Geschätzte 80'000 Menschen ernähren sich in der Schweiz vegan. und verzichten somit auf Fleisch und alle weiteren tierischen Produkte wie Milch oder Eier. Veganer sind überzeugt: Sie tun mit ihrem Verzicht nicht nur etwas Gutes für die Umwelt und die Tiere, sondern sie leben damit auch viel gesünder. Doch was passiert, wenn Veganer ins Spital müssen? Wie gehen die Kliniken mit dem neuen Phänomen um?
Im Berner Inselspital hat sich seit Mitte Dezember die Antwort auf diese Frage geändert. Die Berner Inselspitalküche hat neu vegane Mahlzeiten offiziell auf ihre Speisekarten genommen. Patienten können sich zum Beispiel zur Vorspeise einen gemischten Salat mit einer veganen Sauce bestellen, zum Hauptgang Tortelloni all’arrabbiata und zum Dessert einen Pina Colada Muffin.
Es geht um eine kleine Patientengruppe: Alleine 800 Mittagsmenüs bereitet die Spitalküche täglich zu, im Schnitt bekocht sie einen Veganer pro Monat. Dennoch findet die Leiterin der Patientengastronomie, Anita Jaggi, das neue Angebot sei nötig: «Es ist mühsam, wenn ich als Veganer ins Spital komme und auf dem Speiseplan für mich nichts zum Essen fnde.»
Im Zürcher Universitätsspital (USZ) ist genau dies der Fall. Da es aus wissenschaftlicher Sicht derzeit keine medizinische Notwendigkeit für diese Ernährungsform gäbe, werde sie im USZ auch nicht unterstützt, heisst es. «Das heisst aber nicht, dass unsere Patienten sich bei uns nicht vegan ernähren dürfen», sagt Brigitte Perret, Bereichsleiterin Gastronomie am Universitätsspital Zürich. «Einfach auf eigene Verantwortung.»
Die meisten Veganer wählten im USZ das ovo-lakto-vegetarische Menü und lassen die enthaltenen tierischen Komponenten weg. Zudem biete das Spital auch Joghurts auf Sojabasis an. Perret betont: «Mit diesem Angebot kann man sich aber höchstens wenige Tage ausgewogen ernähren.» So verzichtet ein Teil der veganen Patienten während des Spitalaufenthalts auf eine Ernährung komplett ohne tierische Komponenten.
Zukünftig vegane Speisen anzubieten, ist derzeit nicht geplant. «Würde die Anzahl Patienten, die sich vegan ernähren wollen, stark ansteigen, stünde die Einführung eines veganen Menüs sicherlich zur Debatte», so Perret.
Keine veganen Speisen wegen zur geringen Nachfrage. «Aus wirtschaftlicher Sicht kann ich das Spital gut verstehen», sagt Valentin Salzgeber, Vorstandsmitglied bei der Veganen Gesellschaft Schweiz und dort zuständig für das Ressort Gesundheit. Dennoch bedauert er es. «Ein Spital hat die Aufgabe, sich um kranke Menschen zu kümmern. Dem wird ein Spital aber nicht gerecht, wenn es für eine bestimmte Patientengruppe, sei sie noch so klein, nichts Passendes zu essen gibt.»
Offiziell vegane Menüs gibt auch in Basel. «Seit der Einführung vor etwa einem Jahr haben wir eine konstante Nachfrage von rund ein bis zwei Mahlzeiten pro Tag», sagt Patricia Nussbaumer, Leiterin Patientengastronomie am Unispital. Eingeführt wurde das vegane Menü, «um dem Patientenwunsch gerecht zu werden», ergänzt Caroline Kiss, Leiterin der Ernährungstherapie und -beratung. «Eine gesunde Person kann sich vegan ernähren, wenn sie sich das entsprechende Ernährungswissen aneignet.» Bei einer akuten Krankheit oder nach einer Operation rate man aber von einer veganen Ernährung ab.
«Kranke Menschen haben häufig weniger Appetit», sagt Cornelia Albrecht, Leiterin Ernährungsberatung bei den Solothurner Spitälern. «Dies führt bei Veganern schnell zu einem Eiweissmangel». Bei Krebspatienten kommt ein Problem hinzu – ihr Bedarf an Kalorien ist erhöht. Hier versucht das Spital, die veganen Speisen mit Öl und pflanzlichen Fetten anzureichern.
In Solothurn wird jeder Veganer von einer Ernährungsberatung begleitet, individuell mit ihm geschaut, was er essen kann. Jene Veganer, die sich intensiv mit ihrer Ernährung auseinandersetzen würden, seien kein Problem. «Sie wissen genau, was sie brauchen. Unsere Aufgabe beschränkt sich dann darauf, es zu besorgen», sagt Albrecht. Bei Trend-Veganern liege der Fall anders. «Sie sind aber viel eher bereit, während der Genesungszeit Kompromisse einzugehen, zum Beispiel auch milchhaltige Speisen zu konsumieren.»
Druck übt Albrecht nie aus. Denn erstens sei dies in der Ernährungsberatung sowieso nie der richtige Weg, und zweitens, «weil man nicht sicher weiss, ob vegane Ernährung wirklich so verkehrt ist.» Albrecht ist seit 25 Jahren Ernährungsberaterin bei den Solothurner Spitälern.
Sie erinnert sich an die Zeiten, als die Spitalküche mit Vegetariern überfordert war. «Vor 20 Jahren waren noch sämtliche Menüs auf die Fleischkomponente abgestimmt. Es gab nur zwei klassische vegetarische Speisen: Tomatenspaghetti und den Gemüseteller.» Heute bieten die Solothurner Spitäler zu jeder Mahlzeit ein vegetarisches Menü an.
Ähnlich geht auch das Kantonsspital Aarau vor: Es werden den Patienten einerseits Menükomponenten vorgeschlagen, welche vegan sind und im normalen Angebot angeboten werden, und zusätzliche, welche im Rahmen der Ernährungsberatung bestellbar sind. Auch beim Kantonsspital Baden werden zusätzlich zum vegetarischen Angebot vegane Komponenten angeboten. Im Fall einer festgestellten Mangelernährung wird die Ernährungsberatung hinzugezogen.