Eine Flasche Cola enthält 53 Gramm Zucker. Sie deckt damit den gemäss Weltgesundheitsorganisation (WHO) pro Tag empfohlenen Maximalkonsum an Zucker von rund 50 Gramm. Auf diesen Wert kommt auch, wer drei kleine Becher Erdbeerquark verspeist oder eine grosse Flasche Ovomaltine-Milch trinkt.
Den Herstellern solcher Produkte will der Bund nun Regeln auferlegen. Nachdem sich mit der Erklärung von Mailand 2015 bereits grosse Schweizer Firmen - darunter Nestlé, Emmi, Migros, Coop und Wander - verpflichteten, den Zuckergehalt in Joghurts und Müesli schrittweise zu reduzieren, soll die Erklärung nun ausgeweitet werden. Künftig sollen auch Hersteller von Milchdrinks, Süssgetränken und Quark verpflichtet werden, den Zuckergehalt in ihren Produkten zu senken. Zudem sollen Salatsaucen und Suppen in Zukunft weniger Salz enthalten.
Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) hat in diesem Zusammenhang bereits im vergangenen November die betroffenen Unternehmen zu einer Anhörung eingeladen. Diese Woche nun fand der zweite Runde Tisch mit allen Beteiligten statt.
Dabei legte der Bund den Getränkeherstellern, Suppenproduzenten und Detailhändlerinnen eine Vereinbarung auf den Tisch: Je nach Lebensmittelkategorie soll der Zuckergehalt beziehungsweise der Salzgehalt in den Produkten unterschiedlich stark reduziert werden. So sollen beispielsweise die Getränkehersteller dafür sorgen, dass in ihren Produkten in zwei Jahren im Mittel 10 Prozent weniger Zucker enthalten ist. Basis bildet das Jahr 2021.
Begründet wird die Forderung mit Verweis auf die negativen Auswirkungen eines übermässigen Zuckerkonsums auf die Gesundheit. Studien zufolge erhöht eine stark zuckerhaltige Ernährung das Risiko, an einer nicht übertragbaren Krankheit wie Diabetes, Übergewicht oder Herz-Kreislauf-Erkrankung zu erkranken.
Die Vereinbarung ist freiwillig: Coca-Cola Schweiz, Rivella, Coop, Migros und Co. müssen sich bis am 6. Juni entscheiden, ob sie unterschreiben oder nicht. Die Zeit drängt also. Und schon jetzt ist klar: Wer sich nicht verpflichtet, dürfte an öffentlichem Zuspruch einbüssen und als Sündenbock abgestempelt werden, dem die Gesundheit der Schweizerinnen und Schweizer egal ist.
Doch ganz so einfach ist die Zuckerreduktion nicht. Bei den Getränkeherstellern steht ein ganzes Geschäftsmodell auf dem Spiel. Eine Cola mit weniger Zucker schmeckt nun mal nicht gleich wie eine nach Originalrezeptur - und wird wohl auch schlechter verkauft. Und weil der reduzierte Zucker gemäss Vorgaben des BLV nicht durch Süssstoffe ersetzt werden darf, sind den Herstellern zusätzlich die Hände gebunden. Mit dieser Vorgabe will das BLV die Konsumenten «an einen weniger süssen Geschmack gewöhnen», damit diese auch bei anderen Lebensmitteln zur gesünderen Variante greifen.
Mit über 40 Prozent Marktanteil bei den Erfrischungsgetränken ist Coca-Cola Schweiz besonders stark betroffen von der geplanten Zuckerreduktion - sofern das Unternehmen die Vereinbarung denn unterschreibt. Auf Basis der aktuellen Lage könne das noch nicht entschieden werden, sagt Natasja Sommer, Sprecherin bei Coca-Cola Schweiz. Das Unternehmen kritisiert das Vorgehen des BLV in mehreren Punkten: «Einerseits finden wir es schade, dass unsere Bestrebungen der vergangenen Jahre zur kontinuierlichen Zuckerreduktion nicht berücksichtigt wurden.» Sommer betont an dieser Stelle, dass Coca-Cola sein Angebot stets an die Bedürfnisse der Konsumenten anpasse und deshalb in den letzten zehn Jahren den Zuckergehalt vieler Getränke reduziert oder durch Süssstoffe ersetzt habe.
Andererseits sei es als international tätiges Unternehmen mit langen Planungshorizonten faktisch unmöglich, eine einzig auf die Schweiz abgestimmte Anpassung der Rezepturen in so kurzer Zeit vorzunehmen. Hinzu kommt: Das klassische Coca-Cola soll auf der ganzen Welt genau gleich schmecken und enthält deshalb überall gleich viel Zucker. Für die geplante Zuckerreduktion müssten also andere Produkte aus dem Portfolio - beispielsweise das Fanta oder das Sprite - angepasst respektive neue Getränke lanciert werden. Aktuell seien die Experten bei Coca-Cola daran, Berechnungen zu erstellen, ob und wie eine Reduktion des Zuckergehalts bis 2024 überhaupt möglich sei, so Sommer, und betont, das dass Unternehmen an einer gemeinsamen Lösung weiterhin interessiert ist.
Auch Rivella hat noch nicht entschieden, ob die Firma die Vereinbarung unterzeichnen wird. Der Getränkehersteller aus Rothrist bekräftigt allerdings, dass «die Reduktion von Zucker in unseren Getränken und die Einführung natürlich gesüsster Produkte» ein Weg sei, den Rivella schon länger beschreite.
Was, wenn die Hersteller die Vereinbarung nicht unterzeichnen? Dem Vernehmen nach hat das BLV angedeutet, die Einführung einer Zuckersteuer zu prüfen, sollten die betroffenen Unternehmen nicht auf freiwilliger Basis den Zuckergehalt ihrer Produkte reduzieren. So direkt bestätigt dies das BLV auf Anfrage nicht. Es teilt jedoch mit, dass «andere Massnahmen wie beispielsweise regulatorische Ansätze geprüft werden, wenn zu wenige Unternehmen die Erklärung unterzeichnen».
Das Bundesamt zeigt sich aber zuversichtlich: «Wir sind guter Dinge, dass die Lebensmittelwirtschaft den gemeinsamen Weg der freiwilligen Rezepturverbesserungen weiterhin mit uns gehen will.» (aargauerzeitung.ch)