Die Ursprünge gehen auf Verena Diener zurück: Im März 2009 reichte die damalige Zürcher Ständerätin einen Vorstoss ein, mit dem sie den Bundesrat aufforderte, beim Vertrieb von Medikamenten preisunabhängige Margen festzulegen. Diener ist schon lange nicht mehr im Parlament, ihr Anliegen hingegen ist auch knapp 15 Jahre später noch immer aktuell.
Und es ist noch immer ungelöst, obwohl sich die involvierten Interessensparteien vor Jahren zu einem Kompromiss zusammengerauft haben, der dann auf Geheiss des Bundes nochmals überarbeitet werden musste. Seit September 2022 liegt der neuste Vorschlag auf dem Tisch des Gesundheitsministers, mit dem Apotheken, Arztpraxen und Spitäler in absoluten Frankenbeträgen immer gleich viel Marge verdienen würden, ganz egal, ob sie ein teures Originalpräparat oder ein günstigeres Generikum verschreiben.
Diesmal stand auch Bundesrat Alain Berset hinter dem Projekt. Das jedenfalls geht aus einem Schreiben vom 16. November 2022 hervor, das sein Departement an die Architekten des Kompromisses verschickt hat, das heisst an den Spitalverband H+, die Apothekerorganisation Pharmasuisse, den Kassenverband Curafutura sowie an die Ärztegesellschaft FMH. Es liess sie wissen, dass Berset – trotz teils auch kritischen Rückmeldungen vom Konsumentenschutz oder dem Verband der Versandhandelsapotheken – entschieden habe, «den in der Arbeitsgruppe entwickelten Lösungsansatz dem Bundesrat vorzulegen und auf eine erneute Vernehmlassung zu verzichten».
Im selben Schreiben erfahren die Verbände, dass der entsprechende Vorschlag nun in die Ämterkonsultation geschickt werde. Die Reform sollte gemäss Fahrplan, welcher gegenüber den verschiedenen Interessengruppen im Frühjahr wiederholt kommuniziert wurde, vom Bundesrat per 2024 in Kraft gesetzt werden. Doch nun kommen Zweifel auf. Skeptiker befürchten, dass Berset den Medikamentenmargen-Kompromiss doch nicht wie geplant am 22. September in den Bundesrat bringen will. Und ihre Zweifel sind berechtigt.
Mit dem ausgehandelten Margen-Kompromiss werden – vereinfacht gesagt – die teuren Medikamente ziemlich günstiger, die billigen hingegen etwas teurer. Dieser zweite Teil der Reform ist der Preis, den die Krankenkassen bereit waren zu zahlen, um eine einheitliche Marge durchzusetzen und damit die kostentreibenden Fehlanreize im Vertriebssystem zu eliminieren. Denn solange die Apotheken, Praxen und Spitäler bei teuren Medikamenten deutlich mehr verdienen als bei günstigen, werden sie wohl kaum ihren Patienten billigere Präparate verkaufen.
Die mit dem kostendämpfenden Systemwechsel angedachte Verteuerung der günstigsten Medikamente ist es auch, welche nun den Widerstand antreibt. In prozentualen Zahlen ausgedrückt sind die Aufschläge in der Tat sehr hoch, zum Teil wird der Preis dieser Präparate gar mehr als verdoppelt. Die Gegner sprechen von einem «Hinterzimmerdeal» und bezeichnen die Reform denn auch als unsozial – und sie werden offensichtlich gehört. Berset will nun nochmals einen Schritt zurück machen und die Kritiker mit einem neuen Kompromiss einbinden.
Das erstaunt: Denn es war Berset höchstpersönlich, der beim runden Tisch mit den Gesundheitsakteuren vom 5. Mai 2022 die Regel aufstellte, dass keines der günstigsten Medikamente im Vergleich zum Status quo mehr als 5 Franken pro Packung aufschlagen dürfe. Das sei seine Bedingung gewesen, damit er sich überhaupt auf die Reform bei den Vertriebsmargen einlasse, wie sich Beteiligte erinnern.
Danach mussten H+, Pharmasuisse, FMH und Curafutura nochmals über die Bücher und ihren bereits zuvor gezimmerten Kompromiss überarbeiten.
Das sind die Auswirkungen des aktuellen Vorschlags, der seit einem Jahr vorliegt, zu den Margen von jenen Arzneien, die auf der Spezialitätenliste stehen und von der obligatorischen Grundversicherung bezahlt werden:
Unter dem Strich liessen sich mit diesen Änderungen bei den Margen pro Jahr 60 Millionen Franken sparen. Oder anders gesagt: Apotheken, Arztpraxen und Spitäler würden auf 60 Millionen Margenfranken verzichten.
Hinzu kommt bei den Medikamentenpreisen ein weiteres Sparpotenzial von 210 Millionen Franken aufgrund grösserer Preisabstände zwischen Nachahmer- und Originalpräparaten. Demnach muss der Fabrikabgabepreis der Generika und Biosimilars, das heisst der Kopien von biotechnologisch oder gentechnisch hergestellten Medikamenten, neu je nach Marktvolumen zwischen 20 und 70 Prozent günstiger sein als das Originalpräparat nach Patentablauf.
Damit nicht genug. Die Promotoren der Reform versprechen sich indirekte preisdämpfende Effekte, weil damit der Anteil der günstigeren Nachahmerprodukte gesteigert werden kann. Dieser liegt heute lediglich bei rund einem Drittel der gesamten, abgerechneten Medikamentenpackungen. Und das ist im internationalen Vergleich wenig.
Doch ob das nun alles umgesetzt wird, liegt in den Händen von Berset. Falls er darauf verzichtet, bleibt Verena Dieners Anliegen noch etwas länger ungelöst. (aargauerzeitung.ch)
16 x 0,5g Dafalgan (rezeptfrei) = CHF 2.70
Wer findet das Hintertürchen? :D
Warum muss ein Kompromiss eingegangen werden der am schluss nichts bringt?!?
Die Medikamente sind jetzt schon doppelt und dreifach so teuer wie im Ausland und einige werden mit dieser Änderung noch teurer! Wirklich toll gemacht…