliche Klimapolitik". Mit dem Nein an der Urne habe eine Umsetzung der Klimaziele mit der Brechstange verhindert werden können.

Die Klimastreik-Bewegung bedauert, dass die Argumente der bürgerlichen Parteien und Wirtschaft ins Schwarze getroffen haben, wie es in einer Mitteilung heisst. Dies bedrohe die Grundlagen der Gesellschaft.

Nein-Allianz: «Das Nein ist ein Fingerzeig an die Grünen»

Die überparteiliche Allianz «Nein zur Verarmungsinitiative» sieht das Abstimmungsresultat als Fingerzeig an die Grünen und «ihre etatistische Verbotspolitik». Es sei auch eine Absage an die Wachstums- und Kapitalismuskritik.

«Die Stimmberechtigten haben ein eindimensionales Ökodiktat, das wirtschaftliche und soziale Aspekte ausblendet, wuchtig verworfen», schrieb die Allianz. Die überparteiliche Allianz wurde von FDP, Mitte, SVP sowie Economiesuisse, Gewerbeverband und Bauernverband getragen.

Aufgezwungener Konsumverzicht, Preisexplosion und Wohlstandsrückgang seien abgewendet worden. Nachhaltigkeit sei nicht eindimensional, sondern umfasse eine wirtschaftliche, ökologische und soziale Dimension, so die Allianz. Und Umwelt- und Klimaschutz dürfe nicht auf Kosten der Bevölkerung oder der Unternehmen gehen.

«Mit der Verarmungsinitiative wurde erneut versucht, der Mehrheit einen Lebensstil aufzuzwingen, der nur von einer Minderheit gewünscht wird», so die Allianz. Einmal mehr wären laut der Allianz der Mittelstand, sozial Benachteiligte, KMU und der Agrarsektor am stärksten betroffen gewesen. Doch die Bevölkerung habe an der Urne ein deutliches Signal gesendet.

(hkl/sda)

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Die Stimmen zum Nein zur Umweltverantwortungsinitiative
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63 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Raki
09.02.2025 15:08registriert Januar 2024
Wer mit 70% Nein-Stimmen abgestraft wird, der sollte enttäuscht sein. Aber nicht vom Ergebnis oder vom Stimmvolk, sondern, dass von sich selber, weil man mit einer schlecht ausgearbeiteten und unrealistischen Initiative angetreten ist und damit dem Anliegen auf absehbare Zeit mehr geschadet als genutzt hat. Evtl. wäre es an der Zeit, dass man die benötigten Unterschriften für Volksbegehren/Initiativen entsprechend der zugenommenen Bevölkerung anpasst und somit das Stimmvolk nicht ständig mit vom Anfang an eigentlich hoffnungslosen Initiativen bemüht.
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Fritz_Forelle
09.02.2025 17:40registriert März 2022
Übertriebene Initiative lese ich, der Klimawandel ist extrem! Aber das schnallen die meisten erst wenn das eigene Haus weggeschwemmt wird.
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John T. Ripper
09.02.2025 14:58registriert September 2022
Ja, ein ganz unerwartetes Ergebnis für diese völlig übertriebene Initiative...
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    «Reisst das Bundeshaus ab!»: Historikerin stellt provokante Forderung
    Das Bundeshaus soll identitätsstiftend sein, es repräsentiert alle Kantone, die Sprachgegenden, Berufsstände, Schweizer Künstler und viele Mythen. Die grossen Abwesenden sind bis heute die Frauen. Es sei von Männern für Männer gebaut, sagt die Historikerin Fabienne Amlinger.

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